Florian Keßenich

Rechtswissenschaftliches Arbeiten


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      c) Das Fortgeschrittenenthema: Die Behandlung eines ganzen Sach- oder Rechtskomplexes

      Schließlich kann auch ein Rechtskomplex Gegenstand einer Themenarbeit sein. Diese Art der Themenstellung wird allerdings in der Regel nur für Arbeiten jenseits des Grundstudiums in Betracht kommen. Die Anforderungen an die Bearbeitung sind hier meist erheblich.

      Bei dieser Art von Themenarbeit läuft die Bearbeitung darauf hinaus, ein bestimmtes Rechtsgebiet zunächst allgemein zu beleuchten. Das erfordert, dem Leser die Grundlagen des Sach- oder Rechtskomplexes zu vermitteln, indem dessen Prinzipien, Eigenarten und Probleme erläutert werden. An diesen allgemeinen Teil anschließend ist dann auf die konkreten, speziellen Fragestellungen einzugehen.[24] Dabei sollte stets versucht werden, aus den einzelnen Feststellungen und Problempunkten eine übergeordnete Aussage abzuleiten:[25]

      |12|Die eben unter a) exemplarisch angeführten dogmatischen Sachfragen entspringen jeweils einem Rechtskomplex, der es durchaus wert sein kann, auch allgemein beleuchtet zu werden. Themen wären in diesem Falle „die Entschädigungspauschale“ bzw. „der Mindestlohnanspruch“. Es versteht sich von selbst, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Sach- und Rechtskomplexes als jeweils untergeordnete Fragestellungen auch auf die Abdingbarkeit (der Entschädigungspauschale) oder die Anrechenbarkeit (des Mindestlohn) einzugehen wäre.

      4. Vorgehensweise und Fertigstellung

      Der Einstieg in die Themenbearbeitung besteht nicht selten im klassischen Brainstorming. Es empfiehlt sich, schlicht und ergreifend alles zu notieren, was einem einfällt. Gegebenenfalls werden Zusammenhangsskizzen mit Stichworten erstellt. Dabei muss (und darf) man sich nicht auf juristische Fragen beschränken, sondern vielmehr auch alle anderen Gesichtspunkte berücksichtigen, die das Thema berühren. Dies können etwa wirtschaftliche, soziale, politische oder historische Aspekte oder anderer Wissenschaftsdisziplinen wie der Medizin, der Technik- oder der Naturwissenschaften sein.[26] Gerade in Themenarbeiten darf – und sollte bei gegebenem Anlass auch – der berühmte „Blick über den Tellerrand“ gewagt werden. Besonders modern und empfehlenswert ist es z.B. das interdisziplinäre Instrumentarium der ökonomischen Analyse des Rechts zu bemühen.[27] Aus der ökonomischen Durchdringung juristischer Themen ergeben sich häufig wichtige Erkenntnisse, die z.B. Anlass bieten, eine Rechtsänderung – entweder durch Auslegung des geltenden Rechts oder durch Änderung (de lege ferenda) – vorzuschlagen.

      Zudem hat der Betreuer häufig in einem ersten Gespräch Tipps und erste Literatur- oder Rechtsprechungshinweise gegeben. Diese helfen beim Einstieg und dürfen keinesfalls ignoriert werden. Auf Basis dieser Anhaltspunkte geht es im nächsten Schritt in die Recherche (siehe hierzu ausführlich unten § 3). Hierzu sind die einschlägige Literatur und Rechtsprechung zusammenzutragen.[28] Der gesammelte Stoff ist systematisch zu ordnen und zu gewichten. Welche Autoren, Gerichte oder Werke werden besonders häufig zitiert, welche vertreten wichtige Ansichten und Argumente? Hierzu ist eine erste Lektüre aller relevanten Quellen nötig. Bereits hierbei kann und sollte man sich umfangreiche Notizen machen, Passagen markieren und nicht zuletzt auch die bibliographischen Daten der jeweiligen Werke sowie die exakten Fundstellen notieren. Nichts ist ärgerlicher (weil zeitintensiv) als nachträglich erneut diejenigen Werke aus den Regalen der Bibliothek suchen zu müssen, die bereits schon einmal auf dem Tisch lagen.

      |13|Auf der Grundlage der durch die Lektüre gewonnenen Erkenntnisse, Ordnung und Gewichtung können schließlich eine erste grobe Gliederung sowie gegebenenfalls auch ein Arbeits- und Zeitplan erstellt werden.

      Idealerweise entwickelt sich die Arbeit von diesem Punkt an kontinuierlich weiter. Neben der schrittweisen und vor allem lückenlosen „Abarbeitung“ der relevanten Literatur und Rechtsprechung ist vor allem auf die Struktur der Arbeit zu achten. Wenngleich sich viele Probleme und Facetten erst im Zuge der konkreten Diskussion von Einzelfragen zeigen werden, darf das Gesamtbild – vor allem die Forschungsfrage – nicht aus den Augen verloren werden. Der Bearbeiter ist darum ständig gefordert, den „Blick für das Wesentliche“ zu wahren. Dies kann (und sollte) vor allem auch im Austausch mit dem Betreuer der Arbeit (gegebenenfalls durch Rückfragen und Besprechungen) sichergestellt werden. Die notwendige Fokussierung auf die Forschungsfrage verlangt aber gerade vom Bearbeiter selbst die Bereitschaft und die Fähigkeit, den Blick auf das Große und Ganze nicht zu verlieren. Sehr häufig wird sich in bestimmten Phasen der Bearbeitung darum – vor allem gegen Ende der Arbeit – die Notwendigkeit ergeben, einzelne Bereiche eines Themas nicht weiter zu verfolgen. Dann kann es auch erforderlich werden, wenngleich viel Zeit und Arbeit in eine bestimmte Teilfrage geflossen sein mögen, resolut zu kürzen. Insoweit gilt für Hausarbeiten wie für Themenarbeiten gleichermaßen, dass der Blick auf die Bäume nicht die Sicht auf den Wald verdecken darf.

