kämpften mit Tieren, Menschen, Halbgöttern. Selbst ein Herakles hatte in Arkadien sich mit ihnen zu messen.
In ihrem Trotz und Übermut versuchten sie auch den Götterberg Olympos zu stürmen. Die namenlose Stute zeigte ihnen den Weg. Sie galoppierten im Schutz des Morgennebels die Berghänge empor. Aber Zeus, von einer aufgescheuchten Eule benachrichtigt, warf Blitze unter sie, daß sie bestürzt flüchteten. Sie sprangen die Felsen hinab, und der Steinschlag donnerte hinter ihnen her. Viele brachen sich Genick und Rückgrat, und die Adler und Geier fraßen ihre Herzen und Gedärme.
Einige aber kamen ans Mittelländische Meer, stürzten sich in die Wogen und schwammen zu den anderen Festländern:
nach Afrika,
nach Sizilien.
Zwei gelangten voller Mühsal nach Spanien. Und von ihnen, so heißt es, stammen die Borgia ab.
Die Borgia melden ihre historische Herkunft aus der spanischen Stadt Borja, nicht weit von Huecha in der Provinz Saragossa gelegen. Acht Ritter Borgia kämpften unter Don Jayme gegen die Mauren, und 1238 erscholl zum erstenmal der Schlachtruf: Borgia! Borgia!
In der Zisterzienserabtei Veruela, am Fuß des Moncayo westlich von Borja gelegen, weihten die Borgia ihre Trophäen aus dem Maurenkriege der Heiligen Jungfrau: krumme Säbel, Turbane, Gürtel, Dolche, Spangen. An einer dieser Spangen hatte die Maurin Noa gehangen.
Alle acht Borgia liebten sie im winddurchwehten Zelt am heißen Tajo, bis sie der letzte, voll Eifersucht, daß sieben andere Borgia sie vor ihm gehabt, in der Umarmung erwürgte.
Ein letztes Röcheln aus ihrer Kehle seufzte: Borgia! Borgia!
III
Im Jahre des Unheils 1455 bestieg der Spanier Alfonso Borgia, ehemaliger Geheimsekretär des Königs Alfonso von Neapel, unter dem Namen Calixtus III. den Heiligen Apostolischen Stuhl. Er war siebenundsiebzig Jahre alt, laborierte an einem chronischen Magenleiden und war, wie alle Magenkranken, von grämlicher, mißtrauischer Gemütsart, aus der nur für Momente ein kauzischer Humor wie der grüne Mond hinter schwarzen Wolken hervorblitzte. Mehr als der Theologie war er der Juristerei ergeben und studierte Pandekten und Decretalia eifriger als die beiden Testamente. Es machte ihm Vergnügen, spitzfindige juristische Fragen zu stellen und sie noch spitzfindiger zu beantworten.
Wie der Komet seinen Schweif, so zog Alfonso Borgia einen ganzen Troß von Spaniern hinter sich her nach Rom.
In allen Straßen, Palästen, Schenken begannen sie sich breit und wichtig zu machen, spanisch zu sprechen und italienisch zu radebrechen. Und bei den Weibern und Frauen stachen die Senores nur gar zu oft die Signors aus. Es gab böse Mienen, böses Blut, Florettkämpfe unter dunklen Arkaden, und eines Tages warf die empörte Menge einen jungen Spanier, den sie bei einer vierzehnjährigen Schönheit des Stadtviertels Ponte erwischt hatte, kurz entschlossen über die Brücke in den Tiber. Es gelang ihm, sich ans andere Ufer zu retten. Es war der vierundzwanzigjährige Rodrigo Borgia, ein Neffe des Papstes, ein auffallend schöner junger Mensch, der, wie es hieß, die Frauen anzog wie der Magnet das Eisen. Er war ein paar Tage zuvor von Bologna gekommen, wo er zum Doktor des kanonischen Rechts promoviert hatte. Noch triefend vor Nässe, mit zusammengebissenen Zähnen, ging Rodrigo Borgia zum Vatikan, schob die Hellebarden der wachthabenden Schweizer auseinander und gelangte in das Arbeitszimmer des Papstes, der gerade damit beschäftigt war, sich über die juristische Möglichkeit eines Ehedispenses für den dritten Grad der Blutsverwandtschaft zu orientieren.
Er sah ärgerlich von seinen Pergamenten auf.
Höre, Oheim, begann Rodrigo, noch immer triefend, deine Römerinnen sind sehr hübsch, aber deine Römer verstehen keinen Spaß.
Sie haben dir Wasser über den Kopf gegossen, wie? meckerte der Alte.
Scherz beiseite, Don Alfonso – Ihr seid ein Borgia, und ich bin ein Borgia. Alles andere ist Lumpenpack. Es ziemt uns, zusammenzuhalten. Ich habe Euch einen Vorschlag zu unterbreiten, der mir, als ich durch den Tiber schwamm, aufstieß – mit dem Dreckwasser, das ich aus Mund und Nase spuckte. Wie wäre es, wenn Ihr mir den Purpur der Kardinale verleihen würdet?
