Jens Schmidt

Verteidigung von Ausländern


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gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist.

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      Hinweis

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      Weitere Voraussetzung ist die Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat.

      Hinweis

      Angesichts dieser Rechtslage stellt es eine nur scheinbare Wohltat dar, wenn das Gericht den bzw. die fahrlässig begangenen Tatteil(e) gemäß § 154a StPO einstellt. Obwohl die Zustimmung der Verteidigung nicht erforderlich ist, sollte der Verteidiger auf die daraus resultierenden, gravierenden ausländerrechtlichen Folgen aufmerksam machen.

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      Ist wegen in Tatmehrheit begangener vorsätzlicher und fahrlässiger Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe verhängt worden, ist der Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG erfüllt, wenn

wegen einer Vorsatztat eine Einsatzstrafe von mind. einem Jahr ausgesprochen worden ist,
aus den für die Vorsatztaten verhängten Einzelstrafen ausdrücklich eine gesonderte Gesamtfreiheitsstrafe von mind. einem Jahr gebildet worden ist oder
nach den Strafzumessungserwägungen des Gerichts, den Tatumständen oder den verletzten Straftatbeständen offensichtlich ist, dass das Gericht auch allein wegen der Vorsatztaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von mind. einem Jahr verhängt hätte (vgl. 53.1.1.1 Anwendungshinweise zum AufenthG).

      Hinweis

      Ist der ausländische Mandant wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Taten angeklagt und eine die 1-Jahres-Grenze übersteigende Freiheitsstrafe zu erwarten, kann es ratsam sein, den „Weg der Verständigung“ zu suchen, um so den auf die Vorsatztaten entfallenden Strafanteil auf ein unterhalb der kritischen Grenze liegendes Strafmaß zu reduzieren.

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      § 54 Abs. 2 Nr. 1a. Das Ausweisungsinteresse wiegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jungendstrafe schwer, wenn diese wegen einer vorsätzlichen Straftat gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte verhängt wird, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gewalt für Leib oder Leben oder List begangen worden ist; liegt der Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes eine serienmäßige Begehung zugrunde, ist der Tatbestand auch dann erfüllt, wenn der Täter keine Gewalt, Drohung oder List angewendet hat.

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      § 54 Abs. 2 Nr. 1a. § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG erweitert den Anwendungsbereich des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG ganz erheblich, da hier bereits die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe genügt, ungeachtet ihrer Höhe und/oder der Frage einer Strafaussetzung; es reicht bereits die Verhängung einer kurzeitigen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe. Daneben wird – anders als in Abs. 2 Nr. 1 – auch die Jugendstrafe erfasst.

      Hinweis

      Soweit § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Tat verlangt, ist beim Zusammentreffen von Vorsatz- und Fahrlässigkeitsdelikten auch hier zu prüfen, ob der auf die Vorsatztat entfallende Strafteil ermittelt werden kann (vgl. oben Rn. 25 f.); gleiches gilt, soweit der Ausweisungstatbestand die Verurteilung wegen einer bestimmten Tat fordert, z.B. einer solchen wegen eines Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit. Trifft die Tat tateinheitlich mit einem anderen Delikt zusammen, welches in § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG keine Erwähnung findet – z.B. (gefährliche) Körperverletzung in Tateinheit einem Verstoß gegen das WaffG – ist ebenso zu prüfen, ob der auf das benannte Delikt entfallende Strafteil ermittelt werden kann. Ist dies nicht möglich, findet der Ausweisungstatbestand keine Anwendung (vgl. Rn. 25 f.).

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      Angesichts der erheblichen Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage ist der Verteidiger daher insbesondere im Bereich der (drohenden) kurzzeitigen Freiheitsstrafe (§ 47 StGB) gefordert, vor allem dann, wenn diese – wie so oft im Bereich des Ausländerstrafrechts – auf die Notwendigkeit der „Verteidigung der Rechtsordnung“ gestützt werden soll.

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