Mike Wienbracke

Juristische Methodenlehre


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Vorschriften sich gegenseitig ausschließen, sog. logische Spezialität.[82] Andernfalls, d.h. soweit ihre Rechtsfolgen miteinander verträglich sind, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Rechtsfolgen der auf Seite des Tatbestands spezielleren Rechtsnorm (z.B. Art. 8 Abs. 1 GG: Schutz nur von friedlichen Versammlungen ohne Waffen) i.S.e. abschließenden Regelung an die Stelle der Rechtsfolgen der hiernach allgemeinen Vorschrift treten sollen (dann z.B. überhaupt kein grundrechtlicher Schutz von unfriedlichen Versammlungen bzw. solchen mit Waffen, auch nicht durch Art. 2 Abs. 1 GG; str.) oder aber diese modifizieren bzw. bloß ergänzen.[83]

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      Wird Z im „Cocktailbar-Fall“ (Rn. 2) wegen Raubes nach § 249 Abs. 1 StGB angeklagt und befindet das Gericht ihn hiernach für schuldig, so ist er daneben nicht auch noch wegen Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB zu verurteilen. Denn weil § 249 Abs. 1 StGB unter Einschluss sämtlicher Tatbestandsmerkmale des § 242 Abs. 1 StGB („Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen“) noch weitere Voraussetzungen beinhaltet („mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“), handelt es sich bei § 249 Abs. 1 StGB (Bestrafung „mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“) im Verhältnis zu § 242 Abs. 1 StGB (Bestrafung „mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe“) um die speziellere Vorschrift. Folglich wird die allgemeine Vorschrift des § 242 Abs. 1 StGB nach dem lex specialis-Grundsatz durch die spezielle Vorschrift des § 249 Abs. 1 StGB verdrängt. Entsprechendes gilt ebenfalls im Hinblick auf den Nötigungstatbestand des § 240 Abs. 1 StGB.

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      Hinweis

Zum einen kennzeichnet er die Rechtsfolgen, die eintreten, wenn eine Vorschrift des nationalen Rechts in Widerspruch zum EU-Recht steht. In einer solchen Konstellation ist die innerstaatliche Vorschrift auf den konkreten Fall nicht anwendbar, sog. Anwendungsvorrang des EU-Rechts gegenüber diesem widersprechenden nationalen Recht (Rn. 57);
zum anderen bezeichnet er die Sperrwirkung, die das mit dem höherrangigen Recht vereinbare niederrangige Recht diesem gegenüber in Bezug auf die konkrete Rechtsanwendung entfaltet, sog. Anwendungsvorrang der rangniederen vor der ranghöheren Rechtsnorm (Rn. 61 f.);
darüber hinaus wird er dazu verwendet, um den Anwendungsvorrang der speziellen vor der allgemeinen Vorschrift zu beschreiben (lex specialis derogat legi generali; Rn. 64 ff.).

      Anmerkungen

       [1]

      Beaucamp/Beaucamp, Methoden, Rn. 276; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 87; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, Rn. 277; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 90, 113 m.w.N. („Anspruchskonkurrenz“ bzw. „‚Gesetz‘ als ‚Gefüge von Rechtsnormen‘“); Schwacke, Methodik, S. 17 ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 30.

       [2]

      Zippelius, Methodenlehre, S. 30. Zur „verdrängenden“ bzw. „konsumtiven Normenkonkurrenz“ siehe