Herbert Diemer

Jugendgerichtsgesetz


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sein (BGH NStZ 1984, 446 [Böhm], bei Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG statt von § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG). Im Hinblick darauf, dass die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts nicht gelten, und bei konsequenter Anwendung des Erziehungsgedankens zur Bemessung der Jugendstrafe ist diese Entscheidung nicht zwingend. Sie belegt nur, dass die Praxis außer dem Erziehungsaspekt weitere Zumessungskriterien berücksichtigt. Im umgekehrten Fall (höherer Strafrahmen) ist die Bemessung der Jugendstrafe fehlerhaft, BGH Beschl. v. 24.7.1997 – 4 StR 259/97 – NStZ-RR 1998, 290 [Böhm].

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      Nach § 18 Abs. 2 ist die Dauer der Jugendstrafe nach der erforderlichen erzieherischen Einwirkung zu bemessen. Empirische Untersuchungen bestätigen, dass dieses Kriterium zu deutlich längeren Jugendstrafen als bei einer Orientierung am Schuldprinzip führt (Pfeiffer DVJJ-J 1991, 117; Kurzberg 2009; Streng Rn. 455). Der Gesetzgeber möchte das Spannungsfeld zwischen Erziehung und Verhältnismäßigkeit aber erst in einem späteren JGGÄndG im Zusammenhang mit dem Problembereich des Straftaxendenkens und der Aufschaukelungstendenzen in der Sanktionspraxis der Jugendgerichtsbarkeit behandeln (BT-Drucks. 11/5829, S. 14).

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      § 18 Abs. 2 steht im Kontrast zum Zumessungsprogramm des allgemeinen Strafrechts in § 46 StGB und bildet die Grundlage für eine eigenständige jugendstrafrechtliche Zumessungslehre. Die Orientierung an der erforderlichen erzieherischen Einwirkung ist bei der Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen zwingend und gilt grundsätzlich auch bei der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld (BGH NStZ-RR 2019, 159; BGHSt 10, 233; 15, 224; 16, 261; BGH NStZ-RR 2017, 231 = StV 2017, 713; BGH NStZ 2016, 683 und auch BGH NStZ 2018, 728 m. Anm. Eisenberg = JR 2019, 38 m. Anm. Kölbel und dazu Beulke NK 2019, 269-281 mit dem Hinweis auf das wegweisende Urteil des AG Rudolstadt ZJJ 2018, 67: Das Jugendstrafrecht als normativer Schonraum zur Vermeidung von Entwicklungsschädigungen steht mit den Mechanismen prinzipieller Strafverschärfung im deutlichen Widerspruch). Der BGH NStZ 2018, 662, misst dem Erziehungsgedanken mit zunehmenden Alter des Täters ein geringeres Gewicht bei („mit jedem Lebensalter sinkt das Gewicht der Berücksichtigungsfähigkeit von erzieherischen Belangen“). Da Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld aber keine Erziehungsdefizite voraussetzt, können sich erhebliche Diskrepanzen zwischen dem Erziehungs- und Schuldprinzip ergeben. Um diese deutlich zu verringern, vertreten sowohl die Rechtsprechung als auch die Lehre die Auffassung, dass neben dem vorrangigen Erziehungsgedanken auch der Schuldgehalt der Tat von Bedeutung bleibt (BGH NStZ-RR 2018, 358; BGH StV 1994, 599; OLG Zweibrücken StV 1994, 600; NStZ-RR 2005, 291 [Böhm]; Böhm/Feuerhelm 228 f.; Schaffstein/Beulke/Swoboda S. 178 f.; Walter/Wilms fordern, einen „realistischen und spezifisch kriminalrechtlichen Erziehungsgedanken“ zugrunde zu legen, NStZ 2007, 150; kritisch: Albrecht S. 258, der das Erziehungsprinzip als „wenig rationales Kriterium“ und als „verschleiernde Legitimationskategorie“ bezeichnet, ohnehin weitgehend als „Synonym für Repression und Generalprävention“ missbraucht). Durch die Berücksichtigung des Schuldaspektes erlangen die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts mittelbar auch im Jugendstrafrecht praktische Bedeutung, ebenso wie andere Strafzwecke als nur die positive Spezialprävention i.S.v. Erziehung.

