Wetter, das ist ja die reine Sünde!« rief Helmers. – »Macht es anders, Señor«, meinte der Vaquero, kaltblütig die Schultern zuckend. – »Das ist Tierquälerei. Das darf man nicht leiden. Auf diese Weise wird das edelste Pferd vollständig umgebracht.«
Helmers hatte sich ganz in Ekstase hineingeredet. Da kam Arbellez mit den Mädchen an.
»Was gibt es, Señor Helmers, daß Ihr Euch so ereifert?« fragte er. – »Ihr bringt den Hengst um!« antwortete dieser. – »Das will ich auch, wenn er nicht gehorchen lernt.« – »Er wird gehorchen lernen, so aber nicht.« – »Wir haben alles vergebens versucht.« – »Gebt ihm einen tüchtigen Reiter auf den Rücken!« – »Hilft nichts!« – »Pah! Darf ich es versuchen, Señor?« – »Nein.«
Helmers sah ihn erstaunt an.
»Warum nicht?« fragte er. – »Weil mir Euer Leben zu lieb ist.« – »Pah! Ich will lieber sterben, als dieses länger mit ansehen. Ein guter Pferdemann hält das nicht aus. Also, darf ich den Rappen reiten? Bitte, Señor!«
Da drängte Emma besorgt ihr Pferd heran und bat ängstlich:
»Vater, erlaube es ihm nicht! Der Rappe ist zu gefährlich!«
Der Deutsche blickte ihr mit einem glücklichen Lächeln in das Gesicht. Ihre Angst war ihm ja ein Beweis, daß er ihr nicht gleichgültig sei, dennoch aber fragte er sehr ernst:
»Señorita, hassen Sie mich?« – »Hassen? Mein Gott, warum sollte ich das?« – »Oder verachten Sie mich?« – »Das noch viel weniger!« – »Nun, warum beleidigen Sie mich in dieser Weise? Nur ein Knabe unternimmt, was er nicht auszuführen vermag. Ich sage Ihnen, daß ich den Schwarzen ganz und gar nicht fürchte.« – »Sie kennen das Tier nicht, Señor«, mahnte Arbellez. »Es sind viele hier gewesen, die behaupten, daß nur Itintika, der Donnerpfeil, es bändigen könne.« – »Kennen Sie diesen Itintika?« – »Nein, aber er ist der beste Rastreador und Reiter, der zwischen den beiden Meeren lebt.« – »Und dennoch bitte ich um den Hengst.« – »Ich warne Sie.« – »Ich bleibe bei meiner Bitte.« – »Nun wohl, ich muß sie ihnen gewähren, denn Sie sind mein Gast, aber es tut mir leid um die Folgen. Zürnen Sie mir später nicht!«
Da stieg Emma schnell vom Pferd, trat auf Helmers zu und bat, seine Hand ergreifend:
»Señor Helmers, wollen Sie nicht doch um meinetwillen von dem Pferd ablassen? Mir ist so unendlich angst!«
Er erglühte vor Wonne, und sein Auge traf mit einem glühenden Strahl das ihrige.
»Señorita«, entgegnete er, »sprechen Sie aufrichtig: Ist es eine Ehre oder eine Schande für mich, wenn ich erst behaupte, daß ich mich nicht fürchte, und dann doch zurücktrete?«
Sie senkte den Kopf, sie sah ein, daß er recht hatte, daß er vor den anderen, die alle gute Reiter waren, nicht zurückkonnte. Darum fragte sie kleinlaut:
»Sie wollen es also wirklich wagen?« – »Oh, Señorita Emma, für mich ist das kein Wagnis!«
Helmers blickte dem schönen Mädchen dabei mit einer so offenen, heiteren Zuversichtlichkeit in die Augen, daß es zurücktrat und an die Möglichkeit des Gelingens glaubte.
»Wohlan, nun gilt‘s!«
Mit diesen Worten trat er an den Hengst heran und wies die Vaqueros zurück, die ihm helfen wollten, die Fesseln abzunehmen. Das Tier wälzte sich noch immer schnaubend und stöhnend am Boden. Helmers nahm ihm den Korb ab und zog das Messer. Nur das Ende eines Lassos war dem Pferd um das Maul gebunden. Der Deutsche nahm diesen Riemen in die Linke, schnitt mit dem Messer die Fesseln erst der Hinter-, dann auch der Vorderbeine durch und saß, als der Rappe emporschnellte, wie angegossen auf dessen Rücken.
