er die Schlucht erreichte, waren die Vaqueros unter Anführung Büffelstirns mit ihrer Beute bereits wieder unterwegs, und er fand daher nur die nackten, ausgeplünderten Leichen seiner Verbündeten. Im höchsten Schreck sprang er vom Pferd und untersuchte die Schlucht.
»Die von der Hacienda del Erina sind hiergewesen«, sagte er zu seinen Begleitern. »Man hat erfahren, was wir beabsichtigten, und unsere Leute überfallen. Sehen wir rasch nach unseren Pferden!«
Doch als sie den Ort erreichten, an dem die Tiere sich auf der Weide befunden hatten, war keins derselben mehr vorhanden.
»Fort, alles fort!« rief jetzt Cortejo. »Diese Leute haben sich ganz gewiß nach allem genau erkundigt und wissen, daß wir fort waren und hier eintreffen werden. Sie werden also wiederkommen oder haben uns bereits einen Hinterhalt gelegt. Wir müssen fliehen, und zwar schnell, sogleich!« – »Ohne uns zu rächen?« fragte finster einer der Männer. – »Wir werden uns rächen, aber erst, wenn wir Aussicht auf Erfolg haben.« – »Und wohin reiten wir?« – »Dahin, wo wir am schnellsten vor Kampf und Verfolgung sicher sind, also nach der nächsten Stadt.« – »Also nach El Oro?« – »Ja. Wir reiten nicht direkt, sonst könnten sie uns auch dorthin folgen. Wir machen einen Umweg.« – »Gut. Wir tun Euch Euren Willen, aber wir bedingen uns aus, daß wir uns rächen dürfen. Wir haben die Verpflichtung, den Tod unserer Kameraden quitt zu machen.« – »Diesen Willen sollt ihr haben.«
Cortejo sprach diese Worte aus, ohne daß er es gewußt hätte, wie es ihm möglich sei, sein Versprechen zu erfüllen. Er sah ein, daß sein Vorhaben vollständig verunglückt sei und daß man auf der Hacienda del Erina die Augen offenhalten werde. Für die nächste Zeit war nichts zu machen, das glaubte er mit aller Gewißheit annehmen zu können.
Sie schlugen also einen Umweg nach Westen zu ein und wandten sich erst wieder nach Süden, als sie den Wald fast hinter sich hatten. Das nahm eine bedeutende Zeit weg, und als sie in die Nähe von El Oro gelangten, war es bereits Nacht geworden.
Die Pferde traten sicherer auf als vorher, denn sie fühlten jetzt einen gebahnten Weg unter ihren Hufen. Es war der Weg, der nach dem Städtchen führte. Einige Lichter schimmerten ihnen entgegen, und eben tauchte das erste Haus auf, als sie von einer barschen Stimme angerufen wurden.
»Wer da?« ertönte die Frage. – »Was soll das?« entgegnete Cortejo. – »Was das soll? Eine Antwort will ich haben!« – »Wer seid Ihr?« – »Donnerwetter, merkt Ihr das nicht? Dann seid Ihr ungeheuer dumm. Eine Schildwache bin ich, verstanden! Und wissen will ich, wer Ihr seid und was Ihr hier wollt.« – »Eine Schildwache? Macht keinen Spaß!« sagte Cortejo. »Ich möchte wissen, weshalb man hier eine Schildwache aufstellt!« – »Ihr werdet sogleich sehen, ob ich zum Spaß oder zum Ernst hier stehe!« antwortete der Mann mit drohender Stimme. »Also, wer da?« – »Gut Freund!« lachte Cortejo. »Laßt uns weiter!«
Da zog der Mann ein Pfeifchen aus der Tasche und blies hinein. Ein heller Pfiff ertönte.
»Was tut Ihr da?« fragte Cortejo. – »Ihr hört es ja. Ich gebe ein Signal.« – »Macht keine Faxen.«
Mit diesen Worten wollte Cortejo den Mexikaner zur Seite schieben, dieser jedoch schlug sofort sein Gewehr auf ihn an und rief:
»Zurück! Bleibt halten, sonst jage ich Euch eine Kugel durch den Kopf. Ihr habt zu warten, bis Leute kommen. El Oro steht unter Belagerungszustand.« – »Ah! Seit wann?« – »Seit zwei Stunden.« – »Und wer hat es in diesen Zustand versetzt?« – »Señor Juarez.«
Dieser Name verursachte eine sofortige Wirkung. Die Männer, die Cortejo begleiteten, hatten Miene gemacht, den Posten einfach über den Haufen zu reiten, jetzt aber drängten sie ihre Pferde zurück. Auch Cortejo stieß einen Ruf der Überraschung aus.
