Feinden nicht fürchtet; er hat einen großen Mund und eine kleine Hand, er spricht viel und wird nichts tun.«
Damit trat er an das Fenster und blickte hinaus, als ob ihn alles Weitere nichts angehe.
Sternau hatte seine Jägerkleidung mit auf die Reise genommen. Er hatte sie auf der Jacht eingepackt sie mit nach Mexiko gebracht und in Mexiko hinter sich auf das Pferd geschnallt. Er legte sie jetzt an und kam dann zurück.
»Jetzt können wir gehen«, sagte er.
Der Mixteka drehte sich um. Als sein Auge auf den Mann fiel, der vor ihm stand, spiegelte sich auf seinem Gesicht das lebhafteste Erstaunen.
Sternau trug ein Paar elenlederne Leggins, ein festes Jagdhemd, einen breitkrempigen Hut und hoch heraufgehende Stiefel. Ober seiner Schulter hingen ein Henrystutzen, mit dem man fünfundzwanzigmal schießen kann, ohne zu laden, und eine doppelläufige Bärenbüchse. In seinem Gürtel steckten zwei Revolver, ein Bowiemesser und ein glänzender Tomahawk. Diese Waffen, außer dem Tomahawk, hatte der Indianer bereits gesehen. Das Äußere Sternaus war jetzt so kriegerisch und gebieterisch, daß es wohl Bedenken einzuflößen vermochte.
Der Indianer schritt an ihm vorüber und sagte nur das eine Wort:
»Kommt.«
Da er Sporen an den Stiefeln trug, fragte Sternau:
»Seid Ihr beritten?« – »Ja«, sagte Büffelstirn, noch einen Augenblick stehenbleibend. – »Wollt Ihr nach der Schlucht des Tigers reiten?« – »Ja.« – »Laßt Euer Pferd da, wir werden gehen.« – »Warum?« – »Ein Mann kann sich eher verbergen als ein Reiter, und ein Pferd verrät leicht den, dem es gehört. Ich will nicht die Fährte eines Pferdes machen.«
Der Blick des Mixteka leuchtete auf. Er sah ein, daß Sternau recht hatte. Er führte also sein Pferd nach der Weide, trat dann mit dem Deutschen hinaus ins Freie und schritt mit langsamen Schritten voran, ohne sich umzusehen. Nur einmal, als der Boden sandig war, blieb er stehen und blickte auf die Spur zurück, die sie gemacht hatten. Es war nur die Spur eines einzigen Mannes, denn Sternau war in die Fußstapfen seines Führers getreten.
»Ugh!« sagte dieser und nickte still mit dem Kopf.
Der Weg führte erst über von Sandflächen durchbrochenes Weideland, dann über mit Kleinholz bewachsene Höhen und endlich in einen Wald, dessen Bäume so stark waren, daß sich ein Mann gut hinter ihnen verbergen konnte. Jetzt waren sie fast zwei Stunden gegangen, als Sternau bemerkte, daß der Indianer vorsichtiger wurde; er schloß daraus, daß die Schlucht des Tigers in der Nähe sei. Zum Überfluß blieb der Mixteka stehen und sagte leise:
»Sie sind nicht weit von uns; mache keinen Lärm!«
Sternau beantwortete diese Mahnung mit keiner Silbe, mit keiner Miene und folgte seinem Führer schweigend weiter. Endlich legte sich dieser platt auf den Boden und bedeutete ihm, ein Gleiches zu tun. So krochen sie leise, ganz leise vorwärts, bis laute Stimmen an ihr Ohr schlugen.
Sie kamen in kurzer Zeit an den Rand einer tiefen Schlucht, deren Wände so steil abfielen, daß man sie unmöglich erklettern konnte. Diese Schlucht war vielleicht achthundert Schritte lang und dreihundert Schritte breit. Auf ihrem Grund schlängelte sich ein Wasser dahin, und an dem Ufer desselben lagen, im Gras ausgestreckt, gegen dreißig wohlbewaffnete Gestalten. Sowohl am Eingang als auch am Ausgang der Schlucht saß eine Wache.
Sternau überblickte das in einer Sekunde, dann flüsterte er:
»Ihr habt dreimal zwölf Krieger gesehen?« – »Ja.« – »Jetzt sind es kaum zweimal fünfzehn. Die anderen sind fort.« – »Sie werden auf Kundschaft gehen.« – »Oder auf Raub.«
Sternau horchte hinab. Es wurde so laut gesprochen, daß man ganz deutlich jedes Wort vernehmen konnte. Diese Menschen mußten sich sehr sicher fühlen.
