Gerhard Dannecker

Insolvenzstrafrecht


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Sanierungs- oder Betriebsübernahmegesellschaften. Auf diese Konstrukte gilt es aus strafrechtlicher wie aus insolvenzrechtlicher Sicht ein besonderes Augenmerk zu legen.[76]

a) Bildung eines Gläubigerpools[77]

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      Im Wirtschaftsleben wird man häufig mit dem Begriff des „Pools“ konfrontiert (s. auch Rn. 1252 ff.). In der angloamerikanischen Rechtssprache bezeichnet dies eine vorübergehende vertragliche Personen- oder Unternehmensvereinigung, deren Vertragsbeteiligte die gemeinschaftlich koordinierte Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer gleichartigen Rechtspositionen verfolgen. Von einem solchen Vorgehen versprechen sich die Poolmitglieder Vorteile gegenüber einer isoliert und individuell operierenden Rechtswahrnehmung und -durchsetzung. Ein „Pool“ charakterisiert und motiviert sich demzufolge gleichermaßen durch die Gleichgerichtetheit der Interessen unterschiedlicher Mitglieder.[78] Je nach Zielsetzung treten Poolverträge im Rechtsverkehr in unterschiedlichen Erscheinungsformen auf.

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      In „Sicherheitenpools“ (Rn. 1252) können sich etwa mehrere Gläubiger eines Schuldners vertraglich über eine gemeinsame Besicherung einigen und zusammenschließen.[79] Insbesondere nach ihrer Zielrichtung[80] lassen sich solche Sicherheitenpools in Finanzierungs- und Sicherungspools unterscheiden. Bei außergewöhnlich hohem Kreditbedarf eines Unternehmens schließen sich Banken nicht selten zur gemeinschaftlichen Kreditvergabe krisenunabhängig zu einem Finanzierungspool zusammen.[81] Dagegen sind aus einer Krise geborene Sicherungspools von der Bereitstellung individueller Kreditlinien unabhängig und können als Sanierungs- und/oder als Verwertungspool auftreten. Während Letzterer die Interessen von Geld- und Warenkreditgebern bündelt, schließen sich in Sanierungs- oder Finanzierungspools ausschließlich Banken zusammen.[82]

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      Bei Schuldnern in wirtschaftlicher Schieflage kommt dem krisengeborenen Sicherheitenpool in der Form des Bankenpools erhebliche praktische Bedeutung zu.

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      Möchten mehrere Banken in einem festgelegten Umfang an denselben Sicherheiten partizipieren, so können sie formfrei[83] einen (zusammengesetzten) Bankenpoolvertrag abschließen.[84] Da sich sein Anwendungsbereich auf risikobehaftete Kreditengagements mit Großkunden beschränkt, gehört ein Bankenpool nicht zum Massengeschäft eines Kreditinstituts.[85]

      Die in einem Sicherheitenpool zusammengeschlossenen Banken bilden eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nach § 705 BGB.[86] Abweichend von der bei Einzelsicherheiten divergierenden Gestaltung besteht das wesentliche Merkmal solcher Sicherheiten-Poolverträge darin, dass die in den jeweiligen Sicherungsverträgen vereinbarte Zweckbindung der Sicherheiten dahingehend erweitert wird, dass sie nun die Sicherung der Rechte sämtlicher am Pool beteiligter Kreditinstitute umfasst. Der gemeinsam verfolgte Zweck muss innerhalb eines Pools allerdings nicht identisch sein.

      Mit Abschluss des Bankenpoolvertrages stehen bei wirtschaftlicher Betrachtung die gepoolten Sicherheiten somit einer Gruppe von Gläubigern zur anteiligen Befriedigung zur Verfügung. Befindet sich der Kreditnehmer in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation (Krise), so liegt der Zweck der Poolbildung für die Gläubiger in der gemeinschaftlichen Sanierung (Sanierungspool) oder Verwertung (Verwertungspool) des in wirtschaftliche Schieflage geratenen Unternehmens.

