– »Ja«, antwortete Cortejo im Ton der Sicherheit. – »Nun, da irrt Ihr Euch gewaltig.« – »Ihr würdet Euch dennoch hüten, Euch mit bestrafen zu lassen.« – »Ihr vergeßt Eure eigenen Reden. Ihr habt ja vorhin gesagt, daß man mich suche, um mich verschwinden zu lassen. Das heißt doch, daß ich durch Tod oder lebenslängliche Gefangenschaft unschädlich gemacht werden soll. Ist dies einmal der Fall, zeigt Ihr mich an, und ich werde infolgedessen gefangen, so kann mein Schicksal dadurch, daß ich Eure Taten verrate, kein schlimmeres werden.« – »Meinetwegen; ich würde mich den Teufel um das scheren, was Ihr von mir sagt.« – »Man würde Euch zwingen, Euch darum zu scheren.« – »Oh, im Gegenteil. Man würde Euch kein Wort glauben.« – »Ich würde Beweise bringen.« – »Woher wolltet Ihr diese nehmen?« – »Oh, es stehen mir ihrer genug zur Verfügung. Ich erwähne da zum Beispiel die verschiedenen Briefe und Instruktionen, die Ihr mir geschrieben und zugesandt habt.« – »Das macht mich nicht bange. Diese Sachen sind vernichtet.« – »Glaubt Ihr das wirklich?« fragte Landola verächtlich. – »Wir haben ja das Übereinkommen getroffen, gegenseitig alle diese Skripturen zu vernichten.« – »Das ist wahr. Auch bin ich vollständig überzeugt, daß Ihr alle meine Schreibereien verbrannt habt.« – »Natürlich!« – »Wirklich?« fragte Landola, einen forschenden Blick in sein Gesicht werfend. – »Es ist nichts mehr vorhanden. Ich habe mein Wort gehalten.« – »Das war sehr ehrlich, aber auch sehr dumm von Euch«, rief Landola, dem bei Cortejos Versicherung sichtlich leichter geworden war. »Dumm? Ich begreife das nicht ganz.« – »Nicht? Wirklich nicht? Diese Sachen könnten Euch doch als Beweise gegen mich dienen.«
Cortejo stieß ein höhnisches Lachen aus.
»Ihr nennt mich dumm?« sagte er. »Bekümmert Euch um Eure eigene Kurzsichtigkeit! Diese Sachen hätten zugleich als Beweise gegen mich gedient.« – »Ja, da sie zeigten, daß ich Eure Befehle ausgeführt habe. Und nun denkt Ihr wohl, daß ich diese letzteren auch vernichtet habe?« – »Ja. Ich sagte das bereits.« – »Ihr irrt Euch sehr. Es ist noch alles vorhanden.« – »So seid Ihr ein Verräter, ein Lügner. – »Meinetwegen.« – »Diese Schreibereien werden ja Euch selbst gefährlich.« – »Oho! Wollt Ihr die Güte haben, mir dies zu beweisen?« – »Alles das, was Ihr getan habt, ist dort verzeichnet!« – »Es ist daraus zu ersehen, was ich ausführen sollte, nicht aber, was ich wirklich ausgeführt habe. Wer kann mir beweisen, daß ich Euren Befehlen wirklich gehorsam gewesen bin?« – »Ich!« – »Das würde Euch schwerfallen.« – »Ich beschwöre es.« – »Und ich beschwöre das Gegenteil.« – »Wir stehen in einer mehr als zwanzigjährigen Verbindung. Dies würde nicht der Fall sein, wenn Ihr nicht getan hättet, was ich von Euch verlangte. Das werden die Richter annehmen.« – »Dieser Schluß ist nicht ganz sicher.« – »Nun gut. So bringe ich Zeugen.« – »Wen?« – »Don Ferdinando.« – »Der ist tot.« – »Er lebt. Ferner unseren Agenten Verdillo in Verakruz.« – »Er wird sich hüten, gegen sich selbst auszusagen.« – »Ich verrate, daß Ihr der Seeräuber Grandeprise seid.« – »Und von Euch ging das Unternehmen aus. Das Schiff gehörte Euch. Ihr strecktet das Geld dazu vor und erhieltet dafür die Hälfte des Gewinnes.« – »Die Hälfte? Oh, ich bin überzeugt, daß Ihr mich fürchterlich betrogen habt.«
