Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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EUV verankerten Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) geworden ist (südliche ENP-Dimension). Art. 8 Abs. 1 EUV sieht die Entwicklung „besonderer Beziehungen“ zu den Nachbarstaaten der EU vor, die gem. Art. 8 Abs. 2 EUV ihren Niederschlag in „speziellen Übereinkünften“ (dh völkerrechtlichen Abkommen) finden. Gemäß einem entsprechenden Strategiepapier der Kommission[32] geht es dabei insbesondere auch um die Handelsbeziehungen. Ziel ist es, die Nachbarschaftsstaaten so weit wie möglich an den Binnenmarkt heranzuführen, ohne ihnen aber eine Beitrittsperspektive zu eröffnen, und dabei zugleich die Integration der Mittelmeeranrainer untereinander zu fördern. Während die Europa-Mittelmeer-Abkommen bezüglich der Liberalisierung des Wirtschaftsverkehrs – abgesehen vom Verbot von Zöllen sowie von mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung[33] – noch weitgehend programmatischen Charakter haben, dh erst durch entsprechende Beschlüsse der jeweiligen Assoziationsräte implementiert werden müssen, beabsichtigt die EU bereits den Übergang zu einer neuen Generation von Assoziierungsabkommen mit dem Ziel der Errichtung von „Vertieften und umfassenden Freihandelszonen“ („Deep and Comprehensive Free Trade Areas – DCFTA“). Sie sollen nicht nur den gesamten Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehr umfassen, sondern u.a. auch das Niederlassungsrecht, Investitionen, geistige Eigentumsrechte, technische Regulierungen sowie den Wettbewerb, das öffentliche Beschaffungswesen und die Angleichung an das EU-Recht. Beabsichtigt ist also die umfassende Liberalisierung des Wirtschaftsverkehrs zwischen den Mittelmeeranrainern und der EU im Sinne der vollständigen gegenseitigen Marktöffnung. Seit 2011 sind entsprechende Verhandlungen mit einer Reihe südlicher Nachbarstaaten vorbereitet und zum Teil (Marokko) bereits aufgenommen worden. Da diese Abkommen jeweils einen dem WTO-System nachgebildeten Streitbeilegungsmechanismus vorsehen, ist davon auszugehen, dass sie nicht unmittelbar anwendbar sind, Einzelne sich also auf die abkommensrechtlichen Freiheiten nicht berufen können.

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      Literatur:

      Koch Handelspräferenzen der Europäischen Gemeinschaft für Entwicklungsländer (2004); Meinecke Rechtsprojekte in der Entwicklungszusammenarbeit (2007); Bartelt/Dann (Hrsg.) Entwicklungszusammenarbeit im Recht der Europäischen Union (2008); Ehlers/Wolffgang/Schröder Bilaterale und regionale Handelsabkommen als Kernstück der „neuen“ EG-Handelspolitik, 2009; Zimmermann Die neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU: WTO-Konformität versus Entwicklungsorientierung? EuZW 2009, 1; Dann/Wortmann Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 8, 407; Schmalenbach Assoziierung und Erweiterung, in: von Arnauld (Hrsg.) Europäische Außenbeziehungen [Enzyklopädie Europarecht, Bd. 10] (2014) § 6, 321, Rn. 29 ff., 41 ff.; Semertzi The preclusion of direct effect in the recently concluded EU Free Trade Agreements, CMLR 2014, 1125; Bieber/Epiney/Haag/Kotzur Die Europäische Union (12. Aufl. 2016) § 34 C.: Entwicklungspolitik, 670.

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