href="#ulink_83f8f576-594d-598c-91d0-0563d7f9825a">§ 21 JGG und § 56 Abs. 3 StGB (Verteidigung der Rechtsordnung). Die Gegenposition hält die Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte nur auf der Ebene der Strafverhängung, nicht aber bei der Bemessung der Jugendstrafe für ausgeschlossen. So soll es z.B. nach Schaffstein/Beulke 13. Aufl., S. 152 zulässig sein, bei gehäuften Autoplünderungen und Diebstählen durch jugendliche Banden gegenüber einem Bandenmitglied, bei dem schädliche Neigungen festgestellt worden sind, bei der Bemessungsdauer auch die abschreckende Wirkung einer exemplarischen Strafe auf andere jugendliche Autodiebe zu berücksichtigen. Diese inzwischen aufgegebene Position lässt sich jedoch nicht mit dem Normprogramm des § 18 Abs. 2 in Einklang bringen. Ein Teil der Literatur will wenigstens Aspekte der positiven (Integrations-)Generalprävention berücksichtigt wissen (Bottke 1984, S. 36; Maurach/Gössel/Zipf Strafrecht, Allgemeiner Teil, Tb. 2, 7. Aufl. 1989, S. 725). Positive Generalprävention ist dabei als Bestärkung und Stützung der Rechtstreue der Bevölkerung, als Normvertrauen und Normstabilisierung und als „Einübung in Rechtstreue“ (Jakobs Strafrecht, AT, 1983, S. 15) zu interpretieren. Abgesehen von den empirisch nicht nachweisbaren generalpräventiven Wirkungen bei Jugendlichen (Schumann/Berlitz/Guth/Kaulitzki Jugendkriminalität und die Grenzen der Generalprävention, 1987, S. 161 und KrimJ 1987, 13) widerspricht eine unmittelbare Berücksichtigung generalpräventiver Aspekte dem Vorrang des Erziehungsgedankens in § 18 Abs. 2. Da neben dem primären Zumessungskriterium der erforderlichen erzieherischen Einwirkung sekundär auch der Schuldausgleich bei der Bemessung der Jugendstrafe eine Rolle spielt, behalten generalpräventive Elemente eine mittelbare Bedeutung, weil der Schuldausgleichsgedanke seine innere Rechtfertigung von generalpräventiven Fernwirkungen erhält (Ostendorf § 17 Rn. 5). Eine ausschließlich oder im Wesentlichen auf das Tatunrecht abstellende Sanktionsbestimmung ohne Eingehen auf Gesichtspunkte der Erziehung ist rechtsfehlerhaft, BGH NStZ-RR 2006, 27; NStZ 2010, 281. Bei Verhängung der mit „höchst schwerer Schuld“ begründeten Höchststrafe muss aber nicht näher dargelegt werden, dass erzieherische Zwecke dieses Strafmaß erfordern, BGH NStZ 2007, 522 m. Anm. Eisenberg/Schmitz NStZ 2008, 94–96 zur Tötung aus Mordlust durch einen Jugendlichen.
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Ziel von § 18 Abs. 2 ist die positive Spezialprävention, d.h. die Verhinderung erneuter Straftaten durch einen Beitrag zur Sozialisation des straffällig gewordenen jungen Menschen. Die negative Spezialprävention (individuelle Abschreckung, Sicherung) ist nur zweitrangig.
d) Dreieckssystem wechselseitiger Kontrolle und Begrenzung
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Bei der Bestimmung der Dauer der Jugendstrafe sind drei unterschiedliche Prinzipien zu berücksichtigen. Dabei bilden Erziehungs-, Schuld- und Verhältnismäßigkeitsprinzip ein (von mir so genanntes) Dreieckssystem wechselseitiger Kontrolle und Begrenzung. Die einzelnen Elemente sind vergangenheitsbezogen (Schuld), zukunftsorientiert (Erziehung), Vergangenheit und Zukunft gegenwärtig verbindend (Verhältnismäßigkeit) sowie tatorientiert (Schuld), täterorientiert (Erziehung) und beide verbindend (Verhältnismäßigkeit von Tat und Sanktion). Bildlich ist ein gleichseitiges Dreieck mit den Eckpunkten Erziehung, Schuld und Verhältnismäßigkeit vorstellbar. Aufgrund gesetzlicher Vorgaben in den §§ 2 Abs. 1 und 18 Abs. 2 steht der Erziehungsaspekt an der Spitze, limitiert durch das nicht über 5 Jahre hinausreichende erzieherische Optimum. Wird das Dreieck um seinen Mittelpunkt gedreht, tritt der Schuldgesichtspunkt in den Vordergrund, begrenzt durch das Schuldüberschreitungsverbot. Der Erziehungsaspekt entfernt sich mehr aus seiner Vorrangstellung bis hin fast zur Bedeutungslosigkeit, bleibt aber gerade noch sichtbar. In diesem System hat zwar der Erziehungsgedanke die Spitzenposition inne, wird aber gleichsam „gebändigt“ durch die rechtsstaatlich gebotene Einbindung (Erziehung i.S. einer „inneren Umkehr“ darf nicht mit Gewalt erzwungen werden, Ostendorf Rn. 4 vor §§ 1 und 2 unter Hinweis auf BVerfGE 22, 180). In dieser Einbindung bleibt der Erziehungsaspekt Garant für jugendgemäße Reaktionsformen mit dem Ziel einer Besserstellung gegenüber straffällig gewordenen Erwachsenen. Er ist gleichzeitig Impulsgeber für weitergehende Reformen und gibt dem JGG die Chance, die zwischenzeitlich eingebüßte Schrittmacherrolle gegenüber dem allgemeinen Strafrecht wieder zu übernehmen.
