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Strafrecht Besonderer Teil


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begründen, in ihrer Bedeutung für die Tat auch auf einen Blick erfaßt werden können.«[129] Nach diesen Maßstäben hielt der BGH das Bewusstsein des Täters hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit in einem Fall für besonderes erörterungsbedürftig, in dem der Täter beim Anblick des schlafenden Tatopfers aufgrund einer verbalen Auseinandersetzung vom vorangegangenen Abend in Wut geriet und einem spontanen Entschluss folgend mehrfach mit einer Glasflasche in dessen Gesicht schlug.[130] Diese Entscheidung darf indes nicht dahingehend fehlinterpretiert werden, dass eine heimtückische Tötung stets eine besondere Planung erfordere. Vielmehr kann auch eine aus einem spontanen Entschluss heraus begangene Tötungshandlung die Voraussetzungen des Mordmerkmales erfüllen, solange der Täter es nur für möglich hält, dass sich das Tatopfer in einem die Arg- und Wehrlosigkeit begründenden Zustand befindet.

      61(d) Feindselige Willensrichtung: Das Erfordernis eines Handelns in feindseliger Willensrichtung wird von Seiten der Rechtsprechung in erster Linie herangezogen, um solche Tötungen vom Anwendungsbereich des § 211 StGB auszunehmen, in denen der Täter davon ausgeht, er handle im Interesse des Tatopfers. Insbesondere soll das Heimtückemerkmal dann »entfallen, wenn der Täter nicht aus einer feindseligen Haltung gegenüber dem Opfer heraus, sondern aus Mitleid gehandelt hat, um einem Todkranken schwerstes Leid |30|zu ersparen.«[131] Der Anwendungsbereich dieses Korrektivs sollte indes nicht überschätzt werden. So sind die Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung insbesondere auch dann zu bejahen, wenn der Täter »nicht aus individuellem Mitleid mit den schwerkranken [Tatopfern handelt, sondern seine] Vorstellungen über Würde und Wert des Lebens eines sterbenden Menschen durchsetzen [möchte].«[132] Zutreffend ging der BGH daher von einem Handeln in feindseliger Willensrichtung in einem Fall aus, in dem eine Krankenschwester nicht aus persönlich empfundenem Mitleid mit den fünf schwerkranken Tatopfern handelte, sondern weil sie deren Leben aufgrund ihres fortgeschrittenen Krankheitszustandes nicht mehr für lebenswert erachtete.[133]

      62(e) Gebot der restriktiven Auslegung: Das Erfordernis der restriktiven Auslegung des Mordtatbestandes begegnet beim Heimtückemerkmal in besonderer Schärfe, da der Gesetzeswortlaut prinzipiell auch einer weiten Interpretation zugänglich wäre, der zufolge § 211 StGB sämtliche Tötungen erfassen würde, in denen das Opfer »nicht mit der Tötung rechnet«. Nach einer verbreiteten Literaturansicht soll der Problematik dadurch begegnet werden, dass der Anwendungsbereich der heimtückischen Tötung von vornherein auf Fälle beschränkt wird, in denen die Tathandlung Ausdruck eines besonderen Vertrauensbruches ist.[134] Hiernach würden vom Tatbestand nur solche Tötungen erfasst werden, in denen die Arglosigkeit des Opfers darauf beruht, dass es sich bei dem Täter um eine Person handelt, der es besonderes Vertrauen entgegenbringt.[135] Heimtücke wäre danach zu bejahen, wenn der Täter seine besondere Vertrauensstellung gegenüber dem Tatopfer ausnutzt, nicht jedoch, wenn das Tatopfer keinen Anlass hat, darauf zu vertrauen, dass er gerade vom Täter keinen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit befürchten muss.

      63In jüngerer Vergangenheit ist die Forderung, den Heimtückemord an das Erfordernis eines besonderen Vertrauensbruchs zu knüpfen, wiederholt im Zusammenhang mit den sog. »Familientyrann-Fällen« aufgegriffen worden. Diese kennzeichnen sich typischerweise dadurch, dass ein Familienmitglied den Familienvater im Schlaf tötet, nachdem es von diesem über mehrere Jahre hinweg körperlich und verbal schwer misshandelt wurde.[136] Da der Familienvater infolge seines tyrannischen Auftretens in der Regel nicht darauf vertraut, dass die übrigen Familienmitglieder sich nicht für die erlittenen Demütigungen |31|rächen, könnte in dieser Konstellation durch die Erweiterung des Prüfungsprogramms um das Merkmal des Vertrauensbruches eine heimtückische Tötung verneint werden.

