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Strafrecht Besonderer Teil


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in der gleichen Schärfe wie für den BGH, da die Anwendung des § 28 Abs. 2 StGB auch bei Verwirklichung unterschiedlicher täterbezogener Mordmerkmale unmittelbar dazu führt, dass der Täter aus § 211 StGB und der Teilnehmer aus §§ 211, 26 bzw. §§ 211, 27 StGB zu bestrafen ist.

      90(3) Fallbeispiele: Die Auswirkungen der Auseinandersetzung um das systematische Verhältnis zwischen Mord und Totschlag soll abschließend anhand einer Reihe von Beispielsfällen verdeutlicht werden. Soweit in universitären Prüfungsarbeiten die Strafbarkeit der Beteiligten in einer derjenigen Fallkonstellationen zu beurteilen ist, in denen Literatur und Rechtsprechung zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist eine Entscheidung für eine der beiden Positionen erforderlich, wobei unter Anführung der in Rn. 13f. skizzierten Argumente der Literaturansicht gefolgt werden sollte.

      91(a) Fallgruppe: Verwirklichung tatbezogener Mordmerkmale: A überredet B zur Tötung des C. Zum Zweck der Tatausführung lockt B den C unter einem Vorwand an einen abgelegenen Ort und erschießt diesen dort hinterrücks. Weder A noch B verwirklichen die Voraussetzungen eines Mordmerkmals der 1. oder 3. Gruppe.

      92Lösung: B hat C heimtückisch getötet und ist daher strafbar nach § 211 StGB. Ob A wegen Anstiftung zum Mord oder (lediglich) wegen Anstiftung zum Totschlag zu bestrafen ist, hängt allein davon ab, ob er auch hinsichtlich der die Heimtücke begründenden Umstände vorsätzlich handelte. Literatur und Rechtsprechung gelangen insoweit zum identischen Ergebnis, da § 28 StGB auf das Heimtückemerkmal keine Anwendung findet.

      93(b) Fallgruppe: Nur der Täter verwirklicht ein täterbezogenes Mordmerkmal: A überredet seinen Arbeitskollegen B, den gemeinsamen Vorgesetzten C zu töten und verspricht ihm hierfür die Zahlung von 10.000 €. Nachdem B den C offen mit seiner Tötungsabsicht konfrontiert hat, erschießt er ihn, wobei es ihm allein um die Erlangung der 10.000 € geht. Demgegenüber wollte A durch die Tat erreichen, dass die über mehrere Jahre andauernden massiven Beleidigungen, die er am Arbeitsplatz durch C erleiden muss, ein Ende haben.

      94Lösung: B hat zwar kein tatbezogenes Mordmerkmal erfüllt, handelte aber aus Habgier und ist damit strafbar nach § 211 StGB. Da es sich hierbei um ein täterbezogenes Mordmerkmal handelt, ist die Strafbarkeit des Anstifters A unter Berücksichtigung von § 28 StGB zu ermitteln. A selbst handelte weder aus Habgier, noch erfüllt er die Voraussetzungen eines anderen täterbezogenen |44|Mordmerkmals. Die Rechtsprechung gelangt gleichwohl zu einer Strafbarkeit aus §§ 211, 26 StGB, nimmt aber wegen § 28 Abs. 1 StGB eine Strafmilderung vor. Die Literatur wendet demgegenüber § 28 Abs. 2 StGB an und gelangt über eine Tatbestandsverschiebung zu einer Strafbarkeit des A nach §§ 212, 26 StGB.

      95(c) Fallgruppe: Nur der Teilnehmer verwirklicht ein täterbezogenes Mordmerkmal: A überredet seinen Bruder B zur Tötung des gemeinsamen Vaters C, wobei es A darum geht, durch die Tat frühzeitig an seine Erbschaft zu gelangen. Nachdem B den C offen mit seiner Tötungsabsicht konfrontiert hat, erschießt er ihn. Seine Tatmotivation fußt hierbei allein darauf, dass er C wegen dessen herrischen Auftretens für den Tod seiner Mutter und das Scheitern seiner Ehe verantwortlich macht.

      96Lösung: B hat weder ein tat- noch ein täterbezogenes Mordmerkmal erfüllt und ist daher (lediglich) strafbar nach § 212 Abs. 1 StGB. Da A das täterbezogene Mordmerkmal der Habgier erfüllt hat, gelangt die Literatur über die nach § 28 Abs. 2 StGB vorzunehmende Tatbestandsverschiebung zu einer Strafbarkeit des A nach §§ 211, 26 StGB. Da § 28 Abs. 1 StGB die Konstellation, dass nur beim Teilnehmer ein strafbarkeitsbegründendes Merkmal vorliegt, denknotwendig nicht erfasst, kann die Rechtsprechung den A unter Einhaltung des Akzessorietätsgrundsatzes nur wegen Anstiftung zum Totschlag (§§ 212, 26 StGB) bestrafen. Dass ein Tatbeteiligter ein Mordmerkmal erfüllt hat, bleibt nach dem systematischen Verständnis des BGH somit gänzlich unberücksichtigt.

      97(d) Fallgruppe: Täter und Teilnehmer verwirklichen ein unterschiedliches täterbezogenes Mordmerkmal: A überredet B, den C zu töten und verspricht ihm hierfür die Zahlung von 10.000 €. Nachdem B den C offen mit seiner Tötungsabsicht konfrontiert hat, erschießt er ihn, wobei es ihm allein um die Erlangung der 10.000 € geht. Demgegenüber wollte A durch die Tat verhindern, dass C ihn wegen eines wenige Tage zuvor begangenen Diebstahls, von dem keine andere Person Kenntnis erlangt hat, anzeigt.