Der Papst weitete seine wasserblauen Augen —
Was, kreischte er, du willst Kardinal werden? Unter dem Tisch bewegte sich sein Bauch in lautlosem Gelächter. Aber es schien doch, als hätte er Angst, sein Hohngelächter über den Tisch hinausgelangen zu lassen. Denn dort stand, ehern, keine Miene in dem schönen Antlitz verzogen: Rodrigo Borgia, ein Borgia wie er, aber ein Mann, ein Wunsch, ein Wille.
Man muß dem Pöbel die eiserne Stirn zeigen, sagte Rodrigo Borgia. Wer nachgibt, hat schon verloren. Wer ihm die Faust ins Gesicht schmettert – gewinnt.
Dem Papst kamen allerlei juristische Bedenken – er wolle seine Commentare, Decretalia etc. befragen, ob Blutsverwandtschaft —
Rodrigo schlug mit der kleinen, zierlichen, aber steinharten Faust auf den Tisch, daß der in Holz geschnitzte Gekreuzigte wie eine Puppe auf und nieder sprang:
Nur Blutsverwandtschaft, Oheim, rechtfertigt das – und alles andere. Die Verwandtschaft des Blutes ist das heiligste Band, das Menschen binden kann. Das gleiche Blut wallt in deinen und meinen Adern, Alfonso Borgia. So hör es doch rauschen —
Und er riß sich sein nasses Hemd auf und preßte den Greisenkopf an seine Brust, der in die Tiefe lauschte, das Herz der Borgia schlagen zu hören.
IV
Calixtus III. berief das Heilige Kollegium zusammen. Die Kardinale Estruteville, Capranica, Bessarione versuchten, sich der Ernennung Rodrigos zum Kardinal zu widersetzen.
Es half ihnen nichts. Calixtus bestach den Rest mit einträglichen Pfründen und Abteien.
Kaum saß Rodrigo Borgia im Kollegium, als er den schwächlichen und kränklichen Oheim und alle schwachen Charaktere des Kollegiums zu beherrschen begann. Er veranlaßte als erstes, daß sofort zwei weitere Borgia hohe Kirchenämter empfingen: Don Luis Borgia wurde Bischof von Segovia und Lea; Pedro Borgia wurde Präfekt der Stadt Rom und machte alsbald den Orsini und Colonna zu schaffen.
Männer und Frauen zitterten in Rodrigos Gegenwart, und es hieß, es schlügen selbst die Heiligen auf den Gemälden des Vatikans die Augen nieder, wenn er heiter an ihnen vorüberschritt und guten Mutes über sie das Kreuz schlug.
Er las die erste Messe, noch kaum der frommen Bräuche kundig. Aber wo ihm ein lateinisches Wort mangelte, da setzte er ein: Borgia! Borgia! an seiner Statt. Die Hostie brach er zu früh entzwei und ließ auch zuweilen lässig ein Stück fallen. In seinem ganzen Leben zelebrierte er höchst ungern und nahm es mit der Hostie nicht genau. Auch stimmte es bei seiner Messe nie: bald waren die Kerzen, bald die Sänger, bald Baldachin oder Weihrauchkessel und bald er selbst nicht zur Stelle.
Höre, Oheim, sprach er zu Calixtus, es ist recht gescheit von dir, den Kreuzzug gegen die Türken, die uns im übrigen ja nichts getan haben, zu unterstützen – denn du machst dich und damit den Namen Borgia populär bei der Christenheit – , aber vergiß nicht, das Fundament für die Dynastie der Borgia unverrückbar festzulegen. Du hast mich mit den Pfründen von Benevent und Terracina belehnt. Schön. Ich trage das rote Gewand. Gut. Aber ich habe nunmehr Ambitionen auf das Amt des Vizekanzlers. Es ist das höchste Amt nach deinem – du bist alt, verzeihe, wenn ich dich daran erinnere, aber es kann dir etwas zustoßen —, du mußt unsere Stellung und unseren Einfluß für alle Fälle sichern.
Der Papst, der ein Glas mit einer grünen Magentinktur vor sich stehen hatte, die er verabscheute, schloß die wimperlosen Lider und dachte über seinen Neffen nach. Dann öffnete er sie.
Du hast recht. Ich werde das Nennungsdekret morgen unterzeichnen.
Rodrigo Borgia ging einen Schritt auf ihn zu, daß jener sich fast zu fürchten begann: Morgen? Heute, Oheim, heute, jetzt, in diesem Augenblicke werdet Ihr das Dekret unterzeichnen, das ich selbst, um Euch die Mühe des Schreibens zu ersparen, aufsetzen werde. – ‚Wir, Calixtus III.....‘
V
Auf der Falkenjagd trafen der Kardinal Rodrigo Borgia und der Graf Jean d‘Armagnac zusammen. Sie zogen die Hüte und beschlossen, die