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Strafrecht Besonderer Teil


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zugrundeliegenden Faktoren ankommt, worunter insbesondere die Umstände der Tat, die persönlichen Lebensverhältnisse des Täters sowie das Missverhältnis zwischen Tatanlass und -zweck fallen.[96] Im Übrigen ist wegen der generalklauselartigen Ausgestaltung dieses Merkmales dem Gebot der restriktiven Interpretation des Mordtatbestandes besondere Aufmerksamkeit entgegen zu bringen und ein sonstiger niedriger Beweggrund tendenziell nur in eindeutigen Fallkonstellationen anzunehmen.[97] Hierbei bietet es sich an, die Prüfung anhand der nachfolgend skizzierten Fallgruppen vorzunehmen, die von Seiten der Literatur auf Grundlage der zu § 211 StGB ergangenen Kasuistik entwickelt wurden.

      46Unter das Mordmerkmal des sonstigen niedrigen Beweggrundes sind zunächst Fälle zu subsumieren, in denen die Tat nicht mehr als verständliche Reaktion auf die Situation, insb. auf das Verhalten des Tatopfers erscheint.[98] So ist im Hinblick auf das einer Tötung häufig zugrunde liegende Motiv der Eifersucht vom Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes dann auszugehen, wenn der Täter das Opfer tötet, weil er es nur »für sich« haben möchte, nicht jedoch, wenn er aus Verzweiflung handelt, die auf eine kurz zuvor erfolgte Trennung zurückzuführen ist.[99] Weitere Motive, die in der Regel als besonders verwerflich anzusehen sind, stellen Ausländerfeindlichkeit und Rassenhass sowie nicht nachvollziehbarer Neid oder Wut auf einen anderen dar.[100] Schwierigkeiten können in diesem Zusammenhang bei der Bewertung von Motiven begegnen, die auf Wertvorstellungen zurückzuführen sind, denen der Täter wegen einer Bindung an eine fremde Kultur verhaftet ist. Diskutiert wird die Problematik insbesondere in Fällen, in denen der Täter sich aus kulturell bedingten Gründen zur Blutrache oder zur Tötung eines Familienmitgliedes verpflichtet hält, das sich (vermeintlich) entgegen der Wertvorstellungen des eigenen Kulturkreises verhalten hat. Die in Literatur und Rechtsprechung mittlerweile vorherrschende Auffassung geht davon aus, dass die kulturelle Herkunft des Täters bei der anzustellenden Gesamtabwägung grundsätzlich außer Betracht zu bleiben hat. Vielmehr sei der »Maßstab für die Bewertung der Beweggründe […] den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der BR Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt«[101]. Ausnahmsweise soll in dieser Konstellation jedoch der subjektive Tatbestand des § 211 StGB zu verneinen sein, wenn der Täter so sehr in seinem Kulturkreis verhaftet ist, dass er »außer Stande [ist], die Bewertung seiner Handlungsantriebe |23|durch die deutsche Rechtsordnung als niedrig nachzuvollziehen«[102]. Von der Gegenauffassung wird demgegenüber die generelle Ausblendung des kulturellen Hintergrundes des Täters abgelehnt und darauf hingewiesen, dass nicht einzusehen sei, warum ausgerechnet diesem keinerlei Bedeutung für die anzustellende Gesamtabwägung zukommen soll.[103]

      47Weiterhin ist eine Tötung aus einem sonstigen niedrigen Beweggrund auch dann anzunehmen, wenn der Täter aus krasser Eigensucht oder hemmungslosem Egoismus die Tötung eines anderen zur Erreichung seiner Ziele instrumentalisiert.[104] Dies nahm der BGH in einem Fall an, in dem der Täter durch die Tötung »bewusst seine frustrationsbedingten Aggressionen an einem unbeteiligten Opfer abreagiert«[105] hatte. Im Übrigen erfolgt eine Tötung auch dann aus krasser Eigensucht, wenn der Täter durch sie ein zwar nicht strafbares, aber von ihm als ehrenrührig eingestuftes Verhalten verdecken will, oder wenn es sich bei dem Tatopfer um den Ehepartner einer Person handelt, zu der der Täter selbst eine Liebesbeziehung unterhalten möchte.[106]

      48(5) Leitentscheidungen:BGHSt 29, 317, 318f.; Habgier: Ein Drogenkonsument begibt sich zu einem Bekannten, um von diesem Heroin zu erwerben. Der Bekannte fordert den Konsumenten auf, 100 € für 1g Heroin zu zahlen. Da der Drogenkonsument nicht über das Geld verfügt, das Heroin aber unter allen Umständen konsumieren möchte, sticht er mehrfach auf den Bekannten ein, um diesen zu töten und in den Besitz des Heroins zu gelangen. – Der Drogenkonsument hat das Mordmerkmal der Habgier verwirklicht. Unter Habgier ist ein Streben nach materiellen Gütern oder Vorteilen zu verstehen, das in seiner Hemmungs- und Rücksichtslosigkeit das erträgliche Maß weit übersteigt. Ein Streben nach einem beträchtlichen Gewinn ist nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, wenn der Täter von dem Verlangen getrieben ist, um jeden Preis und ohne jede Rücksicht irgend einen dem Opfer zustehenden Vermögensgegenstand zu erwerben. Der Annahme von Habgier steht daher nicht entgegen, dass es dem Drogenkonsumenten darum ging, Heroin mit einem Gegenwert von lediglich 100 € zu erlangen. Ferner ist es für die Tatbestandsverwirklichung ohne Belang, dass er das Heroin alsbald verbrauchen wollte, da die Verwertung des Heroins dessen vorhergehenden Erwerb voraussetzt. Der hiermit einhergehende zwischenzeitliche Besitz ist hinreichender Anknüpfungspunkt für das die Habgier begründende Gewinnstreben.