»Juarez!« rief er. »Ist er hier in El Oro?« – »Ihr hört es ja.« – »Oh, das ist etwas anderes, ich werde mich fügen. Da kommen schon Eure Kameraden.«
Auf den Pfiff des Postens war ein zweiter als Antwort erschollen, und jetzt nahten einige sehr gut bewaffnete Männer, von denen der eine, ihr Anführer, sagte:
»Was gibt es, Hermillo?« – »Diese Männer wollen in die Stadt.« – »Wer ist es?« – »Sie haben den Namen noch nicht gesagt.« – »So werden sie mir ihn wohl nennen.« – »Ich heiße Cortejo«, sagte dieser, »und bin aus der Hauptstadt. Jetzt befinde ich mich auf dem Rückweg nach derselben und wollte in El Oro übernachten.« – »Gehören die anderen zu Euch?« – »Ja.« – »Was seid Ihr?« – »Ich bin Verwalter der Besitzungen des Grafen Rodriganda.« – »Ach, auch so ein vornehmer Blutsauger! Kommt und folgt mir.«
Diese Worte wurden in einem nicht sehr freundlichen Ton gesprochen.
»Ich werde doch vielleicht vorziehen, weiterzureiten«, entgegnete Cortejo schnell, denn er fand augenscheinlich kein Wohlgefallen an seiner gegenwärtigen Lage, die ihm mutmaßlicherweise von keinem Vorteil sein konnte. – »Das geht nicht«, antwortete der Mann. »Ihr seid bis an unsere Vorposten gekommen und dürft nun nicht mehr zurück. Vorwärts.«
Jetzt folgte Cortejo. Es war kein großes Wagestück, auf dem Pferd in der Finsternis der Nacht zu entkommen, aber Cortejo war kein Held, er zog es vor, zu gehorchen.
Der Patrouillenführer geleitete sie in das Städtchen, das nur aus wenigen Häusern bestand, heute aber sehr belebt war. Überall erblickte man angehängte Pferde, deren Reiter sich bei den Einwohnern des Ortes gütlich taten.
Juarez ist derselbe, der in dem traurigen Schicksal des Kaisers Maximilian von Mexiko später eine so hervorragende Rolle spielte. Er war jetzt noch nicht Präsident, sondern nur Parteiführer, doch besaß er bereits genug Berühmtheit, um gefürchtet zu werden. Er war kein Weißer, sondern ein Indianer. Man wußte, daß er verwegen, listig und grausam sei, aber er besaß einen unerschütterlichen Charakter und einen Willen, der fest genug war, in den politischen Wirrwarr des Landes Klarheit und Festigkeit zu bringen.
Er hatte sein Quartier im besten Haus des Städtchens aufgeschlagen. Dorthin wurde Cortejo mit den Seinen geführt. Vor dem Eingang hielten vier bewaffnete Fahnenreiter mit gezogenen Degen Wache. Cortejo stieg mit den Seinen vom Pferd und gelangte mit seinem Führer in das Innere des Hauses. Dort wurde er sofort in ein großes Gemach geleitet, in dem man beim Abendbrot saß.
Am oberen Ende der Tafel präsidierte Juarez, der Indianer. Er trug sein Haar damals ganz kurz geschoren, so daß man den eckigen Bau seines mächtigen Schädels deutlich bemerken konnte, und war sehr einfach gekleidet, einfacher, als alle die Herren seiner Umgebung. Aber selbst ein Fremder hätte ihm angesehen, daß er ihrer aller Herr sei. »Was ist‘s?« fragte er kurz, als er die Eintretenden bemerkte. – »Diese Leute sind vom Posten angehalten worden«, antwortete der Gefragte.
Das Auge des Indianers richtete sich mit stechender Schärfe auf Cortejo.
»Wer seid Ihr?« fragte er. – »Ich heiße Cortejo, bin der Verwalter des Grafen de Rodriganda und wohne in Mexiko«, antwortete Cortejo.
Juarez sann einen Augenblick nach und fragte dann weiter:
»Des reichen Spaniers Rodriganda, dem die Hacienda del Erina gehörte?« – »Ja.« – »Wo wollt Ihr hin?« – »Heim nach Mexiko.« – »Und wo kommt Ihr her?« – »Von der Hacienda Vandaqua.« – »Was habt Ihr dort getan?« – »Den Haziendero besucht.« – »In welcher Angelegenheit?« – »Aus Freundschaft.«
Die Augenbrauen Juarez‘ zogen sich finster zusammen, und er stieß die Frage hervor.
»Ach, Ihr seid sein Freund?« – »Ja«, antwortete Cortejo unbefangen. – »So seid Ihr der meinige nicht. Dieser Mensch ist ein Anhänger von Miramon.«
Cortejo erschrak. Miramon war der Präsident von Mexiko. Er zog im Land umher, um sich Anhänger zu sammeln und vernichtete dabei rücksichtslos diejenigen, die sich ihm nicht ergeben zeigten.
»Ich habe ihn nach seiner politischen Ansicht niemals gefragt.«
Damit wollte Cortejo sich verteidigen, schien aber seine Lage nicht verbessert zu haben, denn es traf ihn ein Blitz aus den dunklen Augen, und die Lippen Juarez‘ zogen sich auseinander, so daß man, etwa wie bei einem zähnefletschenden