Lachen ist so seltsam, so – ach! Es ist unbeschreiblich. Ich kann nicht atmen. Ich flüchte weiter und muss immer wieder nach wenigen Schritten Atem holen. Und dieses spöttische Lachen verfolgt mich durch die düsteren Laubgänge, über die hellen Rasenplätze. Ich finde den Weg nicht mehr, ich irre umher. Kalte Tropfen glänzen auf der Stirne.
Endlich bleibe ich stehen und halte einen kurzen Monolog.
Er lautet – nun – man ist ja immer sich selbst gegenüber entweder sehr artig oder sehr grob.
Ich sage also zu mir: Esel!
Dieses Wort übt eine großartige Wirkung, gleich einer Zauberformel, die mich erlöst und zu mir bringt.
Ich bin im Augenblick ruhig.
Vergnügt wiederhole ich: Esel!
Ich sehe nun wieder alles klar und deutlich. Da ist der Springbrunnen, dort die Allee von Buchsbaum, dort das Haus, auf das ich jetzt langsam zugehe.
Da – plötzlich noch einmal – hinter der grünen, vom Mondlicht durchleuchteten, gleichsam in Silber gestickten Wand, die weiße Gestalt, das schöne Weib von Stein. Ich fürchte es. Ich fliehe.
Mit ein paar Sätzen bin ich im Haus und hole Atem und denke nach.
Nun, was bin ich jetzt eigentlich, ein kleiner Dilettant oder ein großer Esel? Ein schwüler Morgen. Die Luft ist matt, stark gewürzt, aufregend. Ich sitze wieder in meiner Laube und lese in der Odyssee von der reizenden Hexe, die ihre Anbeter in Bestien verwandelt. Köstliches Bild der antiken Liebe.
In den Zweigen und Halmen rauscht es leise und die Blätter von meinem Buch rauschen und auf der Terrasse rauscht es auch.
Ein Frauengewand – Da ist sie – Venus – aber ohne Pelz – nein, diesmal ist es die Witwe – und doch – Venus – oh! welch ein Weib!
Wie sie da steht im leichten, weißen Morgengewande und auf mich blickt, wie poetisch und anmutig zugleich erscheint ihre feine Gestalt. Sie ist nicht groß, aber auch nicht klein, und der Kopf, mehr reizend, pikant – im Sinne der Französischen Marquisenzeit – als streng schön, aber doch wie bezaubernd. Welche Weichheit, welcher holde Mutwille. Nicht zu kleinen Mund – die Haut ist so unendlich zart, dass überall die blauen Adern durchschimmern, auch durch den Mousselin, welcher Arm und Busen bedeckt. Wie üppig ringelt sich das rote Haar – ja, es ist rot – nicht blond oder goldig – wie dämonisch und doch lieblich spielt es um ihren Nacken. Und jetzt treffen mich ihre Augen wie grüne Blitze. Ja, sie sind grün, diese Augen, deren sanfte Gewalt unbeschreiblich ist. Grün, aber so wie es Edelsteine, wie es tiefe, unergründliche Bergseen sind.
Sie bemerkt meine Verwirrung. Das macht mich sogar unartig, denn ich blieb sitzen und habe noch meine Mütze auf dem Kopf. Sie lächelt schelmisch. Ich erhebe mich endlich und grüße sie. Sie kommt näher und bricht in ein lautes, beinahe kindliches Lachen aus. Ich stottere, wie nur ein kleiner Dilettant oder großer Esel in einem solchen Augenblick stottern kann.
So machen wir unsere Bekanntschaft.
Die Göttin fragt um meinen Namen und nennt mir den ihren. Sie heißt Wanda von Dunajew.
Und sie ist wirklich meine Venus.
«Aber Madame, wie kamen Sie auf den Einfall?»
«Durch das kleine Bild, das in einem Ihrer Bücher lag —»
«Ich habe es vergessen.»
«Die seltsamen Bemerkungen auf der Rückseite —»
«Warum seltsam?»
Sie sah mich an. «Ich habe immer den Wunsch gehabt, einmal einen ordentlichen Phantasten kennenzulernen. Die Abwechslung. Nun, Sie scheinen mir nach allem einer der tollsten.»
«Meine Gnädige – in der Tat —» wieder das eselhafte Stottern und nochdazu ein Erröten, wie es für einen jungen Menschen von sechzehn Jahren wohl passen mag. Aber für mich, der beinahe volle zehn Jahre älter -
«Sie haben sich heute Nacht vor mir gefürchtet.»
«Eigentlich – allerdings – aber wollen Sie sich nicht setzen?»
Sie nahm Platz und bewunderte meine Angst. Denn ich fürchtete mich jetzt, bei hellem Tageslicht, noch mehr vor ihr. Ein reizender Hohn zuckte um ihre Oberlippe.
