Jens Schmidt

Verteidigung von Ausländern


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Ausweisungsgründe eigentlich überflüssig.

      Da an der Regelung gleichwohl festgehalten worden ist, dürfte die zum alten Recht entwickelte Rechtsprechung fortgelten:

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      Wann ein strafrechtlich erheblicher Verstoß als nicht mehr geringfügig anzusehen ist, konnte früher nur anhand einer umfangreichen Kasuistik beantwortet werden; dem Grundsatz nach galt, dass ein strafbares Verhalten keinen geringfügigen Rechtsverstoß darstellt.

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      Die Frage hat durch die Anwendungshinweise zum Aufenthaltsgesetz eine Präzisierung erfahren, deren Kenntnis unabdingbare Voraussetzung einer sachgerechten Verteidigung ist. Danach ist für die Bestimmung, ob ein geringfügiger Verstoß i.S.d. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG vorliegt u.a. Folgendes von Bedeutung:

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      Eine Straftat, die zu einer Verurteilung bis zu 30 Tagessätzen geführt hat, ist als geringfügig anzusehen (vgl. 55.2.2.3.1 Anwendungshinweise zum AufenthG).

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      Hinweis

Diesen Gesichtspunkt sollte der Verteidiger stets bedenken, wenn er mit Gericht und/oder Staatsanwaltschaft über eine Verfahrenseinstellung gemäß § 153a StPO verhandelt; gegebenenfalls kann dies auch ein Argument für die Reduzierung des festzusetzenden Geldbetrages sein. Lehnt der Mandant ein Einstellungsangebot – unterhalb der 500 €-Grenze – ab, sollte er dahingehend aufgeklärt werden, dass im Falle der Verurteilung bereits bei einer Geldstrafe von mehr als 30 Tagessätzen ausländerrechtliche Maßnahmen drohen. Wird dieser „Schwellenwert“ nicht erreicht, kann der Mandant wegen eines nicht nur vereinzelten Rechtsverstoßes ausgewiesen werden, wenn er über (einschlägige) Vorahndungen verfügt. Der Mandant geht also ein hohes Risiko ein, wenn er ein entsprechendes Angebot ausschlägt.
Übersteigt der festzusetzende Geldbetrag die 500 €-Grenze, sollte – in Absprache mit dem zuständigen Staatsanwalt – eine (geständige) Einlassung vermieden werden; andernfalls droht die Gefahr, dass die Angaben des Mandanten im verwaltungsrechtlichen Verfahren zu seinem Nachteil verwertet werden.

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      Hinweis

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      Erhebliche Bedeutung kommt der Verdachtsausweisung vor allem für solche Tatbestände zu, die eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzen, da der Ausländer in diesen Fällen bereits im Ermittlungsverfahren ausgewiesen werden kann. Eine entsprechende Vorgehensweise ist in den Anwendungshinweisen zum AufenthG (vgl. 55.2.2.5) ausdrücklich vorgesehen.

      Hinweis

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      Hinweis

      Soweit die alte Rechtslage u.a. die Möglichkeit der Ausweisung im Falle längerfristiger Obdachlosigkeit (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG a.F.) oder Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie oder Hilfe für junge Volljährige nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (§ 55 Abs. 2 Nr. 7 AufenthG a.F.) vorsah, sind die entsprechenden Regelungen ersatzlos gestrichen worden.

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      Das Ausweisungsinteresse wiegt besonders schwer, wenn ein in § 54 Abs. 1 AufenthG genannter Tatbestand erfüllt ist:

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      § 54 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. Besonders schwer wiegt das Ausweisungsermessen gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wenn der Ausländer wegen einer