Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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Nutzen für alle gezogen wird. Sämtliche Tauschgewinne, die überhaupt am Markt erzielt werden können, sind realisiert. Dies ist der Zustand allokativer und produktiver Effizienz im Sinne des Pareto-Kriteriums.[13]

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      Da es sich aber um eine statische Betrachtungsweise handelt, ist die Bedeutung des Zustands der vollkommenen Konkurrenz für die dynamische Effizienz nicht in gleichem Maße evident. Es liegt nahe, sogar einen negativen Zusammenhang anzunehmen: Innovation ist nur aufgrund von Investitionen in Forschung und Entwicklung denkbar. Solche Investitionen setzen voraus, dass im Fall einer erfolgreichen Entwicklung neuer Produkte oder Produktionsverfahren die Forschungs- und Entwicklungskosten durch entsprechende Gewinne kompensiert werden. Mit ihnen ist aber nur zu rechnen, wenn das Unternehmen einen gewissen Vorsprung vor seinen Konkurrenten auf dem Markt hat. Das aber widerspricht dem Konzept des vollkommenen Wettbewerbs. Vollkommener Wettbewerb gewährleistet also nicht zugleich dynamische Effizienz. Daraus ist die wichtige Schlussfolgerung zu ziehen, dass zwischen der allokativen, der produktiven und der dynamischen Konkurrenz Zielkonflikte bestehen können.

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      Das Monopol ist durch die Alleinstellung eines Unternehmens am Markt gekennzeichnet. Unter Monopolbedingungen bzw. bei Abwesenheit von Wettbewerb ist die Situation eine völlig andere als bei vollkommenem Wettbewerb.

      (1) Unternehmensperspektive

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      Zunächst einmal ist allerdings auch der Monopolist mit der oben dargestellten Nachfragekurve (Schaubild 13) konfrontiert, die einen fallenden Verlauf nimmt, weil mit zunehmender Angebotsmenge der Preis fällt. Für den Monopolisten als alleinigem Anbieter ist diese Kurve zugleich seine Absatzkurve, weil sie zugleich die gesamte seitens der Konsumenten vorhandene Nachfrage repräsentiert. Somit ist auch der Monopolist an die Tatsache gebunden, dass die Nachfrage und dementsprechend der Absatz mit steigenden Preisen sinkt. Dies bedeutet, dass der Monopolist mit einer nicht vollkommen elastischen Nachfrage konfrontiert ist: auch im Falle von Preiserhöhungen muss er nicht mit dem vollständigen Verlust jeglicher Nachfrage rechnen. Aufgrund der reduzierten Elastizität der Nachfrage verfügt also das Monopolunternehmen über einen Preiserhöhungsspielraum, der vom Wettbewerb nicht kontrolliert wird. Anders als ein Unternehmen, das unter Wettbewerbsbedingungen operiert, ist ein Monopolist ist also kein „Preisnehmer“ bzw. „Mengenanpasser“.

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      Dies hat nun ganz erhebliche Konsequenzen für das Angebotsverhalten des Monopolisten. Selbstverständlich will auch der Monopolist seinen Profit maximieren. Er muss also ebenfalls eine Entscheidung darüber treffen, wie weit er seine Produktion ausdehnen soll, um den größten Profit zu erzielen. Dabei unterliegt auch der Monopolist dem Gesetz, dass ein Unternehmen seinen Profit in dem Punkt maximiert, in dem sich die Grenzerlöskurve und die Grenzkostenkurve schneiden, dh in dem Grenzerlös und Grenzkosten gleich sind.

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      Dieser Punkt liegt für den Monopolisten nicht dort, wo er für ein Unternehmen liegt, das unter Wettbewerbsbedingungen arbeiten muss. Dies lässt sich Anhand des folgenden Schaubildes näher erläutern:

      Schaubild 14:

      Preisbildung im Monopol

kein Alternativtext verfügbar

       [Bild vergrößern]

