Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis


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verschlossen wurde. Die Narkose, die eine Anästhesistin vornahm, dauerte 75 Minuten, der Eingriff selbst war nach ca. 35 Minuten beendet. Nach der Operation kam der Patient wieder auf die Station, wo er einige Stunden später von einem Pfleger ohne Atmung und Puls aufgefunden wurde. Die Reanimationsbemühungen der Ärzte blieben erfolglos.

       Weder während noch nach der Operation erhielt der Patient Cortisol-Präparate, so dass sich die Frage stellte, welchem der Ärzte, den Operateuren (HNO-Ärzten) oder der Anästhesistin, dieser Behandlungsfehler zuzurechnen war.

      Das OLG hatte alle drei Ärzte sowie den Krankenhausträger zu Schadensersatz verurteilt. Der BGH hingegen hob das Urteil gegen die HNO-Ärzte auf und verwies die Sache an das OLG zur weiteren Sachaufklärung und Entscheidung zurück. Im Übrigen beließ er es bei der Verurteilung der Anästhesistin und des Krankenhausträgers.

      In den Urteilsgründen heißt es zur Abgrenzung der Verantwortung von Operateur und Anästhesist in der prä-, intra- und postoperativen Phase:

„Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, ist in der präoperativen Phase der Anästhesist für die Vorbereitung der Narkose zuständig. Seine Sache ist es, das geeignete Betäubungsmittel auszuwählen und den Patienten durch sorgfältige Prämedikation hierauf einzustellen. Dazu gehört auch, dem Patienten diejenigen Medikamente zu verabreichen, die ihm aufgrund seines Gesundheitszustands schon zu diesem Zeitpunkt zur Aufrechterhaltung seiner vitalen Funktionen in der Narkose gegeben werden müssen. Präoperativ waren deshalb […] allein die Anästhesistin und nicht die (HNO-Ärzte) für die Substituierung der fehlenden NNB-Hormone bei dem Patienten verantwortlich“.
„In der intraoperativen Phase, also während der Dauer des chirurgischen Eingriffs selbst, waren sowohl die Operateure als auch die […] Anästhesistin mit der Behandlung […] befasst. Auch für diesen Zeitraum gilt der […] Grundsatz der horizontalen Arbeitsteilung, und zwar dahin, dass der Chirurg für den operativen Eingriff mit den sich daraus ergebenden Risiken, der Anästhesist für die Narkose einschließlich der Überwachung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen des Patienten zuständig ist“ […] Die HNO-Ärzte durften „mangels gegenteiliger Umstände vor Beginn des operativen Eingriffs von einer sorgfältigen Prämedikation“ des Patienten „einschließlich der erforderlichen Substituierung der fehlenden NNR-Hormone durch ausreichend dosierte Cortisolgaben seitens der Anästhesistin ausgehen. Das entspricht dem dargelegten Grundsatz der Arbeitsteilung […] Auch die längere Dauer des Eingriffs und der relativ hohe Blutverlust des Patienten führen hier zu keiner anderen Betrachtung […]“
Ob bei der postoperativen Behandlung des Patienten den HNO-Ärzten ein Fehlverhalten zur Last gelegt werden kann, entschied der BGH nicht. Zwar ist die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Narkoseärzten und Operateuren regelmäßig so gestaltet, „dass der Patient dann, wenn er nach der Operation auf die normale Krankenstation zurückgelangt, von dem Anästhesisten wieder in die Obhut der jeweiligen Operationsärzte entlassen wird“. Die Rücknahme des Patienten auf die Krankenstation bedeutet jedoch „nicht ohne weiteres, dass nunmehr stets der dortige Stationsarzt sofort wieder für die Medikation zuständig wird. Vielmehr wird in der Regel vom Anästhesisten angeordnet, welche Medikamente der Patient im Anschluss an die Operation erhalten soll“.

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