sei Dank!« sagte Pati, als er zum Ruder griff. Unter seinen mächtigen Schlägen glitt das leichte Fahrzeug schnell den Parana hinab.
Am Rio Quinto
Jahre waren ins Land gegangen, seit Don Juan und Sancho Pereira, genannt Pati, der Gewalt Don Francisco de Salis entschlüpften. Aber noch immer herrschte in Buenos Aires Don Manuel de Rosas, der harte Mann, der den Unitariern den Tod geschworen hatte. Die wirklichen wie die vermeintlichen Anhänger der unitaristischen Partei erlagen, wo immer er sie fassen konnte, seinem unerbittlichen Zugriff. Das Gewicht seiner starken Persönlichkeit und seine politische Rücksichtslosigkeit hatten den Gewaltigen durch Wahl des Kongresses zum dritten Male mit diktatorischen Vollmachten ausgerüstet an die Spitze des Staates gestellt.
Die erst in jüngerer Zeit der Wildnis abgerungenen Grenzgebiete des Landes wurden von der harten Faust de Rosas nur selten erreicht, dafür hatten sie um so härter mit anderen Gefahren zu kämpfen. Denn den hier noch immer herumstreifenden Indianerhorden waren die politischen Wirren insoweit günstig gewesen, als die Regierung weder Macht noch Möglichkeit hatte, sich um diese Fragen zu kümmern. Forts, die früher an geeigneten Stellen zum Schutz gegen die Wilden angelegt worden waren und eine starke Besatzung aufzuweisen hatten, um die Indianer von Angriffen abzuhalten oder ihre Macht zu brechen, waren geräumt worden, weil die Truppen in anderen Teilen des Landes benötigt wurden. Damit aber war der Schutzwall niedergerissen worden, der die dünnbesiedelten Grenzen deckte. Die Indianer, die im Süden hausenden Puelchen ebenso wie die kriegerischen Bewohner des noch von keinem Weißen betretenen Gran Chaco, wurden auf solche Weise zu Angriffen und Überfällen geradezu herausgefordert, und es geschah denn auch immer wieder, daß sie die Grenzen heimsuchten und großes Leid über die Bewohner brachten.
Dennoch hatte in der Pampa seit einigen Jahren Ruhe geherrscht, denn die Puelchen waren, nachdem sie bei ihrem letzten Ansturm, alles vor sich niederwerfend, tief in das Land eingedrungen, von den Gauchos schließlich so aufs Haupt geschlagen worden, daß sie seither Frieden hielten. Die Gefahr erneuter Angriffe blieb indes bei der Schutzlosigkeit der Grenze nach wie vor bestehen.
Die Pampa Argentiniens ist öder und einförmiger als die Prärie Nordamerikas. Reitet man über sie hin, so bildet das Haupt des Reiters den höchsten Punkt in der Weite. Dem ruhenden Meere gleich liegt die Fläche da, ihre Ränder verschwimmen in violettem Schein mit dem fernen Horizont.
Von den Anden her senkt sich, dem Auge unmerkbar, der Boden sanft, aber ununterbrochen nach dem Atlantischen Ozean hin, und die zahlreichen Wasserläufe, die in den himmelansteigenden Höhenzügen der Kordilleren ihren Ursprung haben, nehmen den Weg nach Osten.
Seen, die nicht alle süßes Wasser haben, Salzsümpfe und öde Strecken, an denen nur der nackte Dünensand zutagetritt, bringen einige Abwechslung in die Einförmigkeit der Steppe. Einer riesigen Felseninsel gleich erhebt sich die Sierra de Cordoba, gleich weit vom Parana wie von den Anden entfernt, unvermittelt aus der Grassteppe, weithin die endlose Pampa überragend. Auch sie sendet zahlreiche Wasserläufe gen Osten. Im Süden rinnt der Rio Quinto durch das Grasland, wasserreich in der Nähe des Höhenzuges, dem er entspringt, auf seinem Lauf indessen mehr und mehr versiegend, bis er, aufgesaugt von der Pampa, verschwindet.
Die Flußufer werden hier und da von Bäumen eingefaßt, von schlanken, hochragenden Nogals, Erlen, Algaroben und vor allem vom Ombus, von denen einige Exemplare sich sogar bis in die Steppe verirrt haben.
Auf dem linken Ufer des langsam strömenden Flusses erhoben sich, von Bäumen beschattet, einige niedrige Gebäude, aus Holz und Lehmziegeln aufgeführt. Ein umfangreicher Korral, dessen Umfassung aus Säulenkaktus und den Stämmen junger Zedern errichtet war, zeigte sich dem Blick; drinnen tummelte sich eine Anzahl munter umherspringender Pferde und Maultiere. Einen ungewohnten Anblick gewährten in diesem Teil der Pampa wohlbestellte Mais- und Weizenfelder sowie ein Garten, der sich an dem längsten, umfangreichsten der Gebäude hinzog, und in dem außer Kartoffeln und verschiedenen Gemüsen auch junge Orangen- und Pfirsichbäume sowie allerlei Blumen angepflanzt waren. Dornenhecken und lange Balkenriegel grenzten das Ganze ein, um es vor den frei weidenden Pferden und Rindern zu schützen. Der Einfluß einer umsichtig ordnenden Hand war überall spürbar.
