Lisa Maria Völkerding

Die Integrationsfestigkeit des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen im Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG


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Ärgernis“ in der Dienstgemeinschaft oder dem beruflichen Wirkkreis hervorzurufen. Insofern wurden die Anforderungen deutlich erhöht.282 Der Glaubensabfall wird in Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. c) GrOkathK n.F. von den Verhaltensweisen ausgenommen, die für sämtliche Mitarbeiter eine dienstliche Sanktionsentscheidung nach sich ziehen. Diese Herausnahme dient indes wohl nur der Klarstellung, da ein Glaubensabfall bereits nach altem Kirchenrecht rein logisch nur für vormals Gläubige in Betracht kam. Neu als Kündigungsgrund aufgenommen wurde hingegen das „Verunglimpfen und Verhöhnen von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen“.

      Eine auffällige Neuerung ist, dass die kirchenrechtlich unzulässige Zivilehe gem. Art. 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. c) GrokathK nur dann einen schweren Loyalitätsverstoß darstellt, wenn sie „objektiv geeignet“ ist, nach den konkreten Umständen „ein erhebliches Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder im beruflichen Wirkungskreis“ hervorzurufen und eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Kirche droht. Neu ist auch, dass die Anforderung an die kirchenrechtliche Gültigkeit der Ehe ausdrücklich nur noch für katholische Mitarbeiter gilt und auch hier kumulativ die Interessen der Kirche und der Dienstgemeinschaft bzw. des beruflichen Wirkkreises betroffen sein müssen. Ob der ungültige Eheschluss ein „öffentliches Ärgernis“ i.S.v. Art. 5 Abs. 5 S. 2 GrOkathK a.F. erregt, ist dagegen nunmehr unerheblich. Die Gefährdungseignung des Loyalitätsverstoßes wird bei pastoral oder katechetisch tätigen Mitarbeitern und solchen, die aufgrund einer Missio canonica oder einer sonstigen schriftlich erteilten bischöflichen Beauftragung beschäftigt werden, unwiderlegbar vermutet. Leitende Angestellte oder Personen im erzieherischen Dienst werden vom Wortlaut der Vorschrift nicht mehr erfasst.

      (bb) Reformierung der Rechtsfolgen schwerer Loyalitätsobliegenheitsverstöße

      Vor jeder Kündigung aufgrund von Verstößen gegen die Loyalitätsanforderungen der katholischen Kirche ist nach der Reform vom 27. April 2015 im Grundsatz eine Interessenabwägung vorzunehmen (Art. 5 Abs. 3 S. 1 GrOkathK n.F.). Dem Selbstverständnis der Kirche ist bei der Abwägung der Einzelfallumstände „ein besonderes Gewicht“ beizumessen. Die Interessen der Kirche überwiegen die Interessen des betroffenen Mitarbeiters jedoch nicht „prinzipiell“ (Art. 5 Abs. 3 S. 2 GrOkathK n.F.). Die Umstände, die in der Interessenabwägung gem. Art. 5 Abs. 3 S. 3 GrOkathK n.F. zu berücksichtigen sind, unterscheiden sich von denen des Art. 5 Abs. 3 GrOkathK a.F. Nunmehr orientiert sich die Abwägung an Gesichtspunkten, die eine gewisse Ähnlichkeit zur Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung (§ 1 Abs. 3 S. 1 KSchG) aufweisen. Neben dem Bewusstsein des Arbeitnehmers für die begangene Loyalitätsverletzung sind das Interesse an der Wahrung des Arbeitsplatzes, das Alter, die Beschäftigungsdauer und die Aussichten auf eine neue Beschäftigung zu berücksichtigen.

      Im Hinblick auf Mitarbeiter im pastoralen oder katechetischen Dienst sowie Mitarbeiter, die für eine Missio canonica oder aufgrund eines schriftlich erteilten, bischöflichen Auftrags tätig sind, schließt ein Verstoß nach Art. 5 Abs. 2 GrOkathK n.F. zwar grundsätzlich eine Weiterbeschäftigung aus (Art. 5 Abs. 3 S. 4 GrOkathK n.F.), allerdings erfolgt eine Prüfung auf eine Ausnahmeregelung in besonderen Härtefällen (Art. 5 Abs. 3 S. 5 GrOkathK n.F). „Gleiches gilt“ für den Fall des Austritts aus der katholischen Kirche (Art. 5 Abs. 3 S. 6 GrOkathK n.F.). An Mitarbeiter in leitender Funktion wird nach der Reformierung, anders als im Art. 5 Abs. 3 GrOkathK a.F., kein vergleichbar strenger Maßstab mehr angelegt.

      (cc) Reformierung des Kündigungsverfahrens

      Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung soll gem. Art. 5 Abs. 4 S. 3 GrOkathK n.F. vor jeder beabsichtigten Kündigung wegen Verstößen nach Art. 5 Abs. 2 GrOkathK die Stellungnahme eines seitens der Diözesen beauftragten, im kirchlichen und weltlichen Arbeitsrecht erprobten Volljuristen eingeholt werden, der selbst der katholischen Kirche angehört (Art. 5 Abs. 4 S. 2 GrOkathK). Gem. Art. 5 Abs. 4 S. 4 GrOkathK ist die Einholung der Stellungnahme allerdings ausdrücklich keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung. Eine Rechtsfolge für den Fall des Unterlassens der Einholung einer Stellungnahme dieser „zentralen Stelle“ benennt die Grundordnung nicht. Art. 5 Abs. 5 GrOkathK n.F. sieht schließlich die turnusmäßige Prüfung der Loyalitätsanforderungen hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit durch den Verband der Diözesen Deutschlands vor.

      b) Evangelische Kirche

      aa) Grundlagen des kirchlichen Dienstes

      Der kirchliche Dienst in der evangelischen Kirche ist gem. § 2 Abs. 1 EKD-RL auf die Bezeugung