Fall 15:
Das Ehepaar M und F hat drei Kinder. F führt den Haushalt; sie ist nicht erwerbstätig. Der Verdienst des M reicht gerade aus, das Notwendigste für die Familie zu besorgen (Wohnung, Verpflegung etc.). Urlaub, Taschengeld und andere persönliche Bedürfnisse können davon nicht bestritten werden. M verlangt von F, zusätzlich zu ihrer Haushaltstätigkeit ebenfalls finanziell zum Familienunterhalt beizutragen, und zwar aus Mieteinkünften eines von ihr ererbten Mehrfamilienhauses.
a) Umfang der Unterhaltspflicht
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Nach § 1360 S. 1 sind Ehegatten einander verpflichtet, die Familie angemessen zu unterhalten. Das wird in § 1360a Abs. 1 näher umrissen. Zum angemessenen Familienunterhalt zählt alles, was nach den Verhältnissen der Eheleute notwendig ist, um den Haushalt, die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder zu bestreiten. Die Verhältnisse der Ehegatten richten sich in erster Linie nach dem verfügbaren Einkommen, das zugleich die Obergrenze der Unterhaltspflicht darstellt. In diesem Rahmen ist aber ein objektiver Maßstab (soziale Stellung, gesellschaftliche Anschauung, Lebensstil vergleichbarer Berufskreise) zugrunde zu legen.[12] Ehegatten können (absprachegemäß) unter diesem Niveau (sparsam) leben, auf einen Mindeststandard aber kann vertraglich nicht verzichtet werden.[13] Vor allem können Eltern den Familienaufwand nicht zu Lasten ihrer Kinder unter einem solchen Stand halten. Im Rahmen dieser Verhältnisse bestimmt § 1360a Abs. 1 die wesentlichen Faktoren des Familienunterhalts: Kosten des Haushalts (Wohnung, Wohnungseinrichtung, Heizung, Lebensmittel, Familienurlaub); persönliche Bedürfnisse der Ehegatten (Kleidung, Arzt- und Krankenhauskosten, berufliche Fortbildung, kulturelle Bedürfnisse, Alterssicherung, Taschengeld); Lebensbedarf der gemeinsamen Kinder (§ 1610; insbesondere Kleidung, Nahrung, Ausbildung, Freizeit). – Die von M in Fall 15 geltend gemachten Defizite (Urlaub, Taschengeld, weitere persönliche Bedürfnisse) zählen umfangmäßig zum angemessenen Familienunterhalt.
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Die Regeln des allgemeinen Verwandtenunterhalts sind auf die Unterhaltspflicht von Ehegatten nicht anwendbar (Ausnahme: § 1360a Abs. 3). Die eheliche Unterhaltsverpflichtung wird deshalb auch nicht durch die Gefährdung des eigenen angemessenen Unterhalts begrenzt (vgl. § 1603 Abs. 1), vielmehr haben Ehegatten alle verfügbaren Mittel (Arbeit und Vermögen) bis an die Grenze des Existenzminimums für die Sicherung ihres Unterhalts (und den ihrer minderjährigen Kinder, vgl. § 1603 Abs. 2) aufzuteilen. Dazu gehört grundsätzlich auch die Verwertung des Vermögensstammes. Eine Entlastung bei Unterschreiten des eigenen angemessenen Unterhalts erfolgt nur dann, wenn leistungsfähige Verwandte des berechtigten Ehegatten vorhanden sind, die in dieser Situation den unterhaltsrechtlichen Vorrang des Ehegatten ablösen (§ 1608 Abs. 1 S. 2).
b) Unterhaltsleistung
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Die Familie muss von den Ehegatten „durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen“ unterhalten werden, § 1360 S. 1. Sowohl F wie M tragen in Fall 15 durch Arbeit zum Familienunterhalt bei. Während dem M zusätzliches Vermögen nicht zur Verfügung steht, fragt sich, ob F neben ihrer Haushaltstätigkeit auch aus ihren Mieteinnahmen zum Familienunterhalt beitragen muss. Nach § 1360 S. 2 erfüllt der im Haushalt tätige Ehegatte seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts; das bedeutet, dass er normalerweise nicht noch zusätzlich außerhalb des Haushalts einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen muss, um den Unterhalt der Familie zu sichern, sondern nur sofern erforderlich und zumutbar. Die gleichrangige Pflicht, mit dem Vermögen zum Unterhalt beizutragen, lässt diese Vorschrift unberührt. Sofern der angemessene Unterhalt einen höheren Bedarf der Familie ergibt, ist F neben der Haushaltsführung verpflichtet, auch mit ihrem Vermögen zum Unterhalt der Familie beizutragen, so dass sie auch aus ihren Mieteinkünften dazu beisteuern muss.
