Klabund

Borgia


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die Vanozza war.

      Er trank einige Viertel Barberino und fing dann zu grölen an:

      Die Vanozza ist eine Hure. Wovon lebt sie, he? Von der Hurerei mit diesem – und er spuckte dreimal aus – sogenannten Kardinal Rodrigo Borgia, einem, hol mich Gott, verdammten spanischen Intriganten. Es wird kein gutes Ende nehmen – mit ihr nicht und mit ihm nicht. Warum rennt ihm ihr hochachtbarer Gatte, Signor Giorgio di Croce, nicht ein kaltes Eisen zwischen die Rippen? Rodrigo Borgia zog unter den Lumpen seinen Dolch hervor und fuchtelte damit herum.

      Wenn ich diesem – er spuckte wieder aus – Borgia einmal allein begegne, so werde ich ihm mit diesem Messerchen ein wenig die Gedärme kitzeln. Der Kerl soll an mich denken —

      Von allen Seiten in der Schenke machte es: Psst! Psst! Psst!

      Er schrie so laut, daß man‘s bis auf die Straße hörte.

      Jeder soll es hören, schrie er, daß der Kardinal Rodrigo Borgia ein Lump und die Vanozza eine Kapitalshure ist. Jeder. Meint ihr, sie betrüge ihren hochachtbaren Gatten nur mit diesem Borgia? Weit gefehlt! Da haben wir einmal die spanischen Senores Juan Lopez, Marades und Taranza, die bei ihr verkehren – hihi, verkehren – Auch von den edlen Familien der Barberini, Cesarini, Orsini, Torcari dürfte mancher männliche Sproß schon Wurzeln in ihr geschlagen haben…

      Jetzt ist‘s aber genug, du Lästermaul! schrie der riesige Wirt der Taverne. Du bringst mir noch meine hochangesehene Schenke mit deinem greulichen Gebrüll bei allen ehrenwerten Bürgern in Verruf. Was gehen mich die Vanozza und der Kardinal Borgia an? Hinaus!

      Und er packte Rodrigo Borgia um die Hüften und warf ihn hinaus auf das Pflaster, wo er einige Sekunden wie tot liegenblieb, sich humpelnd erhob und erst hinter einigen Straßenecken in seinen gewöhnlichen schlendernden Gang fiel.

      XIII

      Rodrigo Borgia sitzt mit feistem, festem Arsch unter fünf Päpsten auf dem Stuhle des Vizekanzlers.

      Er ist nicht herunterzukriegen.

      Er hockt wie eine brütende Ente – er brütet die Zukunft der Borgia —, er sitzt und wartet.

      Der Humanist Pius II. versucht, den Sultan Mohammed brieflich zum Christentume zu bekehren, und stirbt.

      Hehe —

      Der eitle Paul II. versteht wenig Latein, sammelt Münzen und Bilder, um hinter den Medici nicht zurückzustehen, und stirbt. Hihi —

      Der jähzornige Sixtus IV. baut die Sixtinische Kapelle, führt Kriege, auch mit Florenz und den Medici, die unüberwindlich scheinen, und stirbt.

      Oho!

      Rodrigo Borgia beginnt aufzumerken. Sixtus ist ein Mann, der es mit der kirchlichen Seite des Papsttums nicht mehr sehr genau nimmt. Er drückt ihm ganz den Stempel des Politischen auf.

      Mit scheinbar schläfrigen Augen sieht Rodrigo Borgia umher: nach Kardinalsgenossen, die ihm helfen könnten.

      Er tut dem und jenem diesen und jenen ‚Gefallen‘: schenkt ihm eine Perle, einen persischen Teppich, eine Pfründe und verspricht ihm das Tausendfache.

      Dieser Innozenz VIII., haha, lebt ja wohl nicht ewig! Ein erbärmliches, feiges Hündchen, aber er zeigt, wie man‘s machen muß. Er gibt Absolution und Pardon selbst bei Mord und Totschlag gegen entsprechende Taxen.

      Er stirbt.

      Rodrigo steht an seinem Sterbebett und fühlt seine Zeit gekommen.

      Er drückt ihm die Augen zu.

      Er richtet sich hoch auf, als er von dem Toten geht. Es scheint allen, als sei er plötzlich gewachsen. Seine Augen sprühen Feuer.

      Das Konklave beginnt.

      Rodrigo Borgia ist Spanier.

      Die meisten italienischen Kardinale sind der Meinung, daß die Tiara einem Italiener gebühre. Sie sind gegen den ‚Ausländer‘.

      Schon sind drei Skrutinien ohne positives Ergebnis vorübergegangen.

