Franziska Gehm

Die Vampirschwestern – Eine Freundin zum Anbeißen


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einen neugierigen Zuschauer. Doch die Tepes waren zu beschäftigt, um ihn wahrzunehmen. Im Reihenhaus Nummer 24, direkt gegenüber von den Tepes, kam ein etwa vierjähriger Junge an den Zaun gelaufen. „Badewanne!“, rief er und zeigte mit dem Babyspeckfinger auf den Sarg.

      Elvira Tepes lächelte und winkte dem Jungen mit einer Klobrille in der Hand zu.

      Der kleine Junge runzelte die Stirn. Dann lief er wieder hinter das Haus.

      „Nette Nachbarn“, fand Frau Tepes. Sie winkte auch dem Mann im weißen Unterhemd und der Frau mit den abgeknabberten Fingernägeln zu, die sich daraufhin abwendeten und beschäftigt taten. Der Hund legte den Kopf schräg und beobachtete die Einzugsgesellschaft weiter neugierig.

      Eine gute Stunde später war der Lieferwagen leer und das Reihenhaus voller Möbel, Kisten und Umzugskartons. Der Transport de mobilá verabschiedete sich mit drei schwarzen Abgashustern aus dem Lindenweg. Der scheckige Hund bellte ihm nach.

      „Ist das nicht toll? Ist das nicht herrlich? Ist das nicht wunderbar?“ Frau Tepes tänzelte vom Flur in die Küche und fuhr mit den Fingern über den glänzenden neuen Herd. „Seht euch das an“, forderte sie Daka und Silvania auf, die in den Umzugskartons im Flur nach ihren Sachen kramten. „Alles ist neu, alles funktioniert, und alles ist so schön sauber!“ Frau Tepes schwebte vom Flur ins Wohnzimmer und – „AAAHHH!“ – stieß einen Schrei aus.

      Daka und Silvania stürmten ins Wohnzimmer. Herr Tepes stand mit einem großen braunen Plastiksack in der Mitte und verteilte auf dem cremeweißen Teppich tiefbraune Erde.

      „Was machst du da?“ Frau Tepes’ Gesicht war teppichweiß.

      Herr Tepes sah auf und zuckte die Schultern. „Heimaterde verteilen, was denn sonst?“

      Daka unterdrückte ein Kichern, Silvania verdrehte die Augen, Frau Tepes seufzte. „Mihai, bitte“, begann Frau Tepes. „Wir hatten das doch alles besprochen – keine Heimaterde, keinen Sarg, keine Rennzecken und keine Blutkonserven in der neuen Wohnung.“ Sie deutete mit spitzem Finger auf die kleine Treppe, die zum Keller führte.

      „Du meinst es also ernst? Ich soll in den Keller?“

      „Wir sind nicht mehr in Bistrien, wo sich jeder einen Schuss Blut in den Kaffee kippt und alle mit den letzten Sonnenstrahlen aufstehen. Du kannst hier nicht einfach so in der Gegend herumfliegen. Und ihr auch nicht“, sagte Frau Tepes an Daka und Silvania gewandt.

      „Das hatte ich auch nicht vor“, erwiderte Silvania und zupfte an ihrem Ohrläppchen.

      Herr Tepes drückte den Rücken durch. „Ich stamme aus dem ältesten Vampirgeschlecht der Welt, und ein Vampir braucht nun mal Heimaterde und einen Sarg.“

      „Ich weiß. Aber wenn hier jemand einen Sarg und Erde in unserem Wohnzimmer sieht, landen wir entweder bei der Polizei oder in der Irrenanstalt.“

      „Und wenn schon. Da kommen wir wieder raus.“

      „Mihai, bitte! Du bringst nicht nur dich, sondern auch deine Kinder in Gefahr. Du weißt doch selbst, dass früher nicht nur Vampire Menschen gejagt haben, sondern auch Menschen Vampire.“

      „Einige Vampire jagen heute noch Menschen.“ Mihai Tepes schnalzte mit der Zunge.

      „Na, siehst du. Und einige Menschen jagen heute noch Vampire. Es ist besser, wenn hier niemand erst erfährt, dass Vampire eingezogen sind. Wir wollen doch niemanden verschrecken, oder?“

      „Ja, aber …“

      „Der Keller ist schön geräumig“, bemerkte Frau Tepes.

      Daka und Silvania wechselten schnell einen Blick, während ihre Eltern sich die Argumente wie Pingpongbälle zuwarfen. Daka deutete nach oben. Zeit, die Fliege zu machen.

      In der oberen Etage gab es vier Zimmer: ein Schlafzimmer, ein kleines Badezimmer, Silvanias Zimmer und Dakas Zimmer. Silvania hatte sich das kleinere Zimmer ausgesucht, dafür konnte man von dort aus die Reihenhaussiedlung überblicken. Von Dakas Fenster aus blickte man auf ein Feld und einen kleinen Wald.

