Jörg-Martin Schultze

Compliance-Handbuch Kartellrecht


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zugelassenen Händlern im System zu tätigen, auch wenn diese in anderen Ländern angesiedelt sind. Ein Weiterverkaufsverbot innerhalb des selektiven Vertriebssystems ist damit auf den Verkauf an nicht zugelassene Händler beschränkt.215

      Angesichts von Bußgeldern nationaler Behörden außerhalb der EU, wie insbesondere der Schweiz,222 ist zudem genau zu prüfen, inwieweit Exportverbote in Nicht-EWR-Länder gegen dortiges nationales Kartellrecht verstoßen und danach ebenfalls bußgeldpflichtig sein können. Ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht ist bei Exportverboten außerhalb des EWR nur dann anzunehmen, wenn diese Exportbeschränkungen Reimporte in den EWR verhindern.

       1.4 Beschränkungen des Internetvertriebs

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      Die unzulässige Beschränkung des Internetvertriebs stellt eine weitere praxisrelevante Kernbeschränkung in einer vertikalen Vereinbarung dar, die von den Behörden, allen voran dem Bundeskartellamt, scharf sanktioniert wird. Unter kommerziellem Blickwinkel steht die (unzulässige) Beschränkung des Internetvertriebs der (unzulässigen) Preisbindung nahe, da beide Verbote aus kaufmännischer Sicht insbesondere vereinbart werden, um eine gewisse Marken- oder Preispflege zu betreiben und einer unerwünschten Verramschung insbesondere von Markenartikeln entgegenzuwirken.

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       1.5 Nicht freigestellte Beschränkungen

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      Im Hinblick auf ihre wettbewerbswidrige Wirkung werden Wettbewerbsverbote als „nicht freigestellte Beschränkungen“ gemäß Art. 5 Vertikal-GVO als weniger schwerwiegend als Kernbeschränkungen angesehen. Enthält eine vertikale Vereinbarung eine solche nicht freigestellte Klausel, ist dies in der Regel nicht bußgeldrelevant, sondern führt „nur“ zur Unwirksamkeit der betroffenen Klausel. Das Schicksal der restlichen Vereinbarung bestimmt sich nach nationalem Recht, in Deutschland also nach § 139 BGB. Im Unternehmensalltag besonders relevant ist insbesondere die Frage nach der Zulässigkeit von Wettbewerbsverboten und Bezugsverpflichtungen im Vertriebskontext.

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      Nach Art. 5 lit. a der Vertikal-GVO sind vertragliche Wettbewerbsverbote, die einem Händler auferlegt werden, nur dann automatisch vom Kartellverbot ausgenommen, wenn sie für eine Laufzeit von höchstens fünf Jahren vereinbart werden. Wettbewerbsverbote in Verträgen mit unbestimmter Laufzeit oder mit Regelungen zur automatischen Verlängerung gelten als unbefristete Wettbewerbsverbote und sind damit nicht von der Vertikal-GVO freigestellt.227

      Wettbewerbsverbote des Lieferanten in Form von Alleinbelieferungsverpflichtungen unterliegen der zeitlichen Befristung des Art. 5 Vertikal-GVO dagegen nicht. Sofern die Marktanteilsschwellen der Vertikal-GVO nicht überschritten sind, können diese also auch länger vereinbart werden.

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       2. Informationsaustausch im Vertikal-Verhältnis

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