Herbert Diemer

Jugendgerichtsgesetz


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      Nach der Rspr. unzulässig ist die Weisung an einen ausländischen Jugendlichen, für zwei Jahre nicht mehr das Bundesgebiet zu betreten, weil dies zwar die Lebensführung regelt, aber nicht der Förderung und Sicherung der Erziehung dient (LG Freiburg JR 1988, 523 f.; OLG Karlsruhe die Justiz 1964, 90; OLG Koblenz GA 1985, 517 für Erwachsene); ebenso die Weisung an einen wegen Zivildienstverweigerung aus Gewissensgründen Verurteilten, nunmehr seiner Zivildienstpflicht nachzukommen (BayObLG NJW 1980, 2424, s. Rn. 20). Die Weisung im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung an einen wegen eines anderen Deliktes verurteilten Zivildienstleistenden, seiner bestehenden Zivildienstpflicht nachzukommen (OLG Hamburg NJW 1969, 1780; OLG Hamm StV 1981, 75; BayObLGSt 1970, 122) ist jedenfalls im Rahmen des § 10 unzulässig (s. Rn. 15) Die Weisung, für eine bestimmte Dauer den Führerschein zu den Akten zu geben, ist zumindest dann als Umgehung der spezialgesetzlich geregelten Maßregel der Besserung und Sicherung rechtswidrig, wenn sie nicht der Erziehung, sondern ganz oder vorwiegend der Sicherung des Straßenverkehrs dient (OLG Düsseldorf NJW 1968, 2156 für § 56c StGB); liegen nämlich die Voraussetzungen für den Entzug der Fahrerlaubnis vor (§ 69 StGB), so ist für eine ebenso wirkende Weisung kein Raum (OLG Braunschweig NdsRpfl 1969, 235; OLG Düsseldorf a.a.O.; vgl. auch OLG Hamm – 2 Ws 134-137/215 = StV 2016, 666 m.w.N.). Zur generellen Unzulässigkeit einer solchen Weisung siehe oben Rn. 17. Unzulässig ist eine Anordnung im Rahmen des § 10, die Kosten des Verfahrens zu tragen (BGHSt 9, 365 ff. für Bewährungsweisung bei Erwachsenen; s.o. Rn. 15), ebenso eine Weisung, die sich auf die Gestaltung des Strafvollzugs bezieht (OLG München NStZ 1985, 411 zu § 56c; s.o. Rn. 6). Zur Problematik bei Weisungen speziell bei Drogenabhängigen s. Brunner/Dölling § 10, Rn. 49 ff. und Einf. I Rn. 48 f. Zur Schadenswiedergutmachung s. § 15 Rn. 4.

VII. Heilerzieherische Behandlung oder Entziehungskur (Absatz 2)

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      Die Weisung, sich der heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen (§ 10 Abs. 2 S. 1), unterliegt ebenfalls den zu Rn. 5–25 genannten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen. Sie darf in ihrer Wirkung insbesondere nicht einer Unterbringung gleichkommen (s. Rn. 16 f.). Ist die Weisung aus den zu Rn. 5–25 genannten Gründen unzulässig, so ändert daran auch das Einverständnis des Betroffenen oder die etwaige Zustimmung der Erziehungsberechtigten oder gesetzlichen Vertreter nichts.

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      Die heilerzieherische Behandlung, die durch einen Sachverständigen zu erfolgen hat, kommt in Betracht, wenn die Anlasstat ihre Ursache hauptsächlich in außergewöhnlichen seelischen Konflikten, abnormen Erlebnisreaktionen oder charakterlichen Fehlhaltungen hat (von Schumann JR 1977, 269 f.; Hirschmann NJW 1961, 245 ff.; zur Praxis der heilerzieherischen Behandlung nach § 10 JGG s. Mückenberger MschKrim 1971, 292 ff.; Engstler Die heilerzieherische Behandlung gemäß § 10 Abs. 2 JGG, 1985; ders. MKrim 1988, 1; Schaffstein/Beulke/Swoboda Rn. 358 ff. m.w.N.). Die Entziehungskur (vgl. hierzu auch Albrecht Jugendstrafrecht, S. 192 ff.) kann angezeigt sein, wenn die Anlasstaten vorwiegend auf einer Rauschmittelabhängigkeit des Täters beruht. Anlass für beide Maßnahmen wird in aller Regel erst dann gesehen werden können, wenn eine Serie von Delikten auf die genannten Ursachen hinweist. Vor ihrer Anordnung hat das Gericht die Erfolgsaussicht im Hinblick auf die Verhinderung erneuter Straffälligkeit, sowie die dafür erforderliche Form und Intensität eingehend zu prüfen und im Urteil darzulegen (BGH Beschl. vom 28.1.1982 – 1 StR 835/81). Es wird daher in der Regel notwendig sein, einen Sachverständigen gutachtlich zu hören (Nr. 9 RiJGG zu § 10).

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      Das Gebot, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, bedarf bei Jugendlichen der Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters. Fehlt diese Zustimmung und wird sie auch nicht nachträglich erteilt, so ist die Weisung rechtswidrig und auf Rechtsmittel des Erziehungsberechtigten (§ 298 StPO) aufzuheben. Widerruft der Mitwirkungsberechtigte seine Zustimmung nachträglich, so kann nur gemäß § 11 Abs. 2 reagiert werden. Das Einverständnis des Jugendlichen, der das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist von Rechts wegen nicht erforderlich (arg. e. Abs. 2 S. 2). Die Weisung ist auch bei Heranwachsenden zulässig (§ 105 Abs. 1). Da diese jedoch volljährig sind (§§ 2, 1626 BGB), bedarf es der Zustimmung durch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter nicht.

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      Das Einverständnis des sechzehnjährigen Jugendlichen mit der Maßnahme nach § 10 Abs. 2 S. 1 ist nicht zwingend, aber grundsätzlich erforderlich (§ 10 Abs. 2 S. 2). Nur in begründeten Ausnahmefällen darf hiervon abgewichen werden. Wird eine Erziehungsmaßregel nach § 10 Abs. 2 S. 1 gegen einen sechzehnjährigen Jugendlichen ohne dessen Einverständnis oder wenigstens nachträgliche Zustimmung angeordnet und ohne dass Tatsachen vorliegen, die ein Abweichen von dem Mitwirkungserfordernis des § 10 Abs. 2 S. 2 begründen können, ist die Rechtsfolge bei Anfechtung aufzuheben.

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      Das Einverständnis kann nicht erzwungen werden. Der Verurteilte kann auch nur so lange der Heilbehandlung unterzogen werden, solange er damit einverstanden ist (Schönke/Schröder-Kinzig § 56c Rn. 23, 24, 26 m.N. der Rspr. zum Erwachsenenstrafrecht). Das Einverständnis ist grundsätzlich deshalb erforderlich, weil solche Weisungen, die inhaltlich Maßnahmen nach den §§ 63, 64 StGB nahekommen, besonders schwer in das Leben des Täters eingreifen. Nach der auf die