Gerhard Dannecker

Insolvenzstrafrecht


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nach den §§ 129 ff. InsO zur Folge haben könnten. Der Begriff der Rechtshandlung i. S. d. § 129 Abs. 1 InsO ist weit auszulegen. Hierunter fallen neben rechtsgeschäftlichen Verfügungen schuldrechtliche Verträge, geschäftsähnliche Handlungen und Realakte sowie Prozesshandlungen.[125] Gemäß § 129 Abs. 2 InsO sind auch Unterlassungen umfasst.

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      Die Rechtshandlung muss eine Benachteiligung der Gläubiger zur Folge haben. Dies ist immer dann der Fall, wenn sie sich vermögensmindernd auswirkt[126] und damit die Chancen der Gläubiger, ihre Forderungen aus der Masse befriedigen zu können, verschlechtert werden. Benachteiligungen liegen folglich in einer Verringerung der Aktiva oder einer Erhöhung der Passiva, können aber auch dann schon angenommen werden, wenn der Zugriff auf Vermögensbestandteile und damit die Verwertung erschwert oder auch nur verzögert wird.[127] Die entstandene Benachteiligung muss die gesamte Gläubigerschaft betreffen.[128]

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      Grundsätzlich bedarf es für eine Insolvenzanfechtung nicht einer Handlung oder auch nur Mitwirkung des Schuldners an den vermögensmindernden Aktionen, sondern es sind auch die Gläubiger benachteiligende Rechtshandlungen anfechtbar, die durch einen Dritten verwirklicht werden.[129]

      Die näheren Voraussetzungen für eine Insolvenzanfechtung regeln die einzelnen Anfechtungstatbestände der §§ 130–136 InsO. Grundsätzlich ist es möglich, Rechtshandlungen anzufechten, die bis zu zehn Jahre vor der Stellung des Insolvenzantrages vorgenommen worden sind. Je länger eine Handlung zurückliegt, desto höher sind die Anforderungen an eine mögliche Anfechtung.[130]

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      Der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren findet seine Grenzen unter anderem in der Absonderung nach § 49 InsO und der Aussonderung nach § 47 InsO aufgrund der besonderen Rechtsstellung der betreffenden Gläubiger.

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      Die bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger ist im Rahmen der Absonderung nach § 49 InsO möglich: Aus der Menge der Insolvenzgläubiger fallen diejenigen heraus, die einen Anspruch darauf haben, dass der Schuldner die Verwertung einer bestimmten Sache aus seinem Vermögen duldet. Der Kreis der Absonderungsrechte ist gesetzlich in den §§ 49–51 InsO abschließend festgelegt. Dieses Recht kann dem Gläubiger z. B. wegen einer Grundschuld, einer Sicherungsübereignung, einer Sicherungsabtretung oder einer Pfändung zustehen. Mit dieser Position, die sich auf eine bestimmte Sache innerhalb des Schuldnervermögens bezieht, ist der betreffende Gläubiger kein Insolvenzgläubiger im eigentlichen Sinne, sondern ein Absonderungsberechtigter, für den gem. §§ 49 ff., 165 ff. InsO eine abgesonderte Befriedigung seiner Gläubigerinteressen möglich ist. Die gleichmäßige Verteilung des Erlöses im Rahmen des Insolvenzverfahrens trifft diesen Gläubiger also nicht. Zwar ist der betreffende Gegenstand nicht der Masse entzogen, sondern er wird ihr weiterhin zugerechnet. Allerdings wird dem Gläubiger der Veräußerungserlös bzw. ein Teil desselben bis zur Höhe seiner Forderung aus diesem Gegenstand zugewiesen.[131] Das Recht auf Absonderung wird gem. § 49 InsO nach Maßgabe des ZVG geltend gemacht.[132] Veräußert der Insolvenzverwalter unberechtigt Gegenstände, die Absonderungsrechten unterliegen, so gelten die Regeln der Ersatzabsonderung nach § 48 InsO analog.[133]

