Florian Keßenich

Rechtswissenschaftliches Arbeiten


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dabei in der vom Gesetz vorgegebenen Abfolge mit einzelnen Artikeln, Paragraphen oder Abschnitten der jeweiligen Gesetzeswerke oder Regularien.[46] Die innere Struktur der Kommentierung und die Argumentation zu den einzelnen Vorschriften weisen dabei regelmäßig eine systematische und auf die praktische Rechtsanwendung ausgerichtete Struktur auf. So finden sich im Ansatz regelmäßig immer Aussagen zu Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck der jeweils kommentierten Gesetzesnormen und Regelungsbereiche. Die Erläuterung der Tatbestandsmerkmale und der Rechtsfolgen berücksichtigt stets die Rechtsprechung und das zu den jeweiligen Fragen vorhandene Schrifttum. Dies erklärt die besondere Bedeutung der Kommentarwerke für die juristische Praxis.

      aa) Eignung für die Studienarbeit

      Für die Bearbeitung einer juristischen Studienarbeit ist zu unterscheiden. Für den direkten Einstieg in ein Rechtsgebiet eignen sich Kommentarwerke allenfalls in Ausnahmefällen. Nur in Fällen, in denen der gesamte Kommentar – oder der Abschnitt einer Kommentierung – dazu bestimmt ist, neben den notwendigen Detailinformationen auch einen Überblick zu verschaffen, empfiehlt sich der sofortige Blick in ein Kommentarwerk. Das beste Beispiel für eine derartige „Überblickskommentierung“ im Zivilrecht ist:

      Jacoby, Florian/von Hinden, Michael, Studienkommentar BGB, 15. Aufl., München 2015.

      Immer noch hilfreich können auch Vorauflagen sein.

      Kropholler, Jan, Studienkommentar BGB, 10. Aufl., München 2007.

      Ebenso können auch in ausführlichen Kommentarwerken jeweils einzelne Abschnitte dazu geeignet sein, einen Überblick zu verschaffen. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Kommentierung einzelner Vorschriften eines Rechtsgebiets eine Zusammenfassung vorangestellt ist. Diese „Vorkommentierungen“ sind dann in der Regel mit „Vorbemerkung“ oder „Vor §§ 677ff.“ sowie ähnlichen Kennzeichnungen versehen, die deutlich machen, dass für das gesamte Gebiet geltende allgemeine Fragen in der Vorkommentierung quasi „vor die Klammer gezogen“ werden.

      Dornis, in: Westermann u.a., Erman BGB, Bd. 1, 15. Aufl. 2017, Vor §§ 677ff. BGB

      |20|Von diesen genannten Überblickskommentierungen abgesehen befassen sich die meisten Kommentare aber ohne systematisch-einführende Erläuterung auf hohem Niveau und mit zahlreichen Details mit den Einzelfragen und Streitpunkten der jeweils kommentierten Vorschriften.

      Aus diesem Grund eignen sich Kommentierungen regelmäßig nicht zum Einstieg in die Bearbeitung einer Studienarbeit. Kommentarwerke erlangen darum in der Regel erst in einem späteren Stadium der Bearbeitung Bedeutung.

      bb) Kategorisierung

      Bei Kommentarwerken ist nach verschiedenen Kategorien der Aufbereitung zu differenzieren.

      Besondere Bedeutung in der Praxis haben die vertieft-wissenschaftlichen Kommentarwerke (sogenannte Großkommentare), die eine umfassende Aufbereitung der Thematik zum Ziel haben. Daneben existiert eine Vielzahl kürzerer Werke (vereinzelt als „Kurzkommentare“ bezeichnet), in denen nur die wesentlichen Probleme erörtert und weiterführende Fragen allenfalls angesprochen sowie mit weiterführenden Nachweisen versehen werden.[47] In die letztgenannte Kategorie fallen die meisten sogenannten Praktikerkommentare, die darauf angelegt sind, überwiegend von Richtern, Rechtsanwälten und Juristen in der Verwaltung genutzt zu werden. Deren Ausrichtung ist stark an der Rechtsprechung orientiert. Zum Teil ist sogar ausdrücklich von sogenannten Präjudizienkommentaren die Rede.[48]

      Zur ersten Kategorie gehören etwa die jeweils mehrbändigen Werke des Münchener Kommentars zum BGB[49] und des „Staudingers“[50] sowie des „Soergels“[51], wohl auch noch des „Erman“[52].

