gehören hinaus auf die Weide, nicht aber in die Estanzia.«
Die Indianerin schüttelte den schönen Kopf.
»Du bist nicht edel, Alfonzo.« – »O doch, aber ich hasse alles Häßliche.« – »Ist dieser Donnerpfeil etwa häßlich?« – »Donnerpfeil? Der große Reiter und Rastreador? Den habe ich ja noch gar nicht gesehen.« – »Du hast ihn allerdings gesehen. Es ist Helmers.« – »Verdammt! Nun begreife ich auch die Forderung.« – »Wirst du dich mit ihm schlagen?« – »Fällt mir nicht ein. Er ist mir nicht ebenbürtig!«
Die Indianerin liebte Alfonzo, und sie hatte Angst um ihn, darum sagte sie:
»Daran tust du recht, du wärest sonst verloren.«
Es ist nicht angenehm für einen Mann, von der Geliebten zu hören, daß sie einen anderen für stärker und tapferer hält. Er antwortete daher
»Du täuschst dich. Sahst du mich einmal schießen oder fechten?« – »Nein.« – »Nun, so kannst du auch nicht über mich urteilen. Ein Ritter, ein Graf muß ja in solchen Dingen jedem Jäger überlegen sein. Du wirst mich erst kennenlernen, wenn ich dich zu meiner Gemahlin erhoben habe.« – »Oh, das wird nie geschehen!« – »Warum zweifelst du?« – »O Alfonzo, ich möchte dir ja so gern glauben. Ich liebe dich, und wir würden glücklich sein.« – »Ja, wir werden es, und ob früher oder später, das kommt ganz auf dich an, mein süßes Herz. Kennst du nicht die Bedingung, die ich dir gesagt habe?« – »Sie ist hart, denn sie verlangt, daß ich meinen Schwur breche, daß ich zur Verräterin an meinem Volk werde.« – »Der Schwur bindet dich nicht, da du ihn als Kind gabst und dein Volk kein Volk mehr ist. Wenn du mich liebst und die meinige werden willst, so ist nur mein Volk das deinige. Ich bin jetzt nach der Hacienda del Erina gekommen, um mir Gewißheit zu holen. Muß ich auch dieses Mal ohne dich abreisen, so gehe ich nach Spanien, und wir sind getrennt für immer.« – »Du bist grausam.« – »Nein, ich bin nur vorsichtig. Ein Herz, das kein Opfer zu bringen vermag, kann nicht wirklich lieben.« – »Oh«, rief Karja, ihn umschlingend, »ich liebe dich ja unendlich! Glaube es mir doch!« – »So beweise es mir!« – »Muß es wirklich sein?« – »Ja. Wir brauchen die Schätze der Königshöhle, um dem Vaterland einen neuen Herrscher zu geben. Und die erste Tat dieses Herrschers wird sein, dich in den Adelsstand zu erheben, damit du Gräfin Rodriganda werden kannst.« – »Das wird wirklich geschehen?« – »Ich schwöre es dir zum tausendsten Mal.« – »Und du wirst meinem Bruder niemals verraten, daß ich es war, die dir das Geheimnis mitteilte?« – »Niemals. Er wird gar nicht erfahren, wer die Schätze gehoben hat.«
Alfonzo fühlte die Indianerin nachgiebig werden, und seine Brust schwoll vor Entzücken. Er heuchelte ihr nur Liebe, um ihr das Geheimnis zu entlocken, und hätte ihr jetzt alles, alles versprochen, um sie nur zum Reden zu bringen.
»Nun gut, du sollst erfahren, wo sich der Königsschatz befindet. Aber nur unter der Bedingung, daß ich dir erst am Tag unserer Verlobung das Geheimnis offenbare.« – »Das geht nicht«, sagte er enttäuscht. »Du erhältst den Adel nur nach der Entdeckung des Schatzes, und eher darf den Gesetzen des Landes gemäß unsere Verlobung nicht stattfinden.« – »Ist dies wirklich wahr?« fragte sie.