      64Der BGH hat der Beschränkung des Anwendungsbereichs des Heimtückemordes auf Fälle, die sich durch einen Vertrauensbruch kennzeichnen, schon früh eine Absage erteilt. Zur Begründung verwies er im Ergebnis zutreffend auf die begriffliche Unbestimmtheit des Vertrauensmerkmals sowie die mit dem Gerechtigkeitsgefühl nur schwer zu vereinbarenden rechtlichen Konsequenzen. Denn die »Ansicht, die das Wesen der Heimtücke in einem (besonders) ›verwerflichen Vertrauensbruch‹ findet, muß sich entgegenhalten lassen, daß sie wegen der Vieldeutigkeit des Vertrauensbegriffs […] zu einer unsicheren und ungleichmäßigen Rechtsprechung in der Tatbestandsfrage führt, gerade in Grenzfällen keinen Fortschritt erbringt und – weil zwischen Vertrauensbruch und gesteigertem Unwert der Tat nicht ohne weiteres eine Kongruenz besteht – einerseits den Mordtatbestand unangemessen ausdehnt, andererseits in nicht billigenswerter Weise einschränkt. [So erscheint es] ›unerträglich, den Überfall auf einen Ahnungslosen allein deshalb nicht als heimtückisch anzusehen, weil Täter und Opfer bis dahin in keiner persönlichen Beziehung zueinander gestanden haben‹.«[137] Konsequenz dieser Rechtsprechung ist insbesondere, dass der klassische »Meuchelmord« unabhängig davon als Heimtückemord zu bestrafen ist, ob Täter und Opfer in einer besonderen Vertrauensbeziehung standen oder nicht. In den Familientyrann-Fällen tendiert der BGH demgegenüber zur Annahme eines Entschuldigungstatbestandsirrtums und damit zur Anwendung von § 35 Abs. 2 StGB.[138] Damit bleibt festzuhalten, dass der in der absoluten Strafdrohung des § 211 StGB begründeten verfassungsrechtlichen Problematik durch eine besonders zurückhaltende Interpretation des Heimtückebegriffs, nicht jedoch durch die Erweiterung des Prüfungsprogramms um das Merkmal des »besonderen Vertrauensbruchs« zu begegnen ist.

      65(2) Grausam: Die gesteigerte Verwerflichkeit grausamer Tötungen ergibt sich daraus, dass der Täter dem Opfer besonders intensive Schmerzen zufügt. Nach Einschätzung des BGH tötet derjenige grausam, der »dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung, Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen.«[139] Neben einer objektiv besonders gravierenden Tatbegehung ist hiernach eine spezifische innere Haltung des Täters erforderlich.[140]

      66|32|In objektiver Hinsicht kennzeichnet sich die grausame Tötung dadurch, dass der Täter dem Opfer gerade durch die Tatausführung besonders intensive körperliche oder seelische Schmerzen beibringt, die über die mit einer Tötung für gewöhnlich einhergehenden Beeinträchtigungen deutlich hinausreichen.[141] Ob die zugefügten Schmerzen die erforderliche Intensität aufweisen, richtet sich primär nach der Empfindungsfähigkeit des jeweiligen Opfers und nicht nach dem objektiven Erscheinungsbild der Tat.[142] Anlass für die Prüfung einer grausamen Tatbegehung besteht insbesondere dann, wenn der Täter den Tod des Opfers durch eine besonders langwierige und mit erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen verbundene Art und Weise verursacht, oder wenn der eigentlichen Tötungshandlung schwerwiegende Folterungen oder seelische Beeinträchtigungen vorausgehen. Eine Tatbegehung durch Unterlassen ist möglich und begegnet in der Praxis vorwiegend in Form des Verhungern-Lassens.[143]

      67In subjektiver Hinsicht muss der Täter zunächst mit Tatbestandsvorsatz handeln, der sich insbesondere auch auf die vom Tatopfer subjektiv empfundenen Leiden erstrecken muss.[144] Darüber hinaus muss der Täter aus gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung handeln, die »sich schon aus einem vom Vorsatz getragenen, objektiv grausamen Verhalten ergeben [kann]. Dies gilt aber nicht in jedem Fall. Auffällige Eigenarten der Persönlichkeit des Täters und seine besondere seelische Situation z. der Tat sowie sein sonstiges Verhalten gegenüber dem Opfer können es erforderlich machen, die innere Tatseite unter Berücksichtigung dieser Umstände besonders sorgfältig zu erörtern.«[145] Nach diesen Vorgaben stellt bereits die objektiv grausame Tötung ein maßgebliches Indiz für die gefühllose Gesinnung des Täters dar. Diese kann aber bei Vorliegen besonderer Umstände fehlen, beispielsweise im Falle einer Affekttat oder bei Vorliegen eines schwerwiegenden Rauschzustandes.[146]

      68(3) Gemeingefährliche Mittel: Die Aufnahme der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln in § 211 StGB beruht darauf, dass mit dieser eine vom Täter nicht sicher beherrschbare Gefährdung einer Vielzahl von Personen einhergeht. Gemeingefährlich sind solche Tatmittel, »die in ihrer Wirkung im allgemeinen nicht mehr beherrschbar und daher geeignet [sind], eine größere Zahl von Menschen an Leib oder Leben zu gefährden, also eine allgemeine Gefahr entstehen zu lassen […]. Ist diese allgemeine Eignung gegeben, kommt es auf den Umfang des konkreten Gefährdungsbereichs