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      Wenn der Monopolist seine Angebotsmenge (Mw) bis zu dem Punkt ausdehnen würde, in dem die Grenzkosten (Kʼ) die Nachfragekurve N (dh seine Absatzkurve A) schneidet, würde er auf einen Erlös verzichten, den er erzielen könnte, wenn er eine geringere Menge produzierte (Mm), die zu einem höheren Preis (Pm) absetzbar wäre. Seine Grenzerlöskurve (Eʼ), die den Zusatzerlös je zusätzlich produzierter Einheit anzeigt, fällt somit erheblich schneller als seine Absatzkurve. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Monopolist zwar mit jeder zusätzlich produzierten Einheit einen Mehrerlös erzielt, der jedoch mit einer entsprechenden Preissenkung bezahlt werden muss. Dies beruht darauf, dass auch der Monopolist seine Güter nur zu einem einheitlichen Preis absetzen kann soweit er nicht zur Preisdiskriminierung zwischen unterschiedlichen Konsumentengruppen entsprechend deren unterschiedlicher Zahlungsbereitschaft in der Lage ist. Bis zu einem bestimmten Punkt ist der Effekt der Erlössteigerung aufgrund der Mengenreduktion größer als der Effekt der Erlösminderung aufgrund der Preissenkung. Jenseits dieses Punktes hingegen überwiegt der Preissenkungseffekt den Effekt der Erlössteigerung. Daher wird der Monopolist sein Angebot nicht über diesen Punkt hinaus ausdehnen. Dieser Punkt liegt im Schnittpunkt der Grenzerlöskurve (Eʼ) und der Grenzkostenkurve (Kʼ). Der Punkt – und dies ist das Entscheidende – liegt offensichtlich nicht dort, wo er bei einem Unternehmen läge, das unter Wettbewerbsbedingungen operiert, nämlich im Schnittpunkt der Grenzkostenkurve mit der Nachfragekurve. Dies bedeutet, dass die Konsumenten einen höheren Preis entrichten müssen, als durch die Herstellungskosten gerechtfertigt wäre.

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      Der Monopolist verfügt also, anders als ein Unternehmen, das unter den Bedingungen der freien Konkurrenz um die Gunst der Marktgegenseite ringt, über gewisse Handlungsspielräume. Er kann seine Ausbringungsmenge reduzieren (dh seine Ressourcen nicht optimal nutzen) und gleichwohl (in gesamtwirtschaftlich schädlicher Weise) suprakompetitive Preise erzielen. Das Monopol ist somit durch die Fähigkeit des Anbieters zur wettbewerbswidrigen Mengenreduktion bzw. Preiserhöhung gekennzeichnet. Was für Preise und Mengen gilt, ist auch für andere Wettbewerbsparameter wie Qualität, Produktvielfalt oder Innovation relevant: Der Monopolist wird tendenziell stets hinter den unter Wettbewerbsbedingungen erreichbaren Möglichkeiten zurückbleiben.

      (2) Gesamtwirtschaftliche Perspektive

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      Der Monopolpreis gibt also nicht die für den monopolisierten Wirtschaftszweig vorhandenen Produktionsmöglichkeiten wieder. Er täuscht eine größere Knappheit der für die Herstellung des Monopolprodukts erforderlichen Ressourcen vor als es der Wirklichkeit entspricht. Unter wohlfahrtsökonomischen Aspekten werden den Nachfragern Konsummöglichkeiten vorenthalten, die ihnen unter Wettbewerbsbedingungen zugänglich wären. Die Konsumentenwohlfahrt (Konsumentenrente) wird auf diese Weise nicht gefördert, sondern vermindert. Aber nicht nur das. Diese Einbuße wird nicht einmal durch eine entsprechende Erhöhung der Produzentenwohlfahrt (Produzentenrente) des Monopolisten kompensiert. Es handelt sich also nicht bloß um eine Umverteilung zugunsten des Monopolisten und zulasten der Konsumenten. Vielmehr erleiden alle einen Gesamtwohlfahrtverlust aufgrund einer ineffizienten Allokation der Ressourcen. Das lässt sich folgendermaßen veranschaulichen:

      Schaubild 15:

      Gesamtwohlfahrtsverlust im Monopol

kein Alternativtext verfügbar

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      Der Monopolist beschränkt sich auf die Produktion der Menge Mm, die er zum Monopolpreis Pm absetzt. Damit wird die unter Wettbewerbsbedingungen zu erwartende Konsumentenrente (Schaubild 13) erheblich reduziert (und zwar auf das Dreieck oberhalb Pm und unterhalb der Nachfragekurve N). Den Konsumenten entgeht der Nutzen, der im Schaubild durch die Gesamtfläche repräsentiert wird, die unterhalb der Nachfragekurve N zwischen