      Der zweiten Gattung gehören der „Palandt“[53] und der „Jauernig“[54] sowie die neueren Werke des „Bamberger/Roth“[55] und des „Prütting/Wegen/Weinreich“[56] an.

      |21|Daneben gibt es Loseblatt-Werke. Diese unterscheiden sich von gebundenen Werken dadurch, dass die Blätter lose eingeheftet sind. Dadurch wird eine punktuelle Aktualisierung durch regelmäßigen Austausch jeweils einzelner überarbeiteter und aktualisierter Seiten ermöglicht. Eine Neuauflage des gesamten Werkes oder eines gesamten Bandes eines Werkes ist dann nicht erforderlich. Für die Erstellung einer juristischen Studienarbeit hat dies zur Folge, dass die Angaben im Literaturverzeichnis[57] und die Zitierweise[58] an die jeweils geltende „Loseblatt-Lieferung“ angepasst werden müssen. Loseblatt-Kommentare sind im Zivilrecht zwar selten und haben in den letzten Jahren eher abgenommen, in speziellen Bereichen sind sie aber immer noch zu finden, so etwa zum Umwandlungsrecht[59].

      c) Fach- und Praktiker-Handbücher sowie Enzyklopädien

      Handbücher behandeln in umfassender Weise ein bestimmtes Rechtsgebiet. Sie konzentrieren sich im Gegensatz zu Kommentaren in der Regel nicht auf ein bestimmtes Gesetz und orientieren sich auch nicht an dessen Aufbau, sondern sind in mehrere, meist von verschiedenen Autoren bearbeitete thematische Abschnitte des jeweiligen Rechtsgebietes aufgeteilt.[60] Diese Literaturkategorie hat besondere Bedeutung in Rechtsgebieten, die von einer unübersichtlichen Vielzahl von Gesetzesvorschriften und Richtlinien bestimmt werden. Ihr Hauptzweck ist die systematische Aufarbeitung der Zusammenhänge und die Verschaffung eines Überblicks.[61] Handbücher haben überwiegend in der Praxis (z.B. als Anwalts-Handbücher) die Funktion von Nachschlagewerken.

      Becking/Gebele (Hrsg.), Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 12. Aufl., München 2016;

      Mes (Hrsg.), Beck’sches Prozessformularbuch, 13. Aufl., München 2016.

      Enzyklopädien enthalten eine in einzelne Stichworte kategorisierte Aufarbeitung der Fragestellungen und Problemfelder ganzer Rechtsgebiete. Die Bearbeitung erfolgt wie bei Handbüchern und Kommentaren in der Regel durch mehrere, teilweise eine Vielzahl von Autoren. In den letzten Jahren hat die Erstellung von Enzyklopädien – vor allem im Bereich rechtsvergleichender und interdisziplinärer Themen – stark zugenommen.

      |22|Basedow, Jürgen u.a. (Hrsg.), Elgar Encyclopedia of Private International Law, Cheltenham 2017, mit über 200 Autoren und Stichworten zu zahlreichen Rechtsbegriffen aus dem IPR sowie Übersetzungen zahlreicher nationaler IPR-Gesetze.

      d) Lehrbücher

      Lehrbücher führen den Leser systematisch in ein Rechtsgebiet ein. Dies erfolgt mit von Werk zu Werk unterschiedlich intensiver didaktischer Aufbereitung der Materie. Je nach Intensität der didaktischen Zielrichtung unterscheidet sich auch die wissenschaftliche Relevanz der einzelnen Werke.

      Insoweit ist eine grundsätzliche Unterscheidung angezeigt. Sogenannte Fallbücher sind zu Beginn des Studiums bei den Studierenden beliebt. Die juristische Fallbearbeitungs- und Argumentationstechnik kann dort anhand konkreter Falllösungen erlernt werden. Gleichzeitig ermöglichen derartige Werke den schnellen Einstieg und einen in der Regel kompakten Überblick über das jeweilige Rechtsgebiet. Die Tiefe der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den rechtlichen Fragestellungen und Hintergründen leidet dabei allerdings unvermeidbar.

      Dies gilt in besonderer Weise auch für die Mehrzahl sogenannter Repetitoriumsskripten, die für die Studierenden überwiegend gegen Ende des Studiums, vor allem bei der Vorbereitung auf das Staatsexamen, an Bedeutung gewinnen. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Materie und die Details der Problembeschreibung stehen den qualifizierten Lehrbüchern zwar gelegentlich nur wenig nach. Dennoch zählen Fallbücher für den Einstieg ebenso wie Repetitoriumsskripten zu den in juristisch-wissenschaftlichen Arbeiten geringgeschätzten Quellen, weil der Fokus weniger auf der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, sondern auf der inhaltlichen und klausurtaktischen Vorbereitung auf das Examen liegt.

      Hemmer/Wüst/d’Alquen, Grundwissen BGB-AT, 8. Aufl., Würzburg 2016.

      Alpmann/Wirtz, Schuldrecht BT 1, 19. Aufl., Münster 2016.

      Von einer Zitierung dieser Quellen sollte bei Bearbeitung einer juristischen Studienarbeit deshalb grundsätzlich abgesehen werden.[62]