      98Lösung: B hat zwar kein tatbezogenes Mordmerkmal erfüllt, handelte aber aus Habgier und ist damit strafbar nach § 211 StGB. Da es sich hierbei um ein täterbezogenes Mordmerkmal handelt, ist die Strafbarkeit des Anstifters A unter Berücksichtigung von § 28 StGB zu ermitteln. Die Literatur gelangt durch eine »doppelte Tatbestandsverschiebung« zu einer Strafbarkeit nach §§ 211, 26 StGB: Da A selbst nicht aus Habgier handelte, findet insoweit § 28 Abs. 2 StGB Anwendung und ist von § 212 StGB als Haupttat auszugehen. Allerdings erfüllte A selbst die Voraussetzungen der Verdeckungsabsicht, so dass § 28 Abs. 2 StGB erneut zur Anwendung gelangt und A im Ergebnis doch wegen Anstiftung zum Mord zu bestrafen ist. Demgegenüber müsste der BGH den A bei wortlautgetreuer Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB zwar ebenfalls nach §§ 211, 26 StGB bestrafen, jedoch wäre dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern, da dasjenige Mordmerkmal, welches die Strafbarkeit begründet (d.h. die Habgier) bei ihm selbst nicht vorliegt. Da eine Strafmilderung im Hinblick auf die Verwirklichung eines täterbezogenen Mordmerkmals durch den A nicht |45|sachgerecht erscheint, verneint der BGH jedoch die Anwendung des § 28 StGB und somit auch die in dessen Abs. 1 vorgesehene Strafmilderung unter dem Gesichtspunkt der »gekreuzten Mordmerkmale«.

      99(e) Ergänzende Hinweise: Die vorstehend skizzierten Fallgruppen verdeutlichen, dass das in der Literatur vorherrschende systematische Verständnis vom Verhältnis der §§ 211, 212 StGB dem Ansatz des BGH nicht nur aus dogmatischen Gesichtspunkten vorzuziehen ist, sondern auch in der praktischen Anwendung zu den überzeugenderen Ergebnissen gelangt. Besonders anschaulich wird dies in Fallgruppe (3), in der die Verwirklichung eines täterbezogenen Mordmerkmals durch den Teilnehmer nach der Lösung des BGH keinerlei Auswirkung auf seine Strafbarkeit hat, sowie in Fallgruppe (4), in der § 28 Abs. 1 StGB nicht zur Anwendung gelangen soll, obgleich dessen Voraussetzungen nach dem dogmatischen Ansatz des BGH erfüllt sind und es sich um eine Vorschrift handelt, die zugunsten des Teilnehmers wirkt. Sollte es im Rahmen einer Fallbearbeitung darauf ankommen, den Streit zwischen Literatur und Rechtsprechung zu entscheiden, kann daher ergänzend darauf hingewiesen werden, dass die schon aus dogmatischen Gesichtspunkten vorzugswürdige Literaturansicht auch (ohne Umwege) zu sachlich richtigen Ergebnissen gelangt.

      100Die übrigen denkbaren Fallkonstellationen lassen sich durch Übertragung der soeben skizzierten Grundsätze ohne Weiteres lösen. Denkbar sind zunächst Fälle, in denen Fallgruppe (1) mit einer der unter (2–4) geschilderten Fallgruppen kombiniert wird, d.h. der Täter ein tatbezogenes Mordmerkmal (z.B. Heimtücke) erfüllt und zusätzlich entweder auf Seiten des Täters oder des Teilnehmers ein täterbezogenes Mordmerkmal (z.B. Habgier) vorliegt, bzw. sämtliche Tatbeteiligten ein täterbezogenes, aber jeweils unterschiedliches Mordmerkmal aufweisen (z.B. Habgier beim Täter und Verdeckungsabsicht beim Teilnehmer). In dieser Konstellation ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit den zum systematischen Verhältnis der §§ 211, 212 StGB vertretenen Ansätzen dann nicht angezeigt, wenn der Teilnehmer vorsätzlich hinsichtlich des vom Täter verwirklichten tatbezogenen Mordmerkmals handelte, da § 28 StGB auf dieses keine Anwendung findet. Da insoweit ohnehin eine Strafbarkeit wegen Anstiftung bzw. Beihilfe zum Mord begründet ist, sollte die unterschiedliche Behandlung der daneben vorliegenden täterbezogenen Mordmerkmale nach den in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Lösungsansätzen nur noch kurz abgehandelt werden. Handelte der Teilnehmer demgegenüber nicht vorsätzlich hinsichtlich des tatbezogenen Mordmerkmals, folgt die Lösung entsprechend der jeweils einschlägigen Fallgruppe (2), (3) oder (4). Keinerlei Probleme bereiten schließlich diejenigen Fälle, in denen Täter und Teilnehmer das identische täterbezogene Mordmerkmal aufweisen, also beispielsweise beide aus Habgier handeln, da die Rechtsprechung in dieser Konstellation keine Strafmilderung nach § 28 Abs. 1 StGB und die Literatur keine Tatbestandsverschiebung nach § 28 Abs. 2 StGB vornimmt, so dass der Streit mangels Unterschiede im Ergebnis nicht zu entschieden werden braucht.

      |46|4. Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) und Sterbehilfe