Franziska Gehm

Die Vampirschwestern – Eine Freundin zum Anbeißen


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Tepes.“ Eine zierliche, rothaarige Frau schob sich vor den Schnauzträger und reichte Dirk van Kombast die Hand. „Unsere Töchter: Silvania und Dakaria.“

      Silvania lächelte und machte einen Knicks. Daka sah Dirk van Kombast durch die langen schwarzen Ponysträhnen hindurch an und zog eine Seite der Oberlippe hoch.

      Dirk van Kombast fasste sich an den Kopf. Die Kopfnuss war kräftig gewesen – und vollkommen unerklärlich. Was war diesem Herrn Tepes nur in den Sinn gekommen? Das waren also die neuen Nachbarn, wegen denen er in der Nacht kaum ein Auge zubekommen hatte. „Ach, wie nett. Die neuen Nachbarn!“ Er musterte Elvira Tepes mit Kennerblick, bis sich Herr Tepes vor seine Frau schob.

      „Wir freuen uns auf eine gute, lange und herzliche Nachbarschaft.“ Herr Tepes reichte Dirk van Kombast eine Flasche.

      „Was ist das?“

      „Karpovka. Der beste transsilvanische Schnaps.“

      „Nein, ich meine das da.“ Dirk van Kombast zeigte auf einen grüngelben Kringel am Boden der Flasche.

      „Das ist die Spezialität.“ Herr Tepes strahlte. „Eine Afterraupe. Die gibt dem Karpovka den unverkennbaren Geschmack. Wollen wir gleich mal ein Gläschen … so zum Kennenlernen?“

      „Äh … ich trinke nie am Vormittag. Und am Nachmittag eigentlich auch nicht.“

      „Na, dann vielleicht mal am Abend, was?“

      „Sie können auch gerne zum Kaffee zu uns kommen“, warf Frau Tepes ein.

      „Danke, sehr liebenswürdig.“ Dirk van Kombast hatte sein Lächeln wiedergefunden. „Woher, sagten Sie, kommen Sie?“

      „Aus Transsilvanien“, antwortete Herr Tepes.

      „Aus Siebenbürgen“, verbesserte ihn Frau Tepes. „Das heißt – eigentlich nur mein Mann. Ich bin in Deutschland geboren.“

      „Interessant.“ Dirk van Kombast musterte die beiden Mädchen. „Und ihr zwei seid ja schon richtige Damen. Fast so hübsch wie die Mama.“

      Die eine mit den halblangen rotbraunen Haaren kicherte und hielt sich dabei die Hand vor den Mund.

      „So ein Blödsinn“, brummte Daka und verschränkte die Arme.

      „Ich bin sicher, wir werden sehr gute Nachbarn. Sie können jederzeit bei mir klingeln“, sagte Dirk van Kombast mit einem cremigsüßen Lächeln an Frau Tepes gewandt.

      „So. Jetzt müssen wir aber los.“ Herr Tepes hob einen Beutel hoch, in dem mehrere Schnapsflaschen klapperten. „Sie sind schließlich nicht der einzige Nachbar.“ Einen Moment funkelten Herrn Tepes’ schwarzbraune Augen den Nachbarn an, doch Dirk van Kombast hielt dem Blick mit seinen katzengrünen Kontaktlinsen stand.

      Die Tepes verabschiedeten sich, und Elvira Tepes konnte die Hand von ihrem Mann gerade noch zurückziehen, als er Dirk van Kombast zum Abschied eine Kopfnuss geben wollte.

      Sie klapperten die umliegenden Häuser im Lindenweg ab, doch die meisten Nachbarn waren entweder nicht zu Hause oder öffneten nicht. Herr Tepes machte ein enttäuschtes Gesicht. „Ich verstehe das nicht. In Bistrien würde schon längst das ganze Dorf feiern, und die Hälfte der Karpovkaflaschen wäre leer.“

      „Nachbarn in Deutschland sind eben etwas anderes als in Bistrien“, sagte Frau Tepes, als sie zurück nach Hause gingen.

      „Deine Kopfnüsse kamen jedenfalls schon mal nicht so toll an“, warf Silvania ein.

      „So begrüßt man sich nun mal anständig“, murrte Herr Tepes.

      „In Transsilvanien. Nicht hier.“

      Herr Tepes schüttelte den Kopf. „Wenn ich nicht mit einem Menschen verheiratet wäre und es besser wüsste, würde ich sagen, die Menschen sind alle verhaltensgestört.“

      Silvania stöhnte, Daka kicherte, und Frau Tepes gab ihrem Mann einen Klaps auf den Arm. Dann gingen sie ins Haus.

      Die Tepes merkten nicht, wie im Reihenhaus nebenan langsam und geräuschlos ein Fenster geschlossen wurde.