a) Schädliche Neigungen
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In einem ersten Schritt ist die Dauer der Jugendstrafe für die erforderliche erzieherische Einwirkung zu bestimmen. Theoretisch darf hier die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung noch keine Rolle spielen. Die hohe Aussetzungsquote von 2016 = 58,9 % (5.914 von 10.013) der Jugendstrafen lässt aber Wechselwirkungen in dem Sinne vermuten, dass die Möglichkeit der Strafaussetzung praktisch die Strafhöhenfestsetzung sehr stark bestimmt. Hinsichtlich der Erforderlichkeit der Dauer der Jugendstrafe ist zwischen generellen und speziellen Überlegungen zu unterscheiden. Bei der Sanktionsprognose stellt sich angesichts des weiten Strafrahmens von sechs Monaten bis zu fünf bzw. zehn (ausnahmsweise fünfzehn) Jahren generell das Problem einer erzieherisch sinnvollen Verbüßungsdauer. Gesucht wird die Stelle, die das „erzieherische Optimum“ markiert. Unbestritten ist, dass dieser Punkt unterhalb von fünf Jahren liegen muss. Indiz dafür ist die Obergrenze von vier Jahren, die der inzwischen weggefallene § 19 für die Jugendstrafe von relativ unbestimmter Dauer vorgesehen hatte. Von daher vertritt Schaffstein die Auffassung, dass vier Jahre in extremen Ausnahmefällen noch verantwortet werden könnten, während im Normalfall schon Jugendstrafen von über zwei Jahren die Sozialisation gefährdeten und durch Abstumpfung und andere Prisonisierungsfolgen schadeten (Schaffstein 1972, S. 464). Die Vollzugswirklichkeit legt eine noch kürzere Dauer von einem bis zu eineinhalb Jahren nahe (vgl. Brunner/Dölling § 18 Rn. 3 m.w.N.). Mit 36,5 % lagen 2017 die meisten Jugendstrafen im Bereich zwischen einem Jahr und 2 Jahren und damit unter der Zeitspanne, die erzieherisch für optimal gehalten wird. 20,6 % lagen zwischen neun Monaten und einem Jahr. 16,1 % der Jugendstrafen betrafen den Zeitraum von sechs bis zu neun Monaten. Die Zahlen zeigen die Skepsis gegenüber den stationären Sanktionen und signalisieren eine „Abkehr von der früheren Behandlungsideologie“.
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Bei der Sanktionsprognose sind speziell auch die Möglichkeiten der jeweiligen Anstalt einzuschätzen. Unzulässig ist es jedoch, die Dauer der Jugendstrafe von der Ausbildungszeit im Vollzug abhängig zu machen (Ostendorf § 18 Rn. 11, differenzierend dagegen BGH StV 1987, 306). Hier sind stattdessen Möglichkeiten zu schaffen, eine im Vollzug begonnene Ausbildung in Freiheit fortsetzen zu können (Schlussbericht der Jugendstrafvollzugskommission, 1980, S. 49, aktuell: Übergangsmanagement). Bei einer mit einem hohen erzieherischen Nachholbedarf begründeten Jugendstrafe von 4 Jahren und 10 Monaten muss die Länge der Strafe näher erläutert werden; speziell im Hinblick auf die festgestellten Erziehungsdefizite und die Möglichkeiten, sie mit den im Jugendstrafvollzug zur Verfügung stehenden Mitteln zu beheben, BGH NStZ-RR 2008, 258.
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Im Mittelpunkt der Bestimmung der Dauer der Jugendstrafe für die erforderliche erzieherische Einwirkung steht die Sozialprognose. Dabei geht es konkret um die Einschätzung des künftigen Verhaltens des straffällig Gewordenen (Rückfall- bzw. Kriminalprognose) und die Möglichkeit und Beeinflussbarkeit, erneute Straffälligkeit durch eine entsprechende Dauer der Jugendstrafe zu verhindern. Sozial- und Sanktionsprognose setzen eine Würdigung der Täterpersönlichkeit voraus (Karranedialkova-Krohn/Fegert 2007, S. 285 ff.; allgemein zur Prognose: Laubenthal/Baier/Nestler Rn. 550 ff. sowie das Schwerpunktheft ZJJ 3/2010 zur Diagnose und