Thomas Rauscher

Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht


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      Für seit dem 18.6.2011 eingeleitete Unterhaltsverfahren wurden die Bestimmungen der Brüssel I-VO ersetzt durch die der EG-UntVO (Art. 68 Abs. 1 EG-UntVO). Für nach Inkrafttreten der Brüssel Ia-VO eingeleitete Unterhaltsverfahren ergibt sich dies nun ausdrücklich aus der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. e Brüssel Ia-VO.

      Deren sachlicher Anwendungsbereich ist für den nachehelichen Unterhalt gegeben (Art. 1 EG-UntVO). Anders als Art. 6 Brüssel Ia-VO enthält die EG-UntVO keine Einschränkung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs, so dass sie auch für einen Unterhaltsantrag gegen den in den USA wohnenden Antragsgegner gilt.

      b) Zuständigkeit Art. 3 EG-UntVO

      224

      Unter den alternativ in Art. 3 EG-UntVO bestimmten Zuständigkeiten begründet jedenfalls Art. 3 lit. b EG-UntVO die Zuständigkeit deutscher Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin.

      2. Örtliche, sachliche Zuständigkeit

      225

      Die örtliche Zuständigkeit folgt ebenfalls aus Art. 3 lit. b EG-UntVO; sachlich zuständig ist ausschließlich das Familiengericht (§ 23a Abs. 1 S. 1 Nr 1 GVG, § 111 Nr 8 FamFG). Zuständig ist damit das AG München – Familiengericht.

      III. Versorgungsausgleich

      1. Internationale Zuständigkeit

      a) Brüssel Ia-VO, EG-UntVO

      226

      b) Anwendbarkeit der EU-EheGüterVO

      227

      Aus der EU-rechtlichen Einordnung des Versorgungsausgleichs als Ehegüterrecht iSd. Bereichsausnahme der Brüssel Ia-VO folgt nun umgekehrt die Anwendbarkeit der EU-EheGüterVO.

      c) Zuständigkeit aus Art. 11 EU-EheGüterVO

      228

      Damit ergibt sich wie zum Zugewinnausgleich die Frage der Anwendbarkeit des Art. 11 EU-EheGüterVO. Für den Versorgungsausgleich dürfte die Unzumutbarkeit der Geltendmachung in Florida jedoch eindeutig zu bejahen sein. Die Entwicklung der deutschen Rechtsprechung zum nachgeholten Versorgungsausgleich nach Auslandsscheidung beruht auf dem Gedanken des Schutzes des ausgleichsberechtigten deutschen Ehegatten, die auch mit der sozialpolitischen Erwägung verknüpft ist, diesen Ehegatten nach Scheidung nicht ohne ausreichende eigene Rentenansprüche zu lassen. Dies kam zunächst in der Figur der hypothetischen Verbundzuständigkeit und sodann in § 102 FamFG zum Ausdruck, der eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bestimmt, wenn der Antragsteller in Deutschland gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 102 Nr 1 FamFG); übernimmt man diese Wertung im Rahmen des Art. 11 EU-EheGüterVO, so kann im materiell gebotenen Umfang (oben Rn 211) auch über ausländische Anwartschaften entschieden werden, während § 102 Nr 2 FamFG nur eine Entscheidung über inländische Anwartschaften erlauben würde.

      2. Örtliche, sachliche Zuständigkeit

      229

      Ob sich die örtliche Zuständigkeit aus § 3 Nr 9 IntGüRG ergibt, erscheint fraglich, da der EU-rechtliche Begriff der Güterstände nicht notwendig die Auslegung der Reichweite des § 3 IntGüRG betrifft. Bejaht man eine Erstreckung des EU-rechtlichen Begriffs auf das IntGüRG, so ist wieder das AG Berlin-Schöneberg zuständig. Anderenfalls ergibt sich gemäß § 218 Nr 4 FamFG die örtliche Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt der Antragstellerin. Sachlich zuständig ist das Familiengericht (§ 23a Abs. 1 S. 1 Nr 1 GVG, § 111 Nr 7 FamFG).

      IV. Morgengabe

      1. Internationale Zuständigkeit

      a) Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO

      230

      Die Brüssel Ia-VO ist räumlich nicht anwendbar (Art. 4, 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO); deshalb kann hier offenbleiben, wie die Morgengabe prozessual zu qualifizieren ist.

      b) Anwendungsbereich der EG-UntVO

      231

      Fraglich ist auch, ob die EU-EheGüterVO anwendbar ist, deren Zuständigkeitsbestimmungen ebenfalls nicht räumlich-persönlich begrenzt sind. Fasst man den Anwendungsbereich zutreffend komplementär zu der Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, so müsste es sich um eine vermögensrechtliche Regelung zwischen den Ehegatten handeln. Die Morgengabe begründet jedoch einen von der Vermögenslage unabhängigen Leistungsanspruch eigener Art, der anders als etwa eine Abfindung des Zugewinnausgleichs auch nicht an die Stelle eines ehevermögensrechtlichen Anspruchs tritt. Damit ist auch die EU-EheGüterVO nicht sachlich anwendbar.

      c) §§ 98 ff FamFG

      232

      Die Zuständigkeit könnte sich wieder nach dem System der §§ 98 ff FamFG beurteilen. Fraglich ist, ob der Anspruch auf Zahlung der Morgengabe Familiensache ist. § 111 FamFG nennt die Morgengabe nicht. Schon vor Inkrafttreten des FamFG fiel sie jedenfalls funktionell nach allen vertretenen Ansichten unter eine oder mehrere der in § 621 aF ZPO genannten Kategorien; durch die Erweiterung des Katalogs der Familiensachen auf die sonstigen Familiensachen (§ 111 Nr 10 FamFG) steht die Einordnung als Familiensache nun außer Frage; der Anspruch auf mehriye ist jedenfalls ein aus der Ehe herrührender Anspruch iSd. § 266 Abs. 1 Nr 2 FamFG. Damit sind §§ 98 ff FamFG anzuwenden.

      d) Verfahrensrechtliche Qualifikation

      233

      Für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit genügt nicht die Einordnung als Familiensache, sondern es bedarf einer Qualifikation angesichts der unterschiedlichen Regelungen in §§ 98 FamFG ff. Ausgehend von der strittigen materiellrechtlichen Qualifikation kommen § 111 Nr 5, 7, 8, 9 und 10 FamFG in Betracht. Da die mehriye jedenfalls nicht einer der spezifischen Folgesachen hauptsächlich zugeordnet werden kann (vgl auch oben Rn 231), dürfte bei ehewirkungsrechtlicher Qualifikation eine Einordnung unter § 111 Nr 10 FamFG als sonstiger aus der Ehe folgender Anspruch (§ 266 Abs. 1 Nr 2 FamFG) vorzugswürdig sein. Nur bei scheidungsrechtlicher Qualifikation