S. 73 f.
Amar, (2006), S. 450.
B. Zentrale Institutionen der US-amerikanischen Verfassung › I. Der Präsident › 5. Die Durchführungsanordnungen (executive orders) des Präsidenten
a) Grundlegendes
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Ein weiterer gravierender Unterschied zwischen dem deutschen Bundespräsidenten und dem US-amerikanischen Präsidenten liegt in den Befugnissen des letztgenannten, executive orders zu erlassen. Dieser Ausdruck lässt sich am ehesten mit präsidentiellen Verfügungen oder Durchführungsanordnungen übersetzen. Mit diesen wird die gesamte Bundesverwaltung, einschließlich der Streitkräfte, gesteuert und angewiesen[1]. Im Unterschied zu präsidentiellen Memoranden werden die Durchführungsanordnungen als bindendes Recht betrachtet[2].
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Die Verfassung erwähnt präsidentielle Verfügungen nicht ausdrücklich. Ihre Zulässigkeit kann sich zum einen auf eine direkte oder indirekte gesetzliche Ermächtigung durch den Kongress stützen[3]. Häufig wird die Ermächtigung für executive orders jedoch aus den Einzelbefugnissen des Präsidenten abgeleitet, die in der Zuweisung der Exekutivgewalt (Art. II, section 1, cl. 1 USC), der Kommandogewalt über die Streitkräfte (Art. II, section 2, cl. 1 USC) und der Gesetzesausführungsaufgabe (Art. II, section 3, cl. 1 USC) bestehen, bisweilen wird eine generelle präsidentielle Machtstellung aus den genannten Befugnissen entwickelt[4]. Die letztgenannte Herleitung lässt sich als Rechtsanalogie bewerten[5].
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Die Durchführungsanordnungen werden nummeriert und im Federal Register veröffentlicht. Mittlerweile sind dort fast 14.000 dieser Anordnungen gesammelt. Art, Inhalt und Auswirkungen der Durchführungsanordnungen variieren sehr stark[6]. Sie können sich etwa mit den Arbeitsbedingungen der Bundesbediensteten beschäftigen, die Vergabe von Bundesaufträgen im Detail regeln, neue Behörden oder Beratungsgremien einrichten, Importbeschränkungen und Zölle vorsehen, außenpolitische Sanktionen verhängen u.v.m.[7] Einige konkrete Beispiele:
– | Executive Order (E.O.) 6581 (1934) rief die Export-Import-Bank der USA ins Leben; |
– | E.O. 9066 (1942) regelte die Internierung japanischstämmiger Bürgerinnen und Bürger nach Beginn des 2. Weltkrieges; |
– | E.O. 9981 (1948) hob die Rassentrennung in den Streitkräften auf; |
– | E.O. 12.333 (1981) ermächtigt die National Security Agency (NSA) bis heute zu vielen ihrer Abhöraktivitäten[8]; |
– | E.O. 13.767 (2017) ordnete den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko an; |
– | E.O. 13.768, 13.769 und 13.780 (2017) verhinderten, dass Menschen aus bestimmten muslimischen Ländern in die USA einreisen[9]. |
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Während George Washington in seiner achtjährigen Amtszeit als erster Präsident der USA nur 8 Durchführungsanordnungen erließ, nahm der Einsatz dieses Instruments über die Jahre stark zu[10]. Theodore Roosevelt (1901-1909) nutzte es bereits über 1000 Mal, Franklin D. Roosevelt (1933-1945) kam auf die Rekordzahl von 3721 executive orders[11]. Auch die US-Präsidenten seit 1993, Bill Clinton, George W. Bush und Barack Obama haben jeder deutlich über 250 Durchführungsanordnungen in ihren jeweils achtjährigen Amtszeiten erlassen[12].
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Warum ist diese Handlungsform bei allen Präsidenten, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit[13], so beliebt? In gewisser Weise sind die Durchführungsanordnungen unausweichlich, um die vielen Bundesbehörden mit ihren über 2,1 Millionen Beschäftigten[14] zu steuern und zu koordinieren sowie insbesondere die Rechtssetzung von Bundesbehörden zu kontrollieren[15].
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Präsidenten können außerdem Durchführungsanordnungen einseitig, d.h. ohne langes Verfahren und vor allem ohne die Zustimmung des Kongresses erlassen oder widerrufen[16]. So kann – z.B. in Krisensituationen – flexibel und schnell agiert[17] sowie die häufig erwartete Führungsstärke demonstriert werden[18]. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Kongress sich in einer Sache nicht entscheiden kann[19] oder wenn die Partei des Präsidenten im Kongress keine Mehrheit hat (divided government)[20]. Will man einen handlungsfähigen Staat (funktioneller Ansatz), erscheint es sinnvoll, präsidentielle Verfügungen in großem Umfang als verfassungsrechtlich zulässig zu bewerten[21]. Viele Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass sich der Präsident ihrer Wünsche annimmt und entsprechende Durchführungsanordnungen erlässt[22]. Manchmal bewegt eine präsidentielle Durchführungsanordnung den Kongress auch zu einem späteren Gesetz[23].
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Worin liegen die Nachteile der Durchführungsanordnungen? Sie können ohne weiteres vom nächsten Präsidenten geändert oder aufgehoben werden[24]. Außerdem können die Durchführungsanordnung ihre eigene Finanzierung nicht sichern, sondern sind auf Budgetbewilligungen des Kongresses angewiesen. Auf dieses Problem traf auch Präsident Trump bei dem Plan, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten (E.O. 13767 2017). Schließlich besteht eine Missbrauchsgefahr[25]. Zum einen wird die Gewaltenteilung zu Lasten des Kongresses modifiziert, zum anderen könnten Durchführungsanordnungen in Rechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen[26]. Mangels parlamentarischer Debatte besteht ferner die Gefahr, dass Durchführungsanordnungen sehr einseitige politische Positionen umsetzen[27]. Man kann die mögliche Blockade von Gesetzgebung bei unterschiedlicher parteipolitischer Besetzung von Kongress und Präsidentenamt auch als Charakteristikum der US-amerikanischen Verfassung betrachten und nicht als Fehler, der durch eine großzügige Interpretation präsidentieller Befugnisse behoben werden muss[28].
Anmerkungen
Gitterman, S. 6, note 23; Branum, Journal of Legislation 28 (2002), 1, 5; Chu/Garvey, S. 2; Mayer, S. 4 u. 34.
House Government Operations Committee 1957, zitiert nach Chu/Garvey, S. 1; Mayer, S. 4; Newland, Yale Law Journal 124 (2015), 2026, 2030 u. 2035 mit Urteil in Fn. 50 u. 2045; Branum, Journal of Legislation 28 (2002), 1, 6; s.a. Jenkins v. Collard, 145 U.S. 546, 561 (1892).
Chu/Garvey, S. 2; Brugger, S. 222; Branum, Journal of Legislation 28 (2002), 1, 65 f.; Mayer, S. 35 f.; Newland, Yale Law Journal 124 (2015), 2026, 2031 u. 2050.
Newland, Yale Law Journal 124 (2015), 2026, 2098; Branum, Journal of Legislation