Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis


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Tätigkeit sachgemäß ausübt und mit der jeweils anderen richtig koordiniert. „Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn besondere Umstände den Schluss hätten nahe legen müssen, dass die chirurgische Diagnose nicht richtig“[83] oder die beabsichtigte Narkose offensichtlich unzulänglich war. Mangels solcher Anhaltspunkte hatte das Landgericht die angeklagte Narkoseärztin mit Recht freigesprochen.

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       Andererseits aber muss der Anästhesist nötigenfalls alles in seiner Macht Stehende tun, um den Operateur zum Abbruch einer keineswegs dringlichen Operation (Entfernung der Polypen bei einem 11-jährigen Kind) zu bewegen und seinen Standpunkt auch durchzusetzen, wenn sich z.B. in der ersten Phase des Eingriffs zweimal eine äußerst bedrohliche Verlegung des Tubus ereignet, die beide Male nur durch sofortige Extubation beseitigt werden konnte. Hier darf die Operation nicht fortgesetzt, vielmehr muss nach der Ursache der Beatmungschwierigkeiten gesucht werden, da dann der Narkosezwischenfall bei der dritten (!) Intubation mit bleibenden schweren cerebralen Funktionsstörungen vermieden worden wäre.

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       Eine 38-jährige Patientin wurde nach einer fast 7 Stunden dauernden Operation (Reithosenplastik) in ansprechbarem Zustand auf die dem Chirurgen unterstehende Intensivstation gebracht, auf der ein Assistenzarzt und eine Krankenschwester den Nachtdienst versahen. In der Nacht erlitt die Patientin durch starke Nachblutungen einen erheblichen Blutverlust, der vom Nachtdienstpersonal nicht bemerkt und ausgeglichen wurde, so dass sie am folgenden Tag morgens nach einem erfolglosen Rettungsversuch infolge Herz-Kreislaufversagens starb.

      Die Anästhesistin war daher im vorliegenden Fall freizusprechen, was das Landgericht in I. Instanz leider verkannt hatte, nach Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils durch den BGH dann jedoch rechtskräftig aussprach.

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      Für den angeklagten Gynäkologen kam es auf diese Frage nicht an: „Weder nach der Berufsregel noch nach der hausinternen Regelung war er für die Überwachung der Patientin nach Beendigung der Operation verantwortlich, so dass er mit Recht freigesprochen wurde.

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       Der Patient litt an einer Insuffizienz der Nebennierenrinde (sog. Morbus Addison). Er nahm auf ärztliche Verordnung seit 1982 zur Substituierung der fehlenden Hormone u.a. morgens und abends ein Cortisol-Präparat ein. Wegen wiederholten Nasenblutens wurde er als Kassenpatient in der HNO-Klinik stationär aufgenommen. Er legte dort seinen Notfallausweis vor, in dem sein Leiden bezeichnet und vermerkt war, dass im Falle einer Erkrankung oder bei einem Unfall der Corticoidmangel auszugleichen sei.