Alfonzo umschlang sie, drückte sie an sich und küßte sie zärtlich auf die schwellenden Lippen. – »Es ist so, glaube es mir doch, meine liebe, liebe Karja. Du weißt ja, daß ich ohne dich nicht leben kann! Du bist zwar ein Fürstenkind, aber das gilt nach spanischen Gesetzen nicht als Adel. Meinem Herzen bist du teuer und ebenbürtig, vor der Welt aber ist dies anders. Magst du mir denn nicht vertrauen, mein Leben?« – »Ja, du sollst es erfahren«, erwiderte Karja, deren Widerstand unter seinen Zärtlichkeiten zusammenschmolz. »Aber dennoch wirst du mir eine ganz kleine Bedingung erlauben. Gib mir vorher eine Schrift, in der du bekennst, daß ich gegen Überantwortung des Schatzes deine Frau werden soll.«
Diese Bedingung war Alfonzo höchst fatal; aber sollte er jetzt, so nahe am Ziel, einer Albernheit wegen zaudern? Nein. Diese Indianerin war nicht die Person, mit einigen geschriebenen Worten irgendwelche Ansprüche rechtfertigen zu können; darum antwortete er bereitwillig:
»Gern, sehr gern, meine Karja! Ich tue ja damit nur das, was ich selbst von ganzem Herzen wünsche. Also sag, wo liegen die Schätze?« – »Erst die Schrift, lieber Alfonzo!« – »Schön. Ich werde sie bis morgen mittag anfertigen.« – »Und dein Siegel darunter setzen?« – »Jawohl!« – »So werde ich dir am Abend den Ort beschreiben.« – »Warum erst am Abend? Die Schrift ist ja bereits am Mittag fertig. Darf ich da zu dir kommen?« – »Nein. Ich muß jeden Augenblick gewärtig sein, daß Emma oder eine der Dienerinnen mich aufsucht. Man könnte uns leicht überraschen.« – »So kommst du zu mir?« – »Ich zu dir?« fragte sie zögernd. – »Fürchtest du dich?« – »Nein. Ich werde kommen.« – »Ich kann mich darauf verlassen?« – »Ja, gewiß!«
Da zog er Karja abermals an sich und küßte sie, obgleich ihm diese Zärtlichkeit eine gewisse Überwindung kostete. Sein Herz war zwar weit, aber eine Indianerin war doch nicht nach seinem Geschmack. Er liebte – wenigstens für jetzt – eine andere, und diese andere war Emma Arbellez, deretwegen er so oft von Mexiko nach der Hazienda kam, Emma Arbellez, die ihn doch stets so kalt und schroff zurückwies und ihm noch heute ihre Verachtung in so deutlichen Ausdrücken zu verstehen gegeben hatte.
Während Alfonzo und die Indianerin unter den Oliven saßen, führte Helmers den Häuptling Tecalto nach seinem Lagerplatz im Gras der Weide. Er war seit langer Zeit die freie Gottesnacht gewöhnt und wollte, ehe er sich im Zimmer schlafen legte, noch eine Lunge voll frischer Luft sammeln. Darum ging er, als er sich von dem Häuptling verabschiedet hatte, noch nicht in die Hazienda zurück, sondern trat in den Blumengarten, wo er sich am Rand des künstlichen Bassins niederließ, in dem eine Fontäne ihren belebenden Wasserstrahl in die Höhe schoß.
Er hatte noch nicht lange hier gesessen, als er leise Schritte hörte. Gleich daraufkam eine weibliche Gestalt langsam den Gang dahergeschritten und gerade auf die Fontäne zu. Er erkannte Emma und erhob sich, um nicht vielleicht für einen Lauscher gehalten zu werden. Sie erblickte ihn und zauderte, weiterzugehen.
»Bitte, Señorita, treten Sie getrost näher«, bat er. »Ich werde mich sogleich entfernen, um Sie nicht zu stören.« – »Ach, Sie sind es, Señor Helmers«, antwortete sie. »Ich glaubte, daß es ein anderer sei, und dachte, Sie hätten sich bereits zur Ruhe begeben.« – »Das Zimmer ist mir noch zu unbequem und drückend; man muß sich erst daran gewöhnen!« – »Es ging mir ganz ebenso, darum suchte ich vorher noch den Garten auf.« – »So genießen Sie den Abend ungestört. Gute Nacht, Señorita.«
Helmers wollte sich zurückziehen, sie aber nahm ihn bei der Hand, um ihn zurückzuhalten.
»Bleiben Sie, wenn es Ihnen Bedürfnis ist«, sagte sie. »Unser Gott hat Luft und Duft und Sterne genug für uns beide. Sie stören mich nicht.«
Er gehorchte und nahm neben ihr am Rand des Bassins Platz.
Unterdessen hatte sich der Häuptling der Mixtekas hart an der Gartenpalisade niedergelegt. Er blickte träumerisch gen Himmel und ließ seine Phantasie hinaufsteigen in jene ewigen Welten, wo die Sonnen rollen, die von seinen Ahnen verehrt worden waren. Dabei aber hatte er doch Sinn für das kleinste Geräusch seiner Umgebung.
Da war es ihm, als ob er im Innern des Blumengartens leise Schritte und dann auch unterdrückte Stimmen vernehme. Er wußte, daß der Graf sich bemühte, so oft wie möglich in die Nähe seiner Schwester Karja zu kommen, und ebenso, daß diese dem Bestreben des Grafen keinen Widerstand entgegensetzte. Sein Argwohn erwachte. Weder der Graf noch Karja waren seit einer Stunde in der Hazienda zu sehen gewesen. Sollten sie ein Stelldichein im Garten verabredet haben? Er mußte das erfahren, das war notwendig für ihn und sie.
Er erhob sich also und schwang sich mit echt indianischer Leichtigkeit über die Palisaden in den Garten hinüber. Dort legte er sich auf den Boden und schlich mit solcher Unhörbarkeit näher, daß selbst das geschärfte, jetzt aber in Sicherheit gewiegte Ohr des Deutschen nichts vernahm. So erreichte er unbemerkt die andere Seite des Bassins und konnte nun jedes Wort der Unterhaltung verstehen.
»Señor, ich sollte Ihnen eigentlich zürnen«, sagte Emma soeben. – »Warum?«