»Und wieviel sollten wir erhalten, wenn wir sie erwischten?« fragte der eine. »Zehn Pesos der Mann? Das wäre genug. So viel sind zwei Deutsche und ein Spanier nicht wert.«
Aus diesen Worten hörte Sternau, daß die Rede von ihm und seinen beiden Gefährten war.
»Sie hatten einen anderen Weg eingeschlagen, hole sie der Teufel!« sagte ein zweiter. – »Warum fluchst du?« fragte dessen Nachbar. »Ich sage dir, es ist gut, daß sie uns entgangen sind, denn nun erhalten wir die ganze Hazienda als Beute, allerdings nur unter der Bedingung, daß wir alles niederschießen, besonders aber den einen Deutschen und den Spanier.« – »Wie nannte der Señor die beiden Namen?« – »Der Deutsche heißt Sternau und der Spanier Lautreville.« – »Ob wir Männer genug sind, um die Hazienda zu überwältigen? Dieser Arbellez soll gegen fünfzig Vaqueros haben.« – »Narr, wir überraschen sie ja!«
Jetzt wußte Sternau genug. Er war nicht der Mann, unnötigerweise Menschenblut zu vergießen, hier aber handelte es sich um die Ausrottung einer Räuber- und Mörderbande. Er griff daher zum Henrystutzen und nahm ihn langsam und vorsichtig von der Schulter.
»Was wollt Ihr tun?« fragte der Indianer besorgt. – »Diese Menschen töten.«
Der Häuptling sperrte den Mund auf.
»So viele?« fragte er. – »Ja.«
Man sah es dem Gesicht des Indianers an, daß er seinen Begleiter für vollständig verrückt halte. Er wollte sich zurückziehen. Aber Sternau gebot:
»Bleib! Oder fürchtest du dich? Ich bin Matavase, der Fürst des Felsens. Diese Mörder sind alle in unsere Hand gegeben.«
Bei Nennung dieses Namens fuhr der Indianer vor Schreck halb empor, um eine Bewegung der tiefsten Ehrerbietung zu machen.
»Du bestreichst den Ausgang mit deiner Büchse! Keiner darf entkommen.«
Bei diesen Worten legte Sternau auch die Büchse handgerecht vor sich hin, griff wieder zum Stutzen, legte an und senkte das Rohr nach abwärts. Aber er besann sich doch anders.
»Du sollst sehen, wie der Fürst des Felsens seine Feinde besiegt.«
Mit diesen Worten erhob er sich, so daß er von unten vollständig gesehen werden konnte, und stieß einen lauten Schrei aus, wie die Präriejäger es tun, wenn sie sich im Wald verirrt haben. Sofort richteten sich aller Augen zu ihm empor.
»Hier steht Sternau, den ihr haben wollt!« rief er hinab.
Seine Stimme schallte im Echo wider, und zugleich krachte sein Stutzen zum ersten Mal. Die Briganten waren aufgesprungen und griffen nach ihren Gewehren, die in der Schlucht zerstreut umherlagen. Aber sobald einer Miene machte, durch den Eingang zu entfliehen, streckte ihn die nächste Kugel nieder.
Die Schüsse fielen so schnell hintereinander, als ob zehn Schützen aus Doppelgewehren feuerten. Auch der Indianer hatte mit seiner Büchse zwei niedergestreckt, und als Sternau endlich den Stutzen wegwarf und nach der Büchse griff, waren nur noch zwei übrig. Den einen schoß er nieder, den letzten aber wollte er schonen.
»Leg dich nieder und beweg dich nicht!« rief er ihm zu. Der Mann gehorchte auf der Stelle.
»Geh hinab zu ihm, während ich ihn von oben bewache«, gebot er dem Häuptling der Mixtekas.
Dieser eilte in weiten Sprüngen am Rand der Schlucht dahin, bis er am Ausgang die Sohle erreichte und den Mann, der noch immer bewegungslos am Boden lag. Nun konnte dieser nicht entkommen. Sternau war dem Indianer gefolgt.
Jetzt gebot er dem am Boden Liegenden: »Steh auf!«
Der Mann erhob sich. Er zitterte an allen Gliedern. Ein solches Massaker war ihm noch gar nicht vorgekommen.
»Wie viele Männer wart ihr?« fragte ihn Sternau. – »Sechsunddreißig.« – »Wo sind die Fehlenden?«
Der Mann zögerte mit der Antwort.
»Rede, sonst kostet es dich dein Leben!« – »Sie sind nach der Hacienda Vandaqua.« – »Was tun sie dort?« – »Sie besuchen den Señor.« – »Wer ist der Señor?« – »Der uns befahl, die Hacienda del Erina zu überfallen.« – »Hat er euch seinen Namen nicht genannt?« – »Nein.« – »Ich kenne ihn dennoch. Habt ihr Pferde bei euch?« – »Ja.« – »Wo sind sie?«