hatte sich erstmals ein sehr lebhafter und so bisher nur in anderen Jurisdiktionen, insbesondere Südostasien und den USA, bekannter Sekundärmarkt für Kredite gebildet, der vor allem gekennzeichnet war durch große und für die öffentliche Wahrnehmung spektakuläre Portfoliotransaktionen von notleidenden/Non Performing Loans (NPLs), oft auch unter Einbeziehung von Sub Performing sowie Performing Loans. Die in diesem Zusammenhang stehenden zahlreichen regulatorischen, aufsichtsrechtlichen und auch bankrechtlichen Fragestellungen führten zu einer intensiven öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion der Thematik.1 Die deutschen Banken wurden dabei von der massiven NPL-Welle, der sie plötzlich gegenüberstanden, teilweise überrascht. Eine wichtige Rolle bei der Wahrnehmung dieser neuen Situation spielten dabei Studien, die das Gesamtvolumen der faulen Kredite in den Bilanzen von EUR 120 Mrd. bis über EUR 300 Mrd. (EY) schätzten. Zahlreiche Institute, darunter nicht zuletzt auch Sparkassen und andere Regionalbanken, entschieden sich deshalb dafür, signifikante NPL- Bestände an spezialisierte Investoren zu veräußern, wobei insbesondere der amerikanische Hedge Fonds Lonestar öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog.2 Lonestar erwarb in diesem Zeitraum zahlreiche Portfolien von deutschen Instituten, darunter auch Sparkassen, wobei ihm seine langjährigen Erfahrungen mit der Schuldenkrise in den USA sowie in Südostasien in den 1980er/1990er Jahren zugutekamen. Das jährliche Handelsvolumen von Kreditportfolien lag Mitte der 2000er Jahre nach damaligen Schätzungen regelmäßig im zweistelligen Milliardenbereich.
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Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung entstanden dann zahlreiche Initiativen, insbesondere der Bankenverbände, um ihre Mitglieder bei Kreditverkäufen sowie Outsourcingprozessen zu unterstützen und dafür standardisierte Prozesse zu entwickeln, die es kleineren Instituten, insbesondere Regionalbanken, ermöglichen sollten, kosten- und zeiteffizient solche Risikotransfers bei Bedarf durchzuführen.3 Naturgemäß konnten sich aber solche Initiativen – beispielhaft ist dafür etwa der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband – im Markt nicht durchsetzen, da sie nicht von einem breiteren Konsens aller Banken beziehungsweise Bankeninteressenvertreter sowie darüber hinaus der Marktgegenseite, den Investoren, Servicern, Beratern sowie nicht zuletzt den Refinanzierern mitgetragen wurde.
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Dies war dann der Moment, wo unabhängige, nicht profitorientierte Standardisierungsplattformen aus anderen Jurisdiktionen, wie etwa die Loan Market Association (LMA), die Loan Syndications and Trading Association (LSTA) und die Asia Pacific Loan Market Association (APLMA) in das Interesse der Marktteilnehmer rückten.4 Da das UK zum Zeitpunkt dieser Diskussion Mitglied der EU und der Brexit nicht einmal in Ansätzen erkennbar war, lag es insoweit nahe, eine institutionelle Ausdehnung der LMA auf den Kontinent mit den Verantwortlichen zu diskutieren. Als dies nicht auf Interesse stieß, fanden sich Vertreter der drei Säulen des deutschen Bankensystems, Investoren, Servicer und Berater, Anfang 2010 in ersten informellen Arbeitsgruppen zusammen, um die Gründung einer deutschen Kreditmarktstandardisierungsplattform vorzubereiten.5 Die Ergebnisse der verschiedenen Arbeitsgruppen wurden dann erstmals auf dem NPL-Forum der Frankfurt School im Mai 2010 unter dem Titel: „Deutsche Vertragsstandards für Kredithandelstransaktionen?“ der Fachöffentlichkeit präsentiert und fanden schnell zahlreiche Unterstützer.6
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Aus den informellen Arbeitsgruppen bildeten sich dann mehrere Workshops und die Konzeption wurde schließlich weiter geschärft und im folgenden Jahr noch einmal auf dem NPL-Forum 2011 vorgetragen. Als Ergebnis entstand dann im Oktober 2011 der Verein Deutsche Kreditmarkt-Standards e.V., Gründungsmitglieder waren die Commerzbank, die Coreal Kreditbank, der Frankfurt School Verlag, die Deutsche Pfandbriefbank (PBB), die Kanzlei Mayer Brown LLP, The Debt Exchange sowie die Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing e.V. (BKS). Der gemeinnützige Verein wurde dabei bewusst als Non-Governmental Organisation (NGO) aufgestellt und strebt seit seiner Gründung an, möglichst viele Marktteilnehmer, aber auch Berater sowie weitere Stakeholder entweder als Mitglieder oder als Teilnehmer seiner verschiedenen Workshops und Plattformen zu gewinnen. Die Vernetzung mit dem wissenschaftlichen Diskurs erfolgt dabei durch den Beirat, für den führende Hochschullehrer gewonnen werden konnten. Die DKS ist damit – genauso wie die LMA oder die LSTA – eine bewusst offene Organisation sowie Plattform, die sich einer breiten verbandsinternen, aber auch einer darüber hinausgehenden Diskussion öffnen und stellen möchte, denn nur so ist es möglich, ähnlich konsensfähige Standards zu entwickeln, wie es den bereits im angloamerikanischen und asiatischen Kreditmarkt existierenden Organisationen gelungen ist. Deshalb stehen die meisten DKS-Veranstaltungen bis heute allen interessierten Teilnehmern weit über den Mitgliederkreis hinaus offen und dies wird gerne angenommen. Als Ergebnis des Gründungsprozesses wurden schließlich die ersten vier institutionalisieren Arbeitsgruppen mit den Schwerpunkten:
– Privatkunden/Consumer/Portfoliotransaktionen
– Firmenkunden/Single Names/immobiliengesichert und nicht immobiliengesichert
– Real Estate
– Konsortialkredite/LBO Finanzierungen
gebildet. Diese Arbeitsgruppen waren der Nukleus der heute bestehenden vielfältigen Arbeitsbereiche und der Workshops.
