Klabund

Borgia


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sagt:

      Wie zart die Wölbung deiner Brüste! Es sind die beiden Hälften der Erdkugel, die aus dir hervorquellen.

      Sie funkeln sich haßerfüllt an.

      Julia sagt spitz:

      Wie meinst du das mit dem ‚Hervorquellen‘? Bin ich dir vielleicht zu dick? Lucrezia kräuselt die Lippen:

      Aber Julia! Du bist schlank wie ein Knabe – so schlank wie Cesare.

      Julia wird rot wie ein Hummer:

      Also bin ich zu mager, wie?

      Sie fährt auf Lucrezia los und ihr mit dem Kamm ihrer Finger durch das gelöste blonde Haar.

      Lucrezia schreit auf und beißt Julia in die Schulter, daß das Blut rinnt.

      Julia läßt los:

      Du bist grob! Und du bist schlecht erzogen.

      Genau wie du – von Tante Adriana.

      Sie sehen sich unter Tränen an.

      Dann lächeln sie plötzlich.

      Sie stürzen sich in die Arme, und selig spürt jede den nackten heißen Leib der andern.

      Lucrezia ließ sich aus diplomatischen Gründen, ohne Widerrede und ohne daß sie ihn auch nur gesehen hätte, fünfzehnjährig mit Giovanni Sforza in absentia vermählen.

      Wenn er kein Borgia ist, so ist ein Mann wie der andere. Wenn er einmal die Woche badet, sich zweimal täglich den Mund spült und dreimal des Nachts seine eheliche Pflicht erfüllt, wird sich mit ihm leben lassen.

      Einige Wochen nach der Hochzeit verfolgte sie auf einem Spaziergang rechts des Tibers ein stattlicher junger Mann, dem sie nicht zu entgehen vermochte.

      Sie floh in einen Olivenhain.

      Der Jüngling folgte ihr.

      Da er ihr gefiel, gab sie sich ihm hin.

      Erst später, als er sich vorstellte, zeigte es sich, daß es Giovanni Sforza, ihr Mann, war, mit dem sie, ohne es zu wissen, die Ehe vollzogen hatte.

      Diese Ehe sollte nicht lange dauern. Die Gründe, die Rodrigo zu dieser Ehe bewogen hatten, bestanden bald nicht mehr.

      Die Sforza konnten ihm nicht mehr von Nutzen sein.

      Er hatte sich getäuscht. Er korrigierte sich sofort.

      Er ließ von einem Kardinalskollegium die Ehe der Lucrezia Borgia und des Giovanni Sforza wegen ‚impotentia coeundi‘ des Ehemannes trennen.

      XI

      Cesare wird vom Vater zum geistlichen Stand bestimmt, während Juan, der Erstgeborene, die weltliche, die politische Karriere einschlägt.

      Cesare soll in Perugia, der Hauptstadt Umbriens, Jura und Theologie studieren. Als Hofmeister wird ihm der Spanier Francesco Remolino beigegeben.

      Cesare bildet sich zum vollkommenen Cortegiano, zum Mann von Welt aus.

      Er reitet, schwimmt, tanzt.

      Er liest die griechischen und lateinischen Klassiker, vor allem Cäsar, Livius und Herodot.

      Er ficht Florett und Degen.

      Er springt, ringt, singt.

      Man muß, so sagt er zu Francesco Remolino, sein Leben als schönes Kunstwerk leben. Häßliche Dinge läßt man die anderen tun.

      Sein liebster Umgang war ein verwachsener Zwerg namens Gabriellino, den er unterwegs auf der Reise wie eine vom Baum gefallene Nuß aufgelesen hatte.

      Sie gab ihm manches zu knacken:

      Eure Herrlichkeit sind wohl nach Perugia gezogen, um eine Grabstatt für Dero Herrn Vater ausfindig zu machen? Zum Begraben ist Perugia gar nicht so ungeeignet.

      Der Jüngling runzelte die Stirn:

      Wie meinst du das?

      Nun, Perugia ist der bevorzugte Friedhof der Päpste. Innozenz III., Martin IV., Benedikt XI. liegen hier im Dom begraben. Die beiden ersten sogar Wange an Wange, d. h. Staub an Staub in der gleichen Urne. Ich habe mir schon oft gedacht, was das am Jüngsten Tag, wenn die Posaune ertönt, für ein Durcheinander geben wird. Die beiden werden sich in ihrem Staub miteinander nicht mehr auskennen. Vielleicht werden sie als Wunderpapst, ein Papst mit zwei Köpfen, auferstehen.