c) Art der Unterhaltsgewährung
180
Der Unterhalt ist in der durch die eheliche Lebensgemeinschaft gebotenen Art zu leisten (§ 1360a Abs. 2 S. 1). Die Ehegatten schulden sich grundsätzlich Unterhaltsbeiträge in Form von Naturalunterhalt, d.h. Wohnbedarf ist in concreto (etwa durch Anmieten einer angemessenen Wohnung) zu decken; Lebensmittel, Heizmaterial, Einrichtungsgegenstände sind zur Verfügung zu stellen; der Haushalt ist tatsächlich zu führen, Kinder sind zu pflegen (vgl. § 1606 Abs. 3 S. 2). Abweichungen im Einzelnen können sich durch die eheliche Lebensführung ergeben, insbesondere wenn eine gemeinsame Wirtschaftsführung nicht besteht. Wird ein Ehegatte stationär pflegebedürftig, richtet sich der Anspruch auf Familienunterhalt auf eine Geldleistung.[14]
d) Taschengeldanspruch
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Fall 16:
Die vermögende Ehefrau F ermöglicht ihrem vermögens- und einkommenslosen Ehegatten M ein angenehmes Leben. Gläubiger G, der einen titulierten Anspruch gegen M hat, möchte wissen, in welche Vermögensgegenstände er vollstrecken kann.
182
Nach h.M. hat der haushaltsführende Ehegatte aus §§ 1360, 1360a einen Anspruch auf Zahlung eines Taschengeldes, um unabhängig von der Mitsprache des anderen Ehegatten solche persönlichen Bedürfnisse befriedigen zu können, die über die regelmäßig in Form des Naturalunterhalts gewährten Grundbedürfnisse hinausgehen. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach den Vermögensverhältnissen, dem Lebensstil und der Zukunftsplanung im Einzelfall, sie wird üblicherweise mit ca. 5–7% des Nettogesamteinkommens beziffert.[15] Es handelt sich also um einen Geldanspruch, der grundsätzlich – und hier hat er seine praktische Bedeutung (vgl. Fall 16) – von Gläubigern gepfändet werden kann. Einzusetzen ist der Taschengeldanspruch eines Ehegatten auch für den (aus §§ 1601 ff. folgenden) Unterhaltsanspruch seiner Eltern (zum Elternunterhalt unten Rn. 624).[16]
183
Nach h.M. ist der Taschengeldanspruch des haushaltführenden Ehegatten nach Maßgabe von § 850b Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 ZPO bedingt pfändbar (Billigkeitsprüfung),[17] wobei die für Arbeitseinkommen geltenden Pfändungsgrenzen nach § 850c ZPO gelten. Ausgehend von seiner Rechtsprechung zur Pfändbarkeit des Taschengeldanspruchs, hält es der BGH für geboten, die eidesstattliche Versicherung des Schuldners gemäß § 802c ZPO auch auf das Nettoeinkommen des Ehegatten (als Drittschuldner) zu erstrecken,[18] weil nur auf dieser Grundlage die Billigkeitsentscheidung nach § 850b Abs. 2 ZPO getroffen werden könne. Die Ansicht des BGH, dass die damit einhergehende „reflexartige Beeinträchtigung“ der Datenschutzinteressen des Ehegatten „unvermeidlich“ sei, aber ohnehin „nur …vermögensrechtliche Interessen“ berühre, kann nicht überzeugen.
e) Auskunft
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Zur Unterhaltsdurchsetzung vor den Familiengerichten (§§ 111 Nr. 8, 231 Abs. 1 Nr. 2 FamFG) ist der Anspruchsberechtigte auf Auskunft über die Vermögensverhältnisse des anderen Ehegatten angewiesen. Aus der Pflicht zur Rücksichtnahme