      49BGH NStZ 2007, 522, 523; Mordlust: Angeregt durch Filme mit sadistischen Tötungsszenen gibt sich ein Jugendlicher über einen Zeitraum von |24|3 Jahren Tötungsphantasien hin, in denen er zunehmend die Täterrolle einnimmt. Als er an einem Vormittag unweit seines Wohnortes auf einen Bekannten trifft, beschließt er, seine Tötungsphantasien umzusetzen. Hierfür lockt der Jugendliche den ahnungslosen Bekannten in ein mit Bäumen bewachsenes Gelände und würgt diesen dort solange, bis der Bekannte bewusstlos zu Boden fällt. Hierbei verspürt der Jugendliche ein starkes Machtgefühl. Als er bemerkt, dass der Bekannte noch atmet, versetzt der Jugendliche ihm zahlreiche Tritte in den Kopfbereich, wobei er eine große Befriedigung darüber verspürt, einen Menschen zu töten. Der Bekannte verstirbt infolge der Verletzungen. – Der Jugendliche hat neben dem Mordmerkmal der Heimtücke auch dasjenige der Mordlust erfüllt. Ein Handeln aus Mordlust ist dann anzunehmen, wenn der einzige Zweck der Tathandlung die Tötung als solche ist. Dies ist hier der Fall, da der Jugendliche allein aus Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens handelte und weder in der Person des Opfers oder in der besonderen Tatsituation ein anderer Anlass für die Tatbegehung vorlag, noch mit der Tötung ein darüber hinausgehender Zweck verbunden war.

      50BGH NStZ 2011, 35; Niedriger Beweggrund: Die Verlobte des Täters sucht seit längerer Zeit Kontakt zu anderen Männern und trennt sich in der Folge zweimal kurzzeitig wegen neuer Bekanntschaften. Während des Besuchs einer Diskothek, für dessen Kosten der Täter aufkommt, flirtet die Verlobte erneut mit einem Bekannten und verursacht durch den Konsum zahlreicher Getränke eine Rechnung, die nahezu 2/5 des monatlichen Einkommens des Täters beträgt. Nach Verlassen der Diskothek bricht die Verlobte infolge einer Kreislaufschwäche auf dem Parkplatz zusammen, wo sie von dem Bekannten versorgt wird. Hierauf fährt der Täter seine Verlobte und den Bekannten aus Eifersucht, aber vorrangig aus Angst, verlassen zu werden, mit seinem PKW an und nimmt hierbei schwere, auch tödliche Verletzungen in Kauf. Sowohl die Verlobte als auch der Bekannte überleben. – Hinsichtlich der versuchten Tötung der Verlobten sind die Voraussetzungen eines niedrigen Beweggrundes nicht erfüllt. Gefühlsregungen wie Eifersucht, Rache und Wut stellen nur dann einen niedrigen Beweggrund dar, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn die Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren. Die Eifersucht des Täters kann jedoch nicht als »krankhaft übersteigert« angesehen werden, da die Verlobte diesem durch die wiederholte und teilweise in seiner Gegenwart erfolgende Kontaktaufnahme zu anderen Männern Anlass zu dieser gegeben hat. Darüber hinaus wurde die Eifersucht des Täters in der konkreten Tatsituation maßgeblich dadurch hervorgerufen, dass seine Verlobte in der Diskothek einen Großteil seines Monatsgehalts konsumierte und zeitgleich mit einem anderen Mann flirtete.

      |25|bb) Mordmerkmale der 2. Gruppe

      51Die tatbezogenen objektiven Mordmerkmale der 2. Gruppe setzen nicht voraus, dass der Täter aus einer besonders verwerflichen Motivation heraus handelt.[107] Steht fest, dass der Täter die objektiven Unrechtsmerkmale eines Mordmerkmales der 2. Gruppe erfüllt hat, braucht daher im subjektiven Tatbestand nur noch geprüft werden, ob er insoweit auch (zumindest bedingt) vorsätzlich gehandelt hat.

      52Abb. 3: Mordmerkmale der 2. Gruppe

      53(1) Heimtücke: Die Erstreckung des Mordtatbestandes auf heimtückische Tötungen liegt darin begründet, dass der Täter dem Opfer nicht offen feindselig gegenüber tritt und ihm dadurch eine Verteidigung