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      Das Ziel eines solchen Poolvertrages kann zunächst einmal auf die Sanierung des Schuldnerunternehmens gerichtet sein, wenn ein solcher Versuch nicht von vornherein aussichtslos erscheint und sich die wesentlichen Kreditgeber in ihrem Sanierungswillen einig sind. Schätzen Banken eine Lage in der Praxis als riskant ein, sind sie nur dann zu einem einvernehmlichen Vorgehen bereit, wenn keines der Gläubigerinstitute eigenständig die Verwertung überlassener Gegenstände vorantreibt, um sich damit einen Vorteil zu verschaffen.[87] Wäre die Ablösung einzelner Kreditgeber durch Übernahme von deren Kreditengagements erforderlich, so stieße die Kompromiss- und Sanierungsbereitschaft der Banken ebenfalls schnell an Grenzen. Reduzieren sich die Erfolg versprechenden Möglichkeiten somit auf ein gemeinschaftliches Vorgehen sämtlicher wesentlichen Gläubigerbanken, so besteht eine vordergründige Aufgabe des Sanierungspools in der Koordination des Verhaltens sämtlicher Beteiligter, um die Fortführung und den Bestand des angeschlagenen Schuldners gemeinschaftlich zu sichern. Mit dem Bankenzusammenschluss soll der Alleingang eines einzelnen Gläubigers gezielt verhindert werden.

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      Der Bankenpool stellt dabei ein Instrument zur freien Sanierung dar. Die Vorteile eines solchen Bankenpoolsanierungsverfahrens ergeben sich kontradiktorisch aus den Nachteilen des Insolvenzverfahrens bzw. der unkontrollierten Individualdurchsetzung eigener Sicherheiten einzelner Gläubiger. So ist die Insolvenzquote nicht bevorrechtigter Gläubiger seit Jahren gering. Mit Liquidation des Schuldnervermögens verfällt der Wert der geleisteten Sicherheiten. Sie sind nicht mehr mit dem Fortführungswert, sondern mit dem niedrigeren Zerschlagungswert anzusetzen. Ist ein Insolvenzverfahren abgeschlossen, so haben die Banken nicht selten Forderungsausfälle über einzelwertberechtigte oder abgeschriebene Forderungen zu bilanzieren. Einen ertragreichen Kunden verliert die Bank in jedem Fall. Für die Volkswirtschaft bedeutet die Insolvenz die Zerschlagung meist „überlebensfähiger“ Unternehmen, den Verlust von Arbeitsplätzen und die Verringerung von Steuereinnahmen. Bei einer Durchsetzung der oft vielfältigen Individualsicherheiten wären diese Konsequenzen kaum zu verhindern. Durch die gemeinsame Initiative der Gläubiger noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens können regelmäßig sowohl die Zerschlagung als auch die damit einhergehende Entwertung des Schuldnerunternehmens verhindert werden.

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      Oftmals kann durch einen Pool die Produktion zumindest in Teilbereichen aufrechterhalten werden. Dies wertet nicht nur das Umlaufvermögen auf, sondern sichert auch Arbeitsplätze[88] und schont damit zugleich den Fiskus wie auch den Sozialstaat. Durch eine frühe Poolbildung erwachsen dem Unternehmen zusätzliche wirtschaftliche Möglichkeiten. So kann seine Bonität durch das vorübergehende Einräumen einer weiteren Kreditlinie[89] oder durch die Stellung einer Garantie erhöht werden. Aus dem diskreten Vorgehen einer freien Sanierung durch die Gläubigerbanken ergeben sich weitere Vorteile für das schuldnerische Unternehmen, die sich auch positiv auf den Sanierungserfolg auswirken können. Zu denken ist trotz seiner Einbußen an das durch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Bank manifestierte Bankgeheimnis, das die Offenlegung der Bildung eines Bankenpools in der Praxis oftmals verhindert. In der Regel verfügen ohnehin nur Banken über die erforderlichen finanziellen Mittel, um eine Sanierung außerhalb eines Insolvenzverfahrens durchzuführen. Schließlich lässt sich unter einer ausgewählten Gruppe von Gläubigerbanken[90] leichter eine Einigung erzielen, als wenn eine solche unter allen berechtigten Klein- wie Großgläubigern erzielt werden müsste.

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      Die freie Sanierung durch einen Bankenpool bietet jedoch auch Risiken und Nachteile. So kann sich die Schuldenlast des Unternehmens durch die erneute Kreditvergabe weiter erhöhen, wenn letztere nicht zum merklichen Abbau bereits vorhandener Verbindlichkeiten – etwa im Rahmen einer finanziell sinnvollen Umschuldung – genutzt werden kann. Zum Schutz