      Rolltreppe abwärts

      Silvania zog sich den Hut gegen die Sonnenstrahlen tiefer ins Gesicht. Ihre Haut glänzte wie ein Speckstein. Frau Tepes hatte ihre Töchter nicht aus dem Haus gelassen, bevor sie sich mit Sonnencreme, Lichtschutzfaktor 100, von oben bis unten eingecremt hatten. Und bevor sie die sieben radikalen Regeln für das Leben von Halbvampiren unter Menschen aufgesagt hatten, die ihre Mutter aufgestellt hatte:

      1. Kein Fliegen bei Tageslicht

      2. Keine lebenden Mahlzeiten (auch keine Snacks wie Fliegen, Käfer oder Würmer)

      3. Ausreichend Sonnenschutz (Sonnencreme, Hut, Sonnenbrille etc.)

      4. Haustiere wie Blutegel, Mücken, Zecken und Flöhe bleiben zu Hause

      5. Spiegel, Spiegelreflexkameras und Knoblauch sind zu meiden

      6. Kein Einsatz übernatürlicher Kräfte (wie Hypnotisieren, Belauschen oder Flopsen)

      7. Wöchentliche Dentiküre

      Punkt sieben hatten die Zwillinge am Morgen schon hinter sich gebracht. Seit der ersten Dentiküre unter Anleitung einer Kosmetikerin in Bistrien waren die Eckzähne schon wieder ein gutes Stück nachgewachsen. Bei Daka und Silvania wurden sie nie so lang wie bei Herrn Tepes, der die Zähne unter seinem Lakritzschnauzer versteckte. Aber lang genug, um ängstlichen Menschen einen Schrecken einzujagen. Deswegen mussten die Zwillinge sie wöchentlich etwas kürzer feilen. Das einzig Unangenehme daran waren die Quietschgeräusche. Silvania feilte die Eckzähne am liebsten rund, wogegen Daka sie schön spitz feilte. Sie fand, das sah viel cooler aus. Außerdem waren spitze Zähne praktisch, um Plastiktüten aufzubekommen, sich an der Zunge zu kratzen oder eine kleine Zwischenmahlzeit wie eine Fliege aufzuspießen (womit Daka allerdings gegen die zweite radikale Regel verstieß. Aber mit Regeln nahm es Daka grundsätzlich nicht so genau).

      Silvania und Daka waren also mit Sonnencreme, frisch gefeilten Zähnen und den sieben radikalen Regeln im Kopf bestens auf den Ausflug in die Stadt vorbereitet. Frau Tepes wollte sich im Stadtzentrum nach einer geeigneten Immobilie für ihren Laden umsehen. Herr Tepes zog es vor, ein Nickerchen im Sarg zu machen.

      Sie liefen den Lindenweg entlang. Als sie am Haus Nummer 21 vorbeikamen, sagte Silvania zu ihrer Schwester: „Also, ich fand diesen Dirk van Kombast wirklich nett.“

      „Nett? Der ist total eklig“, meinte Daka.

      Silvania verdrehte die Augen. „Du hast keine Ahnung von Männern. Er sieht wahnsinnig gut aus.“

      „Dafür riecht er wahnsinnig schlecht. Hast du nicht gemerkt, dass unter seiner Parfümwolke eine Knoblauchfahne lag?“

      „Ach, die war doch nur ganz schwach.“

      „Und wie er uns angeguckt hat mit seinen Katzenaugen.“ Daka schüttelte sich. „Mir ist der Kompostkerl nicht geheuer.“

      „Er heißt nicht Kompost, sondern van Kombast. Bestimmt stammt er aus einer Adelsfamilie. Deswegen hat er so gute Umgangsformen.“

      Daka schnaufte. „Wenn du dich immer so schnell um den Finger wickeln lässt, nur weil dich jemand als hübsche Dame bezeichnet, na dann boi noap.“

      „Ich lasse mich von niemandem irgendwo herumwickeln!“

      „Daka! Silvania! Kommt ihr endlich?“ Frau Tepes, die mit schnellen kleinen Schritten ein paar Meter vor den Zwillingen lief, drehte sich um.

      Daka und Silvania legten einen Schritt zu. „Wie weit ist es denn noch bis zu dieser U-Bahn? Können wir nicht ins Stadtzentrum fliegen?“, stöhnte Daka. Von Bistrien waren es die Schwestern nicht gewohnt, längere Strecken zu laufen. Zum einen war Bistrien viel kleiner als Bindburg, und zum anderen wurde dort geflogen und geflopst, was das Zeug hielt.

      „Nein, können wir nicht. Ich sowieso nicht, und ihr auch nicht. Denkt an Punkt eins der radikalen Regeln: Tagflugverbot!“

      „Können