1 Siehe dazu aus der Perspektive 2000er Jahre: Schalast, BKR 2006, 193ff. sowie umfassend Köchling/Schalast (Hrsg.), Grundlagen des NPL Geschäfts, die erste Auflage erschien 2013, die dritte Auflage nunmehr 2021. 2 Köchling, in: Schalast/Köchling, Grundlagen des NPL Geschäfts, 1. Aufl., S. 22ff.; Schalast/Safran/Sassenberg, Bankgeheimnis und Notwehrrecht bei unrichtiger Medienberichterstattung über Kreditverkäufe, BetriebsBerater 22/2008, S. 1126ff. 3 Siehe Schalast/Keibel, Standards und Vertragsmuster für Kredittransaktionen – Warum wir eine Loan Markt Association benötigen, S. 147ff. in: Schalast/Keibel, NPL Jahrbuch 2011/2012, S. 147ff. 4 Loan Market Association, https://www.lma.eu.com/ (zuletzt abgerufen am 31.8.2021); Loan Syndications and Trading Association, https://www.lsta.org/ (zuletzt abgerufen am 31.8.2021); Asia Pacific Loan Market Association https://www.aplma.com/ (zuletzt abge rufen am 31.8.2021). 5 Die folgende Darstellung ist angelehnt an dem vom Autor verfassten Abschnitt von Schalast/Keibel, Standards und Vertragsmuster für Kredittransaktionen/Warum wir eine Loan Markt Association benötigen?, in: Schalast/Keibel (Hrsg.), NPL Jahrbuch 2011/2012, S. 137ff. 6 Der Vortrag von Christoph Schalast, Simon Grieser und Jörg Wulfken auf dem NPL-Forum 2010 wurde unter diesem Titel auch im NPL Jahrbuch 2010/2011 (herausgegeben von Schalast/Keibel), S. 129ff. veröffentlicht.
II. Was uns inspiriert hat: LMA, LSTA und Co.
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Wie eingangs dargestellt, war die Gründung der DKS insbesondere durch den dynamischen deutschen NPL-Markt in den 2000er Jahren geprägt. Nichtsdestotrotz gab es für die Initiative bereits damals eine Reihe von internationalen Vorbildern. Vorrangig ist an dieser Stelle die LMA mit Sitz in London (Gründung 1996) zu nennen, die ursprünglich auf syndizierte Kredite fokussiert war und damit eine Standardisierung nicht nur im Sekundärmarkt sondern auch im Primärmarkt anstrebt. Ihr Fokus war und ist insoweit nicht auf den NPL/Distressed Debt Bereich fokussiert, aber dieser wurde von ihr ebenfalls bearbeitet. Der LMA gehören heute mehr als 600 Mitglieder an, insbesondere Kredit- und Finanzinstitute, Investoren und nicht zuletzt führende international ausgerichtete Anwaltskanzleien mit Schwerpunkt im Bank- und Kreditrecht. Besonders geprägt wurde dabei die Entstehung der LMA durch die internationale Kanzlei Clifford Chance sowie die Bank of England.7 Damit entstand sie zwar etwas später als ihr amerikanisches Pendant LSTA, allerdings hat sie den europäischen Kreditmarkt sowie zahlreiche angrenzende Bereiche seitdem maßgeblich mitgeprägt. Offen ist allerdings, ob aus heutiger Sicht dies nach dem Brexit weiter darstellbar und relevant ist. Vorbild der LMA war zum Zeitpunkt ihrer Entstehung die US-amerikanische LSTA, die ebenfalls als eine NGO gegründet wurde mit dem Ziel, Standards, Marktpraxis