Gabriele Jansen

Zeuge und Aussagepsychologie


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      Erstmals in der Grundsatzentscheidung zu aussagepsychologischen Gutachten hat der BGH den aus der Experimentalpsychologie herrührenden Begriff der „Nullhypothese“ übernommen. Es geht um die wissenschaftlichen Anforderungen, die an die Glaubhaftigkeitsbegutachtung zu stellen sind.

      Zum hypothesengeleiteten Vorgehen des Sachverständigen finden sich folgende BGH-Entscheidungen:

Einseitige Hypothesenbildung durch Sachverständigen
Spezifizierung der Nullhypothese: Pseudoerinnerung
• BGH [5 StR 470/07] Spezifizierung der Nullhypothese: sexuelle Kenntnis aus anderer Situation
• BGH [3 StR 301/07] Nur die realistischen Hypothesen berücksichtigen
• BGH [5 StR 416/05] Unglaubhaftigkeitshypothese
Nur die realistischen Hypothesen berücksichtigen
• BGH [5 StR 544/04] Nullhypothese zur Aussagetüchtigkeit
Geprüfte Hypothesen sind im Urteil zu benennen
Erklärungsmöglichkeiten, Hypothesen, sind zu diskutieren
Allgemein
Grundsatzentscheidung

      Teil 1 ZeugenaussageIII › 4. BGH-Rechtsprechung zur Beurteilung der Aussagekompetenz

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       Aussagekompetenz – Beurteilung

       ist

       Teil der Glaubhaftigkeitsbeurteilung

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      Die Aussagekompetenz ist im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aussageanalyse zu prüfen. Üblicherweise – und so in § 241 Abs. 2 StPO geregelt – ist der Zeuge (nur) zur Sache zu vernehmen. Vorgelagerte allgemeine routinemäßige Fragestellungen zur Zeugentüchtigkeit sieht die StPO nicht vor, so z. B. nicht die Prüfung der sprachlichen Fähigkeiten des Zeugen. Die Einschätzung, wie sich der Zeuge im Allgemeinen äußert, wie groß sein Wortschatz ist, ob er allgemein – und deshalb auch in der Befragung – eher wenig spricht, ob er sich nur knapp oder ausschweifend äußert, kann für die Beurteilung seiner Aussage aber von Bedeutung sein.

      Aussagetüchtigkeitsaspekte finden in der BGH-Rechtsprechung bei kindlichen Zeugen Berücksichtigung. Die Aussagekompetenz erwachsener Zeugen wird in der BGH-Rechtsprechung vor allem bei psychischen Auffälligkeiten, bei Erinnerungsbeeinträchtigung und bei Beschuldigtenaussagen im Zusammenhang mit Alkoholisierung diskutiert.

      Die Beurteilung der Qualität einer Aussage gewinnt erst an Aussagekraft durch ihren Bezug zu den spezifischen Kompetenzen und Erfahrungen des Aussagenden.

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       Beurteilung der Aussagequalität

       erfolgt

       nur im Zusammenhang mit den Kompetenzen und den Erfahrungen des Zeugen

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      Bei kindlichen Zeugen stellt sich die Frage nach der Aussagekompetenz anders als bei Erwachsenen.

      Bei kleinen Kindern richtet sich die Frage, ob sie eine verwertbare Aussage machen können, nach ihrem Entwicklungsstand. Suggestionseffekte können – gerade bei jüngeren Kindern – den Inhalt der Aussage wesentlich verändern. Bei der Beurteilung kindlicher Angaben spielt es auch eine Rolle, ob das Kind schon über ein eigenes bereichsspezifisches Wissen verfügt.

      Mit der Aussagekompetenz von kindlichen Zeugen befassen sich z. B. folgende Entscheidungen des BGH:



• BGH [3 StR 281/07] Suggestion, Befragung
• BGH [4 StR 23/07] Fantasiebegabung
Suggestion, Pseudoerinnerung
Suggestion
Intensive gedankliche Befassung mit fiktiven Geschehnissen und bestätigende Gespräche, narzisstische Selbstdarstellung, therapieinduzierte Suggestion
Suggestion
Suggestion