      Zwischen Kardinal Costa und Kardinal Caraffa scheint die Entscheidung zu liegen. Es wurden Wetten auf sie abgeschlossen. Auch Borgia selbst ließ unterderhand hohe Wetten abschließen. Auf sich selbst.

      Golden, aus schwarzem Hintergrund, trat plötzlich der Borgia hervor. Er geht von einem Kardinal zum andern und trägt auf seinen Händen alle Reichtümer der Welt, bereit, sie unter sie zu streuen. Er ist der große Verführer. Er führt sie auf die Hügel um Rom und zeigt ihnen Rom, zeigt ihnen Italien, zeigt ihnen die Welt. Du, Orsini, bekommst das Bistum Cartagena. Du, Colonna, die Abtei Subiaco. Savelli, mein Freund, dir gebührt Civita Castellana und das Bistum Maiorca. Das Bistum Pamplona, üppig wie sein Name, ist dir vorbehalten, Pallavicini. Riario, Sanseverino, ihr werdet alle zu dem Euren kommen! Du, Ascanio Sforza, du bist der Edelste, Einflußreichste, Würdigste, dich will ich überschütten mit Gold und Gnade – wenn erst die Tiara mein Haupt schmückt. Meinen eigenen Palast sollst du haben, mein ertragreiches und bequemes Amt des Vizekanzlers, das Bistum von Erleu, das dir 10.000 Golddukaten mindestens bringt – und viele andere Benefizien —

      So ging der Borgia von einem zum andern und gewann vierzehn Stimmen.

      Vierzehn Stimmen!

      Er frohlockte! Nur eine einzige fehlt mir noch – und ich bin der Papst, der papa di Roma, ein Borgia der Stellvertreter Christi auf Erden, ein Borgia wird Gott!

      Aber zu wem er nun noch ging – Piccolomini, Zeno, der junge Giovanni di Medici, den er fast liebte —, sie drehten ihm den Rücken.

      Caraffa und Costa, bei Beginn des Konklaves die aussichtsreichsten Kandidaten, waren enttäuscht, daß die Tiara ihnen entschwebte, und wollten nichts von ihm wissen. Es blieb schließlich nur einer, der unschlüssig war, auf welche Seite er sich schlagen solle. Es war der fünfundneunzigjährige Kardinal Gherardo.

      Rodrigo Borgia stand vor ihm und sah ihm in die gierig gespannten Habichtaugen, die aus einem Haufen zerknitterter Haut hervorsahen.

      Der Mann ist alt, dachte Rodrigo Borgia, uralt. Er hat sein Schäfchen schon im trockenen. Was könnten ihm ein paar Pfründen und Benefizien noch nützen? Gar nichts. Es verlohnt nicht, sie ihm anzubieten. Er würde ihn auslachen. Ist er Kunstliebhaber? Ein hübsches Bild – eine Statue – . Er kam davon ab. Diesem alten, halbtoten Mann mußte man etwas Lebendiges versprechen. Das Leben selbst. Und wer war das Leben selbst? Wer anders als eine junge Frau, ein junges Mädchen. Eine Fleischblüte. Ein Nelkenmund. Zwei Schlingarme. Zwei Brustknospen. Ein moosiger Schoß. Der Kardinal Borgia zog den Kardinal Gherardo zu sich heran, er flüsterte ihm ins Ohr:

      Wenn Ihr mir heute im Konklave Eure überaus wertvolle Stimme gebt, so wird morgen, kurz nach Mittag . . .

      Die weiteren Worte verliefen sich im Ohr des Gherardo, und sie schwollen erst wieder hörbar an gegen Schluß des Satzes:

      So wahr mir Gott helfe.

      Die Habichtaugen des Greises funkelten den Borgia an.

      Durch messerscharfe Lippen pfiff es wie ein Vogelpfiff:

      Amen.

      XIV

      In der Frühe des 11. August 1492 sprang das Konklavefenster auf.

      Rodrigo Borgia war als Alexander VI. zum Papst gewählt worden.

      Alexander VI. verkündete sofort, daß er für Santa Maria del Popolo, die ihn beschirmt und geführt, einen neuen Altar und eine Orgel stifte.

      Das Volk applaudierte. Er erteilte von der Benediktionsloggia urbi et orbi den feierlichen Segen:

      Ich segne die Stadt,

      Ich segne das Land,

      Ich segne Italien,

      Ich segne die Welt.

      Um zwei Uhr, nach dem Mittagessen, draußen brütete die Augustsonne, drinnen im Palast hatte alles die Fensterläden heruntergelassen und schlief, ging Lucrezia Borgia, die Tochter des Papstes, durch die dunklen Gänge des Vatikans, durch die da und dort grüngoldene Lichter blitzten, in die Gemächer des Kardinals Gherardo. Sie ging