Da lachte Landola auf und antwortete:
»Da könnt Ihr allerdings recht haben, mein verehrtester Señor.« – »Betrüger!« sagte Cortejo grimmig. – »Danke!« – »Schwindler!« – »Danke!« – »Ich habe mir dies längst gedacht.« – »Das konntet Ihr Euch vom ersten Augenblick an denken. Es versteht sich ganz von selbst, daß ich neunzig Prozent des Ertrages für mich nahm.« – »Neunzig! Neunzig Prozent!« rief Cortejo erstaunt. – »Ja. Ihr saßt ruhig zu Hause und wartetet darauf, Euer Geld einstreichen zu können; ich aber und meine Jungens, wir hatten das Risiko. Wir mußten kämpfen, wir wagten das Leben, und für den Fall, daß wir besiegt wurden, erwartete uns der Strick um den Hals. Daher erhieltet Ihr den zehnten Teil. Es war genug, denn es belief sich auf ein ganzes Vermögen. Das übrige aber gehörte uns.« – »Alle Teufel! Zehnmal mehr als ich. Das müssen Millionen gewesen sein.« – »Natürlich.« – »Was habt Ihr um Gottes willen mit diesen Summen gemacht?« – »Verlebt, vertrunken, verspielt.« – »Alle Teufel! Welche albernen Kerle!« – »Albern? Pah! Wenn man heute nicht weiß, ob man morgen bereits aufgehängt wird, so genießt man den Augenblick. Wenn es Euch aber wohltuend berühren sollte, zu erfahren, daß doch nicht alles verjuchhet wurde, so will ich Euch aufrichtig gestehen, daß ich irgendwo an einem sehr verborgenen Platz eine Sparkasse habe.« – »Ah. Ihr habt Geld versteckt?« fragte Cortejo rasch. – »Ja.« – »Viel?« – »Es langt vollauf, um mich zur Ruhe zu setzen.« – »Wo ist der Platz?« – »Meint Ihr wirklich, daß ich Euch dies sagen werde?« – »Ich möchte nur wissen, in welchem Land es ist.« – »Auch das geht Euch nichts an!« – »Gut! Behaltet Euren Raub! Aber seid auch überzeugt, daß ich nun ganz so an Euch handeln werde, wie Ihr Euch gegen mich verhalten habt.«
Landola nickte langsam mit dem Kopf.
»Wollt Ihr mir wohl sagen, was Ihr damit meint?« fragte er. – »Ich werde nun jede Rücksicht, die ich für Euch hatte, verbannen.« – »Ich habe nichts dagegen.« – »Ich werde Rechenschaft fordern.« – »Worüber?« – »Daß Don Ferdinando noch lebt.« – »Beweist mir erst, daß er wirklich lebt.« – »Meine Nichte schreibt es mir.« – »Sie lügt.« – »Auch die Zigeunerin Zarba weiß es bereits.«
Landola entfärbte sich.
»Habt Ihr mit ihr gesprochen?« fragte er. – »Ja.« – »Über Don Ferdinando?« – »Ja.« – »Sie sagte, daß er noch lebe?« – »Sie wußte es ganz genau.« – »Nein, sie irrt sich. Er starb und wurde in Mexiko begraben.« – »Lüge! Er erhielt ein Gift, das scheintot macht!« – »Donnerwetter!« – »Ihr erschreckt jetzt? Ja, ich weiß alles! Der Graf wurde zwar begraben, aber wieder aus dem Sarg genommen und zu Schiff von Euch in die Sklaverei gebracht. Wollt Ihr das leugnen?«
Landola blickte Cortejo mit einem pfiffig-überlegenen Lächeln an und antwortete:
»Ihr meint, daß ich erschrecke? Bildet euch doch das nicht ein! Was Ihr sagt, oder was Ihr wißt, ist ganz gleichgültig. Von einem Leugnen kann gar keine Rede sein.« – »Ihr gebt also zu, daß der Graf lebt?« – »Ob er lebt, kann ich nicht wissen.« – »Aber Ihr gesteht, daß er damals nicht gestorben ist?« – »Das gebe ich zu.« – »Also doch! Ihr seid ein ganz gemeiner