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      Gemäß § 47 S. 1 InsO gehören Gegenstände, an denen ein anderer ein dingliches oder persönliches Recht geltend machen kann, nicht zur Insolvenzmasse; der Inhaber eines solchen Rechtes hat einen Anspruch auf Aussonderung dieses Gegenstandes. Im Gegensatz zur Absonderung entzieht die Aussonderung den entsprechenden Gegenstand komplett dem Insolvenzverfahren, das heißt, er wird nicht wie bei der Absonderung verwertet, sondern steht außerhalb der Insolvenzmasse nach § 35 Abs. 1 InsO.[134] Infolgedessen ist der betreffende Gläubiger gem. § 47 S. 1 InsO auch kein Insolvenzgläubiger. Der Gegenstand wird also gänzlich dem betreffenden Gläubiger zugeordnet, was weiter geht als die Absonderung, die lediglich die vorrangige Befriedigung des Gläubigers aus dem Erlös gewährt. Aussonderungsberechtigt ist derjenige, der als Eigentümer gem. § 985 BGB die betreffende Sache herausverlangen kann. Der häufigste Fall der Aussonderung ist der einfache Eigentumsvorbehalt,[135] ausreichend ist aber auch bspw. die Stellung als rückgabeberechtigter Vermieter, der nicht notwendigerweise selber Eigentümer der Mietsache sein muss (vgl. § 546 Abs. 1 BGB).[136]

      Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und InsolvenzstrafrechtsF. Verzahnung von Insolvenzrecht und Insolvenzstrafrecht › V. Auswirkungen der Insolvenz auf die soziale Stellung des Mandanten

V. Auswirkungen der Insolvenz auf die soziale Stellung des Mandanten

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      Die Kreditkündigung, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gem. § 807 ZPO, der Insolvenzeröffnungsantrag und die Entscheidungen des Insolvenzgerichtes über Ablehnung oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind wichtige Erkenntnisgrundlagen für die Gläubiger, kreditgebenden Unternehmen und Gläubiger aus Bank- und Kreditkartenverträgen. Diese Erkenntnisse werden – nicht zuletzt aufgrund des von gewerblichen Datensammelstellen der Kreditwirtschaft abrufbaren Schuldnerverzeichnisses bei den Amtsgerichten – durch die Schufa und andere Bonitätsauskunftsdateien (Creditreform, Bürgel, Schimmelpfeng etc.) gesammelt und verarbeitet. Die Einträge dort sind nur schwer für den einzelnen Schuldner kontrollierbar, werden aber regelmäßig bei der Neuvergabe von Krediten, Ausgabe von Kreditkarten oder sogar schon bei Kontoeröffnungen abgefragt.

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      Die Rechtsprechung fordert sogar von professionellen Geldgebern eine laufende Abfrage der Schuldner- und Insolvenzverfahrensverzeichnisse, da ansonsten nahezu jedes Rechtsgeschäft, das der Schuldner nach der Insolvenzeröffnung mit einem Dritten ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters abschließt, anfechtbar ist. Da das Insolvenzverfahren zu einer umfassenden Verfügungsbeschränkung des Schuldners (§ 82 InsO) führt, kann selbst ein langjähriges Insolvenzverfahren, das noch nicht abgeschlossen wurde, eine solche Folge bewirken. Eine Bank haftet sogar aus §§ 9 Abs. 3, 35, 82 S. 1 InsO, § 35 Abs. 2 Nr. 4 BDSG, §§ 823 Abs. 2, 826 BGB für eine nicht sorgfältige Recherche bei der Kontoeröffnung.[137]

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      Die Schufa ist eine Gemeinschaftseinrichtung von Kreditinstituten, Leasinggesellschaften, Kreditkartengesellschaften, Einzelhandels- und Versandhausunternehmen, Telekommunikationsanbietern und anderen Unternehmen, die Daten über die Personen sammeln, denen Geld- oder Warenkredite gegeben worden sind. Die SCHUFA Holding AG hat ihren Sitz in Wiesbaden und koordiniert die Aufgaben der einzelnen Mitglieder. Bei der Schufa sind Daten über etwa 62 Millionen Personen gespeichert.

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      Als eine bei öffentlichen Auftraggebern mögliche Nebenfolge einer Verurteilung nach § 266a StGB kann das Unternehmen von öffentlichen Aufträgen für die Dauer von bis zu 3 Jahren ausgeschlossen werden, falls das Gericht eine Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten oder eine Geldstrafe von über 90 Tagessätzen oder eine Geldbuße von wenigstens 2.500 € verhängt (§ 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SchwarzArbG vom 23.7.2004). Eine solche Sanktion kann nach Satz 2 dieser Vorschrift schon verhängt werden, bevor das Straf- oder Bußgeldverfahren endgültig durchgeführt ist, wenn nämlich „kein vernünftiger Zweifel“ an der Verfehlung