«Sie sehen die Liebe und vor allem das Weib», begann sie, «als etwas Feindseliges an. Etwas, wogegen Sie, wenn auch vergebens Gewalt Sie aber als eine süße Qual, eine Grausamkeit fühlen. Eine echt moderne Anschauung.»
«Sie teilen sie nicht.»
«Ich teile sie nicht», sprach sie rasch und schüttelte den Kopf, dass ihre Locken wie rote Flammen emporschlugen.
«Mir ist die heitere Sinnlichkeit von der Freude ohne Schmerz – ein Ideal. Ich strebe es in meinem Leben zu verwirklichen. Denn an jene Liebe, welche das Christentum, welche die Modernen, die Ritter vom Geiste predigen, glaube ich nicht. Ja, sehen Sie mich nur an, ich bin weit schlimmer als eine Ketzerin, ich bin eine Heidin.
›Glaubst du, wie lange die Göttin der Liebe nachgedacht hat, als ihr eines Tages im Idäischen Anchises[19] gefiel?‹
Diese Verse aus Goethes römischer Elegie haben mich sehr entzückt. In der Natur liegt nur Liebe der herrischen Zeit, ›da Götter und Göttinnen liebten‹. Damals ›folgte Begierde dem Blick, folgte Genuss der Begier‹.
Alles andere ist gemacht und affektiert. Das Kreuz, ein grausames Emblem, vom Christentum hat etwas Entsetzliches für mich. Der Kampf des Geistes mit der sinnlichen Welt ist das Evangelium der Modernen. Ich will keinen Teil daran.»
«Ja, Ihr Platz wäre im Olymp, Madame», sagte ich. «Aber wir Modernen dulden einmal die antike Heiterkeit nicht. Am wenigsten in der Liebe. Die Idee, ein Weib mit anderen zu teilen empört uns. Wir sind eifersüchtig wie unser Gott. So ist der Name der herrlichen Phryne bei uns zu einem Schimpfwort geworden. Wir ziehen eine dürftige, blasse Jungfrau, die uns allein gehört, einer antiken Venus vor, wenn sie noch so göttlich schön ist. Aber heute den Anchises, morgen den Paris, übermorgen den Adonis liebt. Wenn die Natur in uns triumphiert, wenn wir uns in glühender Leidenschaft einem solchen Weibe hingeben, erscheint uns heitere Lebenslust als Dämonie, als Grausamkeit. Wir sehen in unserer Seligkeit eine Sünde, die wir büßen müssen.»
«Also auch Sie schwärmen für die moderne Frau, für ein armes, hysterisches Weib, das im Jagen nach einem männlichen Ideal den besten Mann nicht schätzt. Unter Tränen und Krämpfen verletzen Sie täglich Ihre christlichen Pflichten, betrügend und betrogen. Immer wieder suchen und wählen und verwerfen. Nie glücklich sind, nie glücklich machen und das Schicksal anklagen, statt ruhig zu gestehen: ich will lieben und leben, wie Helena und Aspasia gelebt haben. Die Natur kennt keine Dauer in dem Verhältnis von Mann und Weib.»
«Gnädige Frau —»
«Lassen Sie mich ausreden. Es ist nur der Egoismus von einem Mann, der das Weib wie einen Schatz vergraben will. Alle Versuche, durch heilige Zeremonien und Eide sind gescheitert. Können Sie leugnen, dass unsere christliche Welt in Fäulnis übergegangen ist?»
«Aber —»
«Aber der einzelne, der sich gegen die Einrichtungen von der Gesellschaft empört, wird ausgestoßen, wollen Sie sagen. Nun gut. Ich wage es, meine Grundsätze sind recht heidnisch. Ich will mein Dasein ausleben. Ich verzichte auf euren Respekt. Ich ziehe es vor, glücklich zu sein. Die Erfinder von der christlichen Ehe haben gut daran getan, auch gleich dazu die Unsterblichkeit zu erfinden. Ich denke nicht daran, ewig zu leben. Was habe ich davon, ob mein reiner Geist in den Chören der Engel mitsingt? Sobald ich aber, so wie ich bin, nicht fortlebe, aus welcher Rücksicht soll ich dann entsagen? Einem Mann angehören, den ich nicht liebe. Bloß deshalb, weil ich ihn einmal geliebt habe? Nein, ich entsage nicht. Ich liebe jeden, der mir gefällt, und mache jeden glücklich, der mich liebt. Ist das häßlich? Nein, es ist mindestens weit schöner, als wenn ich mich grausam der Qualen freue, die meine Reize erregen. Ich kehre mich tugendhaft von dem Armen, der um mich verschmachtet. Ich bin jung, reich und schön, und so, wie ich bin, lebe