Леопольд фон Захер-Мазох

Венера в мехах. Уровень 3 / Venus im Pelz


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Ehrlichkeit», sagte ich, «entzückt mich, und nicht diese allein —» Wieder der verdammte Dilettantismus, der mir den Hals mit einem Hemmseil zuschnürt.

      «Was wollten Sie doch sagen…»

      «Was ich sagen wollte – ja, ich wollte – vergeben Sie – meine Gnädige – ich habe Sie unterbrochen.»

      «Wie?»

      Eine lange Pause. Sie hält einen Monolog, der, in meine Sprache übersetzt, sich in das einzige Wort «Esel» zusammenfassen lässt[20].

      «Wenn Sie erlauben, gnädige Frau», begann ich endlich, «wie sind Sie zu diesen – zu diesen Ideen gekommen?»

      «Sehr einfach, mein Vater war ein vernünftiger Mann. Ich war von der Wiege an mit Abgüssen antiker Bildwerke umgeben. Ich las mit zehn Jahren den Gil Blas, mit zwölf die Pucelle. Wie andere in ihrer Kindheit den Däumling, Blaubart, Aschenbrödel, nannte ich Venus und Apollo, Herkules und Laokoon meine Freunde. Mein Gatte war eine heitere, sonnige Natur. Nicht einmal das unheilbare Leiden konnte seine Stirne jemals für die Dauer trüben. Noch die Nacht vor dem Tod nahm er mich in sein Bett und während der vielen Monate, wo er sterbend in seinem Rollsessel lag, sagte er öfter scherzend zu mir: ›Nun, hast du schon einen Anbeter?‹ Ich wurde schamrot. ›Betrüge mich nicht‹, fügte er einmal hinzu, ›das fände ich häßlich, aber suche dir einen hübschen Mann aus, oder lieber gleich mehrere. Du bist ein braves Weib, aber dabei noch ein halbes Kind, du brauchst Spielzeug.‹ Es ist wohl nicht nötig, Ihnen zu sagen, dass ich, solange er lebte, keinen Anbeter hatte, aber genug. Er erzog mich zu dem, was ich bin, zu einer Griechin.»

      «Zu einer Göttin», fiel ich ein.

      Sie lächelte. «Zu welcher etwa?»

      «Zu einer Venus.»

      Sie drohte mit dem Finger und zog die Brauen zusammen. «Am Ende gar zu einer ›Venus im Pelz‹, warten Sie nur. Ich habe einen großen, großen Pelz, mit dem ich Sie ganz zudecken kann, ich will Sie darin fangen, wie in einem Netz.»

      «Glauben Sie auch», sagte ich rasch, denn mir kam etwas in den Sinn, was ich für einen sehr guten Gedanken hielt. «Glauben Sie, dass Ihre Ideen sich in unserer Zeit durchführen lassen, dass Venus ungestraft in ihrer Schönheit und Heiterkeit unter Eisenbahnen und Telegraphen wandeln dürfte?»

      «Unverhüllt gewiss nicht, aber im Pelz», rief sie lachend, «wollen Sie den meinen sehen?»

      «Und dann —»

      «Was dann?»

      «Schöne, freie, heitere und glückliche Menschen sind nur dann möglich, wenn sie Sklaven haben. Sie verrichten für sie die unpoetischen Geschäfte vom täglichen Leben und vor allem für sie arbeiten.»

      «Gewiss», antwortete sie mutwillig, «vor allem braucht aber eine olympische Göttin, wie ich, ein ganzes Heer von Sklaven. Hüten Sie sich also vor mir.»

      «Warum?»

      Ich erschrak selbst über die Kühnheit, mit der ich dieses «Warum» herausgebracht hatte. Sie erschrak durchaus nicht. Sie zog die Lippen etwas empor, so dass die kleinen, weißen Zähne sichtbar waren. Sie sprach dann leicht, als handle es sich um etwas, was nicht der Rede wert war: «Wollen Sie mein Sklave sein?»

      «In der Liebe gibt es kein Nebeneinander», erwiderte ich ernsthaft, «sobald ich aber die Wahl habe, zu herrschen, scheint es mir weit reizender, der Sklave von einem schönen Weib zu sein. Aber wo finde ich das Weib, das nicht mit kleinlicher Zanksucht Einfluss zu erringen, sondern ruhig und selbstbewusst, ja streng zu herrschen versteht?[21]»

      «Nun, das wäre am Ende nicht so schwer.»

      «Sie glauben —»

      «Ich – zum Beispiel —» sie lachte – «ich habe Talent zur Despotin – die nötigen Pelze besitze ich auch. Aber Sie haben sich heute Nacht in allem Ernste vor mir gefürchtet!»

      «In allem Ernste.»