      Sobald die inhaltliche Bearbeitung abgeschlossen ist, sind die formellen Voraussetzungen für eine vollständige und ordnungsgemäße Themenarbeit zu schaffen. Dies gilt in erster Linie für die korrekte Gestaltung der Fußnoten und des Literaturverzeichnisses sowie der sonstigen Bestandteile der Arbeit (siehe hierzu unten §§ 4 und 5). Zur abschließenden Kontrolle von Sprache, Rechtschreibung und des Ausdrucks, vor allem aber auch im Hinblick auf die Verständlichkeit und Schlüssigkeit der Gedankenführung kann es sich aber auch als sinnvoll erweisen, eine Korrekturlesung durch neutrale Dritte zu veranlassen. Diese Korrektur darf die Grenzen der zulässigen Hilfeleistung selbstverständlich nicht überschreiten. Die Themenarbeit muss nach den meisten Prüfungsordnungen als „eigenständige“ Arbeit gelten. Eine schlichte Kontrolle auf Verständlichkeit und Richtigkeit der Sprache, der Rechtschreibung und der Formalitäten stellt dies jedoch nicht in Frage.

      Bei alledem ist ein gutes Zeitmanagement essentiell für das Gelingen der Arbeit. Gerade gegen Ende der Bearbeitungsfrist geraten viele Studierende in Zeitnot. Hier darf auf keinen Fall unterschätzt werden, wie zeitintensiv formale und organisatorische Notwendigkeiten sein können. Hierzu zählen z.B. die Formatierung, der Druck oder die Bindung. Gerade für die Formatierung sollte man sich je nach Umfang der Arbeit genügend Zeit lassen. Die Formatierung umfasst insbesondere die einheitliche Gestaltung der Fußnoten und die Erstellung des Literatur- und Inhaltsverzeichnisses. Im Idealfall entwickeln sich diese Teile von Anfang an mit der Arbeit. Dies spart nicht nur Zeit, sondern auch Nerven. Nicht zu unterschätzen ist auch der Zeitaufwand, den der Druck und die Bindung mit sich bringen können. Erfahrungsgemäß lässt ein Großteil der Studierenden die Arbeit am Abgabetag drucken und binden. Dies birgt die Gefahr langer Wartezeiten im Copy-Shop. Die beste Vorsorge ist darum das Einplanen eines ausreichenden Zeitpuffers. Generell ist es ratsam, sich eine Frist für |14|die inhaltliche Bearbeitung zu setzen, die jedenfalls eine Woche vor der offiziellen Abgabefrist liegt. Dies bietet zum einen die Möglichkeit, die Arbeit ein letztes Mal in Ruhe zu lesen und dabei möglicherweise noch bestehende Fehler zu beheben, zum anderen kann die Arbeit in Ruhe formatiert und gedruckt werden.

       [Zum Inhalt]

      |15|§ 3 Recherche

      Literatur: Karmasin, Matthias/Ribing, Rainer, Die Gestaltung wissenschaftlicher Arbeiten. Ein Leitfaden für Facharbeit/VWA, Seminararbeiten, Bachelor-, Master-, Magister- und Diplomarbeiten sowie Dissertationen, 9. Auflage, Wien 2017, S. 99ff.; Klaner, Andreas, Wie schreibe ich juristische Hausarbeiten, 3. Auflage, Berlin 2003, S. 90ff.; Konrath, Christoph (Hrsg.), SchreibGuide JuS, 3. Auflage, Wien 2013, S. 40ff., 52ff., 64ff.; Mann, Thomas, Einführung in die juristische Arbeitstechnik. Klausuren, Hausarbeiten, Seminararbeiten, Dissertationen, 5. Auflage, München 2015, § 1 Abschnitt IV sowie §§ 2–4; Möllers, Thomas M.J., Juristische Arbeitstechnik und wissenschaftliches Arbeiten, 8. Auflage, München 2016, § 5; Vogel, Ivo, Erfolgreich recherchieren – Jura, 2. Auflage, Berlin 2015.

      Nach der Sachverhaltserfassung und Analyse der Aufgabenstellung für juristische Falllösungen sowie nach der Formulierung der Forschungsfrage bei Themenarbeiten beginnt die Materialsuche. Der Vorgang der sogenannten Recherche ist selbstredend die Grundlage jeder juristisch-wissenschaftlichen Arbeit. Ohne eine sorgfältige Ermittlung der relevanten Literatur und Rechtsprechung wird keine gute Arbeit gelingen.