Jetzt begann ein Kampf zwischen Reiter und Pferd, wie ihn noch keiner der sich vorsichtig zurückziehenden Zuschauer gesehen hatte. Der Hengst ging vorn und hinten in die Höhe, bockte zur Seite, schlug und biß, warf sich zu Boden, wälzte sich, sprang wieder empor – immer blieb der Reiter über ihm. Es war zunächst ein Kampf der menschlichen Intelligenz gegen die Widerspenstigkeit eines wilden Tieres, dann aber wurde es ein Kampf allein der menschlichen Muskeln gegen die tierische Kraft. Das Pferd schwitzte förmlich Schaum, es schnaubte nicht, sondern es grunzte, stöhnte, es strengte den letzten Rest seines Willens an, aber der eisenfeste Reiter gab nicht nach, mit stählernem Schenkeldruck preßte er das Pferd zusammen, daß diesem der Atem auszugehen drohte, und nun erhob es sich zum letzten Mal mit allen vieren in die Luft, dann – schoß es davon, über Stock und Stein, über Graben und Büsche, daß man es mit seinem Reiter in einer halben Minute nicht mehr erblickte.
»Donnerwetter, so etwas habe ich noch nicht gesehen!« gestand Arbellez. – »Er wird den Hals brechen«, sagte einer der Vaqueros. – »Nun nicht mehr«, meinte ein anderer. »Er hat gesiegt.« – »Oh, war es mir angst!« gestand Emma. »Aber ich glaube nun wirklich, daß keine Gefahr mehr vorhanden ist. Nicht war, Vater?« – »Sei ruhig. Wer so fest sitzt und solche Stärke zeigt, der stürzt nun nicht mehr herab. Das war ja gerade, als ob Teufel gegen Teufel kämpften. Ich glaube, dieser Itintika könnte es auch nicht besser machen.«
Da trat Büffelstirn heran und sagte:
»Nein, Señor, er kann es nicht besser machen, sondern nur ganz genauso.« – »Wieso? Ich verstehe nicht.« – »Dieser Señor Helmers ist ja Itintika, der Donnerpfeil.« – »Was?« fuhr Arbellez auf. »Er? Der Donnerpfeil?« – »Ja. Fragt hier den Häuptling der Apachen.«
Arbellez richtete einen fragenden Blick auf den Genannten.
»Ja, er ist es«, sagte dieser einfach. – »Ja, wenn ich das wußte, so hätte ich keine solche Angst ausgestanden«, erklärte der Haziendero. »Es war mir wahrhaftig so, als ob ich selbst auf dem Tier säße.«
Emma blickte still vor sich hin, aber in ihrem Auge brannte ein glückliches, inniges Feuer. Helmers hatte recht gehabt, er konnte nicht zurück, es hatte sich um seine Ehre gehandelt, und nun wußte sie, daß er ein noch viel größerer Held sei, als sie bisher gedacht hatte.
Voller Erwartung blieben alle halten, und keiner ging von dem Platz fort. So verfloß eine Viertelstunde, da kehrte Helmers zurück. Der Rapphengst war zum Zusammenbrechen müde, aber der Reiter saß lächelnd und frisch auf seinem Rücken. Emma ritt ihm entgegen.
»Señor, ich danke Euch!« sagte sie.
Ein anderer hätte gefragt. »Wofür?« Er aber verstand sie und lächelte ihr glücklich zu.
»Nun, Señor Arbellez«, fragte er, »braucht es denn gerade wirklich dieser Itintika zu sein?« – »Natürlich!« – »Na, ich denke, wir können ihn entbehren, denn ich kann es auch.« – »Weil Ihr es seid, ja.« – »Aha, so ist mein Geheimnis verraten!« lachte er. – »Und das Inkognito des Fürsten der Savanne ist zu Ende«, fügte Emma hinzu.
Es wurde ihm von allen Seiten die lauteste Bewunderung zuteil, er aber wehrte alle Lobeserhebungen ab und sagte:
»Ich bin noch nicht fertig. Darf ich Sie auf Ihrem Ritt begleiten, Señor Arbellez?« – »Ist das Pferd nicht zu müde?« – »Es muß, ich will es so.« – »Gut, so kommt!«
Sie ritten nun die weiten Plätze ab, auf denen Pferde, Rinder, Maultiere, Schafe und Ziegen weideten, und kehrten dann nach Hause zurück, wo der Rapphengst angepflockt wurde.
6. Kapitel
Als Karja, die Indianerin, sich nach ihrem Zimmer begab und an der Tür des Grafen vorüberging, öffnete sich diese, und Graf Alfonzo trat für einen Augenblick heraus.
»Karja«, fragte er, »kann ich dich heute sprechen?« – »Wann?« fragte sie. – »Zwei Stunden vor Mitternacht.« – »Wo?« – »Unter den Ölbäumen am Bach.« – »Ich komme!«
Als der Abend hereingebrochen war, versammelte man sich im Speisesaal, wo ein großartiges Souper aufgetragen wurde. Auch die beiden Indianerhäuptlinge waren anwesend, der Graf jedoch ließ sich nicht sehen. Er hatte sich bereits nach den Ölbäumen geschlichen, in deren Nähe das Wasser so vertraulich rauschte. Um die angegebene Zeit kam die Indianerin. Er umschlang sie und zog sie zu sich nieder. Sie