      «Und jetzt?»

      «Jetzt – jetzt fürchte ich mich erst recht vor Ihnen!»

      Wir sind täglich beisammen. Ich und – Venus, Viel beisammen. Wir nehmen das Frühstück in meiner Laube und den Tee in ihrem kleinen Salon. Ich habe Gelegenheit, alle meine kleinen, sehr kleinen Talente zu entfalten. Wozu hätte ich mich in allen Wissenschaften unterrichtet, wenn ich nicht imstande wäre, ein kleines hübsches Weib… Aber dieses Weib ist durchaus nicht so klein. Heute zeichnete ich sie. Da fühlte ich erst so recht deutlich, wie wenig unsere moderne Toilette für diesen Kopf passt. Sie hat wenig Römisches, aber viel Griechisches in der Bildung von ihren Zügen. Bald möchte ich sie als Psyche, bald als Astarte malen. Je nachdem ihre Augen den schwärmerisch seelischen, oder halb verschmachtenden, müde wollüstigen Ausdruck haben. Aber sie wünscht, dass es ein Porträt werden soll.

      Nun, ich werde ihr einen Pelz geben.

      Ach! wie konnte ich nur zweifeln. Für wen gehört ein fürstlicher Pelz, wenn nicht für sie?

      Ich war gestern Abend bei ihr und las ihr die römischen Elegien. Dann legte ich das Buch weg und sprach einiges aus dem Kopf. Sie schien zufrieden, ja noch mehr. Sie hing förmlich an meinen Lippen und ihr Busen flog.

      Oder habe ich mich getäuscht?

      Der Regen pochte melancholisch an die Scheiben. Das Feuer am Kamin prasselte winterlich traulich. Mir war so heimatlich bei ihr. Ich hatte einen Augenblick allen Respekt vor dem schönen Weib verloren und küßte ihre Hand. Sie ließ es geschehen.

      Dann saß ich zu ihren Füßen und las ihr ein kleines Gedicht, das ich für sie gemacht habe.

Venus im Pelz

      «Setz’ den Fuß auf deinen Sklaven,

      Teuflisch holdes Mythenweib,

      Unter Myrten und Agaven

      Hingestreckt den Marmorleib.»

      Ja – nun weiter! Diesmal bin ich wirklich über die erste Strophe hinausgekommen. Aber ich habe ihr an jenem Abend das Gedicht auf ihren Befehl gegeben und habe keine Abschrift. Heute, wo ich dies aus meinem Tagebuch herausschreibe, fällt mir nur diese erste Strophe ein.

      Es ist eine merkwürdige Empfindung, die ich habe. Ich glaube nicht, dass ich in Wanda verliebt bin. Wenigstens habe ich bei unserer ersten Begegnung nichts von jenem blitzartigen Zünden von der Leidenschaft gefühlt. Aber ich empfinde, ihre außerordentliche, wahrhaft göttliche Schönheit legt allmählich magische Schlingen um mich. Es ist auch keine Neigung vom Gemüt. Es ist eine physische Unterwerfung, langsam, aber um so vollständiger. Ich leide täglich mehr. Und sie – sie lächelt nur dazu.

      Heute sagte sie mir plötzlich, ohne jede Veranlassung: «Sie interessieren mich. Die meisten Männer sind so gewöhnlich, ohne Schwung, ohne Poesie. In Ihnen ist eine gewisse Tiefe und Begeisterung, vor allem ein Ernst, der mir wohltut. Ich könnte Sie liebgewinnen.»

      Nach einem kurzen, aber heftigen Gewitterregen besuchen wir zusammen die Wiese und das Venusbild. Die Erde dampft ringsum. Nebel steigen wie Opferdünste gegen den Himmel. Ein zerstückter Regenbogen schwebt in der Luft. Wir können die Wiese nicht überschreiten, denn sie ist noch ganz nass. Wanda freute sich des lieblichen Anblicks. Da auf den Bänken in der Allee noch das Wasser steht, stützt sie sich, um etwas auszuruhen, auf meinen Arm. Eine süße Müdigkeit liegt in ihrem ganzen Wesen. Ihre Augen sind halb geschlossen. Ihr Atem streift meine Wange.

      Ich ergreife ihre Hand. Und – wie es mir gelingt, weiß ich wahrhaftig nicht – ich frage sie:

      «Könnten Sie mich lieben?»

      «Warum nicht», antwortet sie. Sie lässt ihren ruhigen, sonnigen Blick auf mir ruhen, aber nicht lange.

      Im nächsten Augenblicke knie ich vor ihr und presse mein flammendes Antlitz in den duftigen Mousselin ihrer Robe.

      «Aber Severin – das ist ja unanständig!» ruft sie.

      Ich