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      Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts sowie die gesetzlich vorgesehenen Strafschärfungen und Strafmilderungen enthalten grundsätzliche Bewertungen durch den Gesetzgeber. Auch wenn sie nach § 18 Abs. 1 S. 3 nicht unmittelbar gelten, bleiben sie jedoch insoweit mittelbar von Bedeutung für die Bemessung der Jugendstrafe. Obwohl eine Strafrahmenverschiebung nicht stattfindet, sind sie als Zumessungskriterien zu erörtern (BGH NStZ 1990, 174 [Detter]; BGH StV 1989, 545). Freilich darf sich die Höhe der zu verhängenden Jugendstrafe nicht „an der Strafdrohung des verletzten Gesetzes orientieren, um auf diese Weise eine grobe Unverhältnismäßigkeit zwischen Tat und jugendstrafrechtlicher Reaktion zu vermeiden“. Eine solche Argumentation macht die Strafzumessungserwägung rechtsfehlerhaft, weil dadurch die Geltung des generellen jugendstrafrechtlichen Rahmens „in unzulässiger Weise relativiert“ wird (BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3 minder schwerer Fall 1). Bei der Bemessung der Jugendstrafe gibt es also keine Bindung an die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts, sie dürfen andererseits als Ausdruck gesetzlicher Bewertung des Tatunrechts aber auch nicht ganz außer Betracht bleiben (BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3; BGH StV 1986, 304; st. Rspr.). Allein der Bezug auf die Strafdrohung des allgemeinen Strafrechts macht die Zumessungserwägung noch nicht unzulässig, wenn nur die erzieherische Orientierung vorrangig deutlich bleibt (BGH NStZ-RR 1997, 281 = StV 1998, 333; a.A. MK-StGB-Radtke JGG § 18 Rn. 19). Möglich ist also die Berücksichtigung von Art und Erfolg eines Verbrechens z.B. in der Form, dass betont wird, dass der zwar nicht unmittelbar geltende aber doch zu berücksichtigende Strafrahmen von § 213 StGB voll auszuschöpfen sei (BGH NStZ 1989, 119).

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      Mittelbare Bedeutung erlangen z.B.:

Unterlassen: BGH NJW 1982, 393 = JR 1982, 464 m. Anm. Bruns;
verminderte Schuldfähigkeit: BGH Urt. v. 30.5.1996 – 4 StR 109/96; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1998, 86; BGH StV 1994, 599; OLG Zweibrücken StV 1994, 600; BGH NStZ 1988, 491 (Böhm); BGH StV 1984, 30; BGH StV 1982, 27; zum Zusammentreffen mit § 27 StGB: BGH NStZ 1984, 75; zum Zusammentreffen mit § 213 StGB: BGH NStZ 1984, 446 (Böhm); BGH NJW 2003, 2394 [allg. StrafR]:Verneinung bei selbstverschuldeter Trunkenheit, Eisenberg sieht dies aber wegen der Reifeentwicklung eher nicht für das Jugendstrafrecht gegeben, § 17 Rn. 15c.
Versuch: BGH NStZ-RR 2019, 159 – Versuchsmilderung, verminderte Schuldfähigkeit, und minderschwerer Fall; BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3 minder schwerer Fall 1; BGH NStZ 1984, 446 (Böhm); BGH St 61, 188=ZJJ 2016, 299: einseitig schulderhöhende Berücksichtigung des Vollendungsvorsatzes ohne Berücksichtigung des strafbefreienden Rücktritts ist fehlerhaft.
Beihilfe: BGH StV 1984, 254; BGH MDR 1977, 63;
§ 125a StGB: BGH MDR 1978, 280 (Holtz) und NStZ-RR 2000, 322 (Böhm);
§ 177 Abs. 2 StGB: BGH StV 1982, 338;
§ 177 Abs. 9 StGB: BGH NStZ-RR 2019, 59;
§ 178 Var. 2 StGB: BGH NStZ 1990, 529 (Böhm); BGH GA 1986, 177; OLG Hamm NStZ 1985, 447 (Böhm);
§ 213 StGB: BGH NStZ 1988, 491 (Böhm); BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3 minder schwerer Fall 1 und 2; BGH StV 1982, 473;
§ 243 StGB: BGH MDR 1976, 769;
§ 249 Abs. 2 StGB: BGH NStZ 1988, 491 (Böhm) = BGHR JGG § 18 Abs. 1 S. 3 minder schwerer Fall 3;