berufen können, wenn diese selbst ausdrücklich einklagbare Rechte schafft[45]. Beruht die präsidentielle Verfügung auf einer gesetzlichen Ermächtigung, die eventuell drittschützend ist, wirkt die Konzentration auf die Durchführungsanordnung wenig plausibel[46]. Der Präsident hat es nämlich erneut in der Hand, durch den Erlass einer den Drittschutz ausschließenden Verfügung das Gesetz zu verkürzen. Dass eine Durchführungsanordnung den Zugang zu den Gerichten eröffnet ist extrem selten[47], betroffenen Bürgern bleibt im Regelfall nur die Möglichkeit an den Präsidenten zu appellieren, die Durchführungsanordnung zu ändern[48].
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Der Präsident selbst wiederum ist nicht an seine eigenen Durchführungsanordnungen gebunden[49]. Er kann sie jederzeit offiziell aufheben oder sie schlicht nicht mehr beachten[50]. Im letztgenannten Fall ist die Durchführungsanordnung zwar noch im Federal Register veröffentlicht, wird aber nicht mehr befolgt, was das Gegenteil von Rechtssicherheit darstellt[51]. Insgesamt befremdet das Ergebnis, dass die von Durchführungsanordnungen Betroffenen diese befolgen müssen, wohingegen ihr Urheber ungebunden bleibt[52].
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Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Durchführungsanordnungen dem US-Präsidenten weitgehende Machtbefugnisse einräumen[53]. Dies wäre nicht so gravierend, wenn die Durchführungsanordnungen nur den Charakter von Verwaltungsvorschriften hätten, d.h. allein Interna des Dienstbetriebs der Bundesbehörden regelten. Obwohl es zahlreiche executive orders dieser Prägung gibt, existieren ebenfalls viele mit direkter Auswirkung auf Bürger, Wirtschaft und Gesellschaft. Deshalb erscheint es aus Sicht der Gewaltenteilung bedenklich, dass die Präsidenten Kontrollen durch den Kongress oder die Gerichte nur im Ausnahmefall fürchten müssen[54]. Es war gerade ein Anliegen der Väter der Verfassung, durch die Gewaltenteilung eine Situation zu verhindern, in der eine Gewalt die Regeln erlässt, die sie dann selbst ausführt[55]; genau dies erscheint aber bei jenen präsidentiellen Durchführungsanordnungen möglich, die über verwaltungsinterne Regeln hinausgehen.
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Vergleichbare unilaterale Handlungsmöglichkeiten haben in Deutschland weder der Bundespräsident noch die Bundeskanzlerin. Selbst in Notstandssituationen wird zunächst auf freiwillige Anforderung von Hilfe durch das betroffene Bundesland gesetzt (Art. 35 Abs. 2 GG und Art. 91 Abs. 1 GG). Erst wenn mehrere Bundesländer betroffen sind (Art. 35 Abs. 3 GG) oder das betroffene Bundesland nicht bereit bzw. nicht in der Lage ist, die Gefahr abzuwehren (Art. 91 Abs. 2 GG), darf die Bundesregierung als Kollegium weitere Maßnahmen einleiten. Diese sind dann einzustellen, wenn die Gefahr abgewehrt ist oder wenn der Bundesrat dies verlangt. Diese befristeten Möglichkeiten der Bundesintervention, die zudem noch unter der Kontrolle des Bundesrates stehen, bleiben hinter den exekutiven Standardbefugnissen des US-Präsidenten weit zurück.
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Die Steuerung der deutschen Bundesverwaltung ist in großem Umfang Aufgabe der Bundesminister, die Verwaltungsvorschriften für ihre jeweiligen Ressorts erlassen. Exekutivische Rechtssetzung ist nach Art. 80 Abs. 1 GG durch die Bundesregierung oder Bundesminister möglich, jedoch in Inhalt, Zweck und Ausmaß an ein ermächtigendes Gesetz gebunden. Sobald es um Eingriffe in Freiheit oder Eigentum der Bürger geht oder wesentliche Entscheidungen getroffen werden sollen (Wesentlichkeitstheorie), muss nach der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes eine parlamentarisch gebilligte Rechtsgrundlage vorliegen[56].
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Auch in der Weimarer Reichsverfassung gab es keine allgemeinen exekutivischen Kompetenzen des Reichspräsidenten; er war nur in Notsituationen, d.h. bei erheblicher Störung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zum Eingreifen ermächtigt[57].
Anmerkungen
Chu/Garvey, S. 10.
Branum, Journal of Legislation 28 (2002), 1, 69; Mayer, S. 222.
Gitterman, S. 145; Chu/Garvey, S. 9; Branum, Journal of Legislation 28 (2002), 1, 22, 71 u. 79 f.
Chu/Garvey, S. 9 m.w.N.; ähnliche Zahlen bei Branum, Journal of Legislation 28 (2002), 1, 59.
E.O. 10340 (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 585 f. (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579 ff. (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 667 ff. (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 680 u. 702 (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 681 (1952).
The Federalist Papers Nr. 70, S. 426: Energy in the executive is a leading character in the definition of good government.
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 682 (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 683 ff. (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 701 (1952).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 587 (1952) (Justice Black).
Hierzu ausführlich Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 597 ff. (1952) (Justice Frankfurter).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 587 ff. (1952) (Justice Black).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 587 f. (1952) (Justice Black).
Youngstown Sheet and Tube v. Sawyer, 343 US 579, 631 f. (1952).