Robert Esser

Handbuch des Strafrechts


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in der Untreueentscheidung des BVerfG (E 126, 170) mit dem Postulat einer konkretisierenden Auslegung des § 266 StGB. In dieser Entscheidung wird vom Gericht auch die maßgeblich von Saliger (ZStW 112 (2000), 563, 568 ff.) entwickelte Figur des „Verschleifungsverbotes“ hervorgehoben (BVerfGE 126, 170 [198]), nach der „einzelne Tatbestandsmerkmale (…) auch innerhalb ihres möglichen Wortsinnes nicht so weit ausgelegt werden dürfen, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden“. Auch sie stellt sich als Ausprägung von Art. 103 Abs. 2 GG dar (zutreffend Krell, ZStW 126 (2014), 902, 908 f.) bzw. zieht eine aus dieser Norm abzuleitende Grenze zulässiger Auslegung. Selbst wenn man ein allgemeines Verschleifungsverbot als – sogar mit Gesetzeskraft ausgestatteter – Konsequenz aus dieser Entscheidung ableiten will, dürften seine Voraussetzungen nicht so inflationär erfüllt sein, wie dies in Beiträgen in Folge der Verfassungsgerichtsentscheidung mitunter suggeriert wird, zutreffende Kritik bei Krell, ZStW 126 (2014), 902 ff.

       [106]

      Möglicherweise auch eine Nachwirkung des von Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. V schon bzw. noch vor 20 konstatierten Befundes, dass das Verhältnis „zwischen Strafrecht und Verfassungsrecht“ (gemeint ist hier: materiellem Strafrecht, H.K.) von einem weitgehenden Fehlen eines „Dialog(s) hinsichtlich der materiellen Grundrechte (. . .)“ geprägt sei; ein ähnliches Fazit zieht zur gleichen Zeit Braum, KritV 1995, 371 f. Dem entspricht, dass auch in der Praxis des BVerfG das materielle Strafrecht – zumindest in Relation zu seinem massiven Eingriffscharakter – klar unterrepräsentiert ist, vgl. zu statistischem Material bis Ende 1990 Paulduro, Die Verfassungsmäßigkeit von Strafrechtsnormen, insb. der Normen des Strafgesetzbuches, S. 59 ff.

       [107]

      Vgl. dazu deshalb auch näher die Darstellung bei → AT Bd. 1: Schmahl, § 2 Rn. 48 ff.

       [108]

      Vgl. BVerfG NJW 1994, 2943 f.

       [109]

      Vgl. zum Nachfolgenden aber bereits Kudlich, JZ 2003, 127 ff. Das BVerfG spricht in seiner Absprachen-Entscheidung zu § 257c StPO (BVerfGE 133, 168; BVerfG NJW 2013, 1058, dort Rn. 122) explizit davon, dass seine – z.T. weitgehenden und nach einfachgesetzlicher Prozess- und insbesondere Rechtsmitteldogmatik teilweise zumindest überraschenden – Postulate nicht etwa das Ergebnis einer „verfassungskonformen Auslegung“ seien, so dass sie nur als „verfassungsorientierte“ Auslegung verstanden werden können (in diesem Sinne wohl auch Beulke/Stoffer, JZ 2013, 662, 663 f.

       [110]

      In gewisser Weise gelten diese Einwände auch bereits für eine „verfassungskonforme“ Auslegung; ihr ganzes Gewicht entfalten sie aber vor allem dort, wo es um die „Arbeitsebene“ zwischen Straf- und Verfassungsrecht geht, so dass sie vorrangig für diese widerlegt werden müssen.

       [111]

      Nachweise zur Diskussion bei Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 92 ff., sowie Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998, S. 103 ff.

       [112]

      Vgl. Isensee, HStR Bd. V, 1995, § 111 Rn. 103, 105.

       [113]

      Vgl. Maunz/Dürig, Art. 2 Abs. 1 Rn. 76. (nicht mehr aufgenommen in der aktuellen Kommentierung von Di Fabio).

       [114]

      Vgl. Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 93 f.

       [115]

      In diesem Sinne auch Staechelin, Strafgesetzgebung im Verfassungsstaat, 1998, S. 104.

       [116]

      Vgl. die Nachweise bei Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 3 f.

       [117]

      Deutlich Naucke, in: Lüderssen (Hrsg.), Aufgeklärte Kriminalpolitik oder Kampf gegen das Böse? Bd. I, 1998, S. 156, 164 f.

       [118]

      Das wird besonders plastisch, wenn man sich die Entscheidungssituation des BVerfG vorstellt: Es muss eine (nach § 31 Abs. 2 BVerfGG teilweise mit Gesetzeskraft wirkende) Entscheidung treffen und das Gesetz bei der Annahme der Verfassungswidrigkeit (regelmäßig) für nichtig erklären (vgl. § 78 BVerfGG).

       [119]

      Diese Stufen sind zwar auch bei der Beurteilung eines Gesetzes als solchen denkbar – hier aber ohne Belang.

       [120]

      Lagodny, Strafrecht vor den Schranken der Grundrechte, S. 511 ff. insb. 518 ff., spricht einen ähnlichen Gedanken unter dem Stichwort der „Richtlinien- oder Impulsfunktion“ der Grundrechte an.

       [121]

      Bildlich gesprochen: In dem Moment, in dem die Interpretation dann verfassungswidrig wird, schlägt die Argumentation in eine verfassungskonforme Auslegung um, die zumindest ein bestimmtes Ergebnis zwingend verbietet.

       [122]

      Vgl. auch Michael, JuS 2001, 148, 149 f.

       [123]

      Vgl. aus der Rechtsprechung des BVerfG statt vieler nur BVerfGE 19, 342, 348 f.; 23, 127, 133; 55, 159, 165; 65, 1, 44; 80, 109, 120.

       [124]

      Vgl. BVerfGE 120, 224, sowie dazu etwa Hörnle, NJW 2008, 2085 ff.; Adam, NStZ 2010, 321 oder Kühl, Stöckel-FS, S. 117.

       [125]

      Vgl. hierzu näher mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG Paulduro, Die Verfassungsgemäßheit von Strafrechtsnormen, insbesondere der Normen des Strafgesetzbuches im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 139 ff., 155, sowie Günther, Strafrechtswidrigkeit und Strafunrechtsausschluß, S. 183 f. und Vogel, StV 1996, 110, 113.

       [126]

      Vgl. als Beispiel einer das Strafrecht betreffenden Entscheidung BVerfGE 47, 109, 117 m.w.N. aus der vorangegangenen Verfassungsrechtsprechung.

       [127]