Dies war das Heim Juan Perez‘, des Gaucho, der sich vor einigen Jahren hier niedergelassen hatte. Er war eines Tages mit einem Majordomo von fremdländischem Aussehen und einem dunkelhaarigen Knaben von Süden gekommen und hatte mit Hilfe von Leuten, die er aus den Niederlassungen am Höhenzug von Cordoba und am Parana angeworben hatte, nach und nach diese Heimstätte geschaffen, die ihm als altem Soldaten eine Schenkungsakte des Präsidenten Manuel de Rosas verbürgte.
Die Estancia lag einsam und war in jenem Landesteil am weitesten von allen in die Pampa vorgeschoben. Ihr Viehbestand, die hauptsächlichste Erwerbsquelle der dortigen Estancias, war nicht gering! Señor Perez wußte ihn mit Fleiß und Energie zu nützen. Er hatte einige junge Gauchos als Rinder- und Pferdehirten in seinen Diensten, und eine große Anzahl Rinder- und Pferdehäute machten alljährlich den Weg nach der Küste, wo sie beträchtlichen Gewinn einbrachten.
Die Gauchos pflegen sich ebensowenig wie die Indianer mit Feldarbeit zu befassen; die nicht unbeträchtliche Boden- und Gartenkultur auf der Besitzung des Señor Perez war deshalb das alleinige Verdienst seines Majordomos, des Señor Sancho Pereira, dessen wunderliche Haarfarbe ihm weit und breit den Namen Feuerkopf eingetragen hatte. Señor Pereira also – wir kennen den braven Pati ja bereits ebenso wie seinen Herrn – hatte mit Hilfe einiger schwarzer Arbeiter den Boden ur- und fruchtbar gemacht. Die Erzeugung von Feld- und Gartenfrüchten gab der Niederlassung ein zivilisiertes Gepräge und unterschied sie vorteilhaft von anderen Estancias dieser Gegend.
Die Sonne hatte sich eben erst am Horizont erhoben; sie verwandelte die Myriaden Tautropfen auf den Gräsern in blitzende Edelsteine. Der Himmel war klar und wolkenlos, er schwang sich wie eine gläserne Glocke über die Ebene, die nur durch den Waldsaum unterbrochen wurde, der die Ufer des Flusses einfaßte. Von fern schimmerten die Spitzen der Berge von Cordoba im rötlichen Frühlicht; sie brachten etwas Abwechslung in die großartige Eintönigkeit der Pampa.
Innerhalb der Gebäude schien alles noch m tiefem Schlaf zu liegen, als aus einem der niedrigen, mit Fellen verhangenen Fenster der größeren Behausung eine jugendliche Gestalt schlüpfte und, einen Sattel nebst dem unvermeidlichen Lasso auf dem Kopf tragend, mit unhörbaren Schritten nach dem Korral eilte.
Die Gestalt war kaum hinter der Balkenumzäunung verschwunden, als ein kräftiger Mann durch die Tür auf die offene Veranda trat und, die frische Morgenluft einatmend, einen prüfenden Blick auf Himmel und Erde warf. Es war Juan Perez, der Gaucho, nicht mehr ganz der junge Mann, den wir kennenlernten; ganz spurlos waren die Jahre nicht an ihm, dem nunmehr etwa Vierzigjährigen, vorübergegangen. Aber seine Gestalt war kräftig und sehnig wie ehedem, das gebräunte Antlitz trug die Spuren heißer Sonne und rauher Stürme. Einige Narben zeugten von den Kämpfen, an denen er teilgenommen hatte.
Da stand er und grüßte den erwachenden Morgen.
»Ave Maria!« sagte hinter ihm eine Stimme mit dem landesüblichen Gruß.
»Purissima«, antwortete er und wandte sich um, den Mann begrüßend, der soeben die Veranda betreten hatte. Es war Pati, und auch an seinem Äußeren hatte die Zeit ein wenig verwandelnd gewirkt. Er war dicker und massiger geworden, doch zeugte noch immer jede seiner Bewegungen von außergewöhnlicher Muskelkraft.
»Nun, mein Goldprinz«, sagte Don Juan lächelnd, »was jagt dich so früh von deinem Lager?«
»Ich will euch abreiten sehen«, sagte Sancho.
»Natürlich!« lachte der Gaucho. »Don Aurelio auf dem Schimmel! Das muß man gesehen haben. Aber wo bleibt denn der Junge? Verschläft wahrhaftig den schönen Morgen. Aurelio!« rief er laut nach dem Hause zu, »raus aus dem Bett! Benimmst dich wahrhaftig wie ein Pampashase im Winter!«
»Der Pampashase ist schon da!« sagte lachend eine frische Stimme. Die Männer wandten den Kopf, und heran galoppierte auf einem schneeweißen Pferd, dem man die edle arabische Abkunft in jeder Linie seines Leibes ansah, ein gut gewachsener junger Mann. Mit ausgezeichneter Haltung saß der wohl Achtzehnjährige zu Pferde; das dunkelblaue Wollhemd, die knapp sitzenden ledernen Hosen und die hohen Stiefel mit den silbernen Sporen unterstrichen