      Cesare lachte:

      Du hattest mir für den Abend ein hübsches Mädchen versprochen. Geh, hol sie mir!

      Der Zwerg griente:

      Ich werde Euch ein weibliches Wundergeschöpf vorstellen. Zwei wunderschöne Schwestern: zwei Leiber – und kein Hirn, zwei Seelen – und kein Gedanke. Euer erlauchter Bruder, der nicht umsonst den Namen Don Juan trägt, würde —

      Schweig, unterbrach ihn zornglühend Cesare, schweig mir von meinem Bruder. Ich will nichts von ihm wissen.

      Und ungelesen zerriß er einen Brief Juans, den er soeben erhalten hatte.

      Der Zwerg watschelte davon.

      XII

      Zwischen Tiber, Pincio und dem Kapitol drängt sich in einem Tal Rom, die Ewige, die heilige Stadt.

      Die Straßen sind eng, schmutzig, schlecht gepflastert. Bei Regenwetter versinkt man ohne hohe Stiefel im Morast.

      An der Piazza Giudea liegen die Handelshäuser. Im Rione di Ponte domizilieren die Handelsherren und Bankiers. Im Rione di Tarione hausen Prälaten, Buchhändler, Literaten, Künstler, Kurtisanen.

      Es gibt keine Nachtbeleuchtung. Zwischen dunstigen, ärmlichen Häusern steigen plötzlich üppige Paläste und stolze Kirchen empor.

      Die Ruinen der Vergangenheit begegnen einem auf Schritt und Tritt.

      Auf dem Forum weiden Gänse und Ziegen. Um die Trajanssäule haschen sich die Kinder. Fünfzigtausend Einwohner zählt Rom – den dritten Teil von Venedig.

      Durch ein Seitentor verließ Rodrigo Borgia seinen zwischen Engelsbrücke und Campo di Fiore gelegenen Palast, völlig unkenntlich, nur ein paar Lumpen umgehängt, aber unter den Lumpen den Toledaner Dolch. Er strich durch das Viertel Ponte.

      An Kirchentüren blieb er stehen und bettelte.

      Wie war die allgemeine Volksstimmung – für oder wider den Papst Sixtus IV.?

      Die Orsini waren für ihn.

      Die Colonna und Savelli gegen ihn.

      Hehe – und die Borgia?

      Er drückte seinen zerrissenen Kalabreser Hut tiefer in die Stirn.

      Hier in Ponte, auf dem Monte Giordano, herrschten die Orsini.

      Rodrigo Borgia schlich um die Torre di Nona und den Monte Giordano, wo Adriana Orsini wohnte, wie der Kater um den heißen Brei.

      Man müßte die Vanozza vor den Orsini schützen – aber auch vor den Margana, Falle, Savelli, Cesarini, Barberini.

      Für sie hatte es nur Borgia zu geben, große und kleine. Sie selbst war dazu da, Borgia zu gebären. Denn es sollte ein Geschlecht erzeugt werden, fähig, Rom und alle Tore der Erde aus den Angeln zu heben. Außer ihm, Rodrigo Borgia, dem Ahnherrn der Borgia und Schöpfer einer neuen Welt, waren bereits durch ihre und Gottes Hilfe Juan, Cesare und Lucrezia Borgia in dieses Leben getreten, ausersehen, es bunt und prächtig zu gestalten und alle niederen menschlichen und tierischen Wesen zu regieren und zu leiten: mit Hochherzigkeit, Kühnheit, Klugheit, Schönheit, aber auch mit unerbittlicher Strenge und Härte bei unbotmäßiger Auflehnung.

      Gegen Gott und Borgia darf niemand löken. Juan! Cesare! Lucrezia! Ihr werdet Borgias Bannerträger sein!

      Für euch, für Borgias Ruhm habe ich allen meinen Reichtum gescharrt und gekratzt und gehäuft. Valencia und Karthago sind meine Bistümer und senden mir Tribut, und hundert Abteien Spaniens und Italiens. Warum habe ich das Amt eines Vizekanzlers usurpiert? Um euch jährlich zehntausend Goldgulden sammeln zu können.

      Zehntausend Goldgulden, murmelte er vor sich hin und drehte bettelnd seinen Hut vor