      Als Silvania die Tür zu ihrem Zimmer aufstieß, ließ sie vor Entsetzen beinahe ihr Cello fallen. „MAMAAA!!!“

      Daka steckte den Kopf ins Zimmer. „Schlotz zoppo!“

      Das Zimmer war voller Klobrillen.

      „Was ist passiert?“ Frau Tepes hastete mit Herrn Tepes im Schlepptau die Treppe hoch.

      „DAS!“ Silvania deutete mit zitterndem Zeigefinger auf die Klobrillen.

      Frau Tepes kratzte sich hinter dem Ohr. „Ach ja, das habe ich ganz vergessen zu erwähnen. Stellt euch vor: Ich habe in Bistrien beim Werksverkauf noch ein paar Klobrillen günstig erstanden.“

      „Du hattest doch schon fünfzig“, sagte Daka.

      „Wie viele? Wie viele hast du noch gekauft?“ Silvanias Stimme war tief und ihr Blick dunkel.

      Frau Tepes zuckte die Schultern. „Ab hundert Stück bekommt man Mengenrabatt.“

      „Das heißt, wir haben hundertfünfzig Klobrillen in der Wohnung?“ Silvania sah ihre Mutter verzweifelt an.

      „Genau genommen zweihundertfünfzig.“ Sie lächelte kurz.

      Silvania hingegen seufzte. In den zwölf Jahren ihres halbvampirischen Lebens hatte sie keinen Menschen (geschweige denn einen Vampir) kennengelernt, der so an einem Traum festhielt wie ihre Mutter. Frau Tepes war Künstlerin. Seit Jahren träumte sie von ihrem eigenen Klobrillenladen. Sie hatte die Geschäftsidee, Klobrillen für ästhetisch anspruchsvolle Kunden individuell zu gestalten. Im Dorf in Siebenbürgen, wo die meisten Einwohner wie ihre Vampirvorfahren am liebsten in der Natur ihr Geschäft verrichteten, floppte die Idee. Hier in Bindburg wollte es ihre Mutter noch einmal versuchen – aber musste sie ihre Klobrillensammlung deshalb in Silvanias Zimmer lagern? Silvania wusste, was das bedeutete: ein gemeinsames Zimmer für die Zwillinge.

      „Gleich morgen fahre ich ins Stadtzentrum und sehe mich nach einem Laden um“, versprach Elvira Tepes beim Abendessen. „Kommt doch mit, das wird bestimmt spannend“, versuchte sie ihre Töchter aufzumuntern.

      Doch die Stimmung war im Keller. Dort, wo Mihai Tepes nach langer Diskussion samt Sarg, Heimaterde und Orgel eingezogen war. Im Wohnzimmer blieb als Kompromiss ein katzenkloähnlicher Behälter mit transsilvanischer Erde zurück.

      Eine schlaflose Nacht

      Fumpfs!“, stöhnte Daka. „Ich kann nicht schlafen.“ Sie drehte sich zum x-ten Mal in ihrem Bett von einer Seite auf die andere. Dabei wackelte und quietschte das Bett, das wie eine Schiffsschaukel aussah. Oder wie ein bunter Sarg, der mit vier Ketten an den Ecken in einem Metallgestell hing. Auf Dakas schwarze Bettwäsche waren lauter kleine weiße, fette Larven gedruckt. Daka stopfte sich ihr Kissen unter den Kopf, das die Form einer riesengroßen Spinne hatte.

      Die Schwestern hatten am Nachmittag jeweils eine Zimmerhälfte bezogen. Ihre Eltern hatten ihnen mit den Möbeln geholfen, dann hatten sie die Zwillinge lieber allein gelassen. Wie ein explosives, unsichtbares Gas lag Ärger in der Luft. Schweigend hatten die Schwestern ihre Schränke eingeräumt. Als Daka quer durch den Raum an der Decke eine Metallkette aufhängen wollte – zum Abhängen –, hatte Silvania protestiert. Schließlich verletzte Daka damit Silvanias Hoheitsgebiet und drang in ihre Zimmerhälfte ein. Erst bestand Daka darauf, dass es trotz allem ihr Zimmer war. Obwohl beiden Schwestern klar war, dass es Monate dauern könnte, bis die Klobrillen aus Silvanias Zimmer verschwunden waren. Dann bot Daka ihrer Schwester einen Deal an: Silvania durfte ihren alten, vertrockneten Baum, den sie als Hutständer benutzte und für den sie wegen all der Bücherregale, Schmuckkommoden und Klamottenschränke keinen Platz mehr auf ihrer Hälfte hatte, in Dakas Zimmerhälfte abstellen, wenn sie dafür die Kette aufhängen durfte. So einigten sich die Schwestern. Daka hängte die Kette auf und Silvania stellte den Hutständerbaum in Dakas Zimmerhälfte ab.

      Dann hatten sie ihr Gebiet markiert. Daka hatte über ihrem Bett ein Poster von Krypton Krax, ihrer transsilvanischen Lieblingsband, aufgehängt. Silvania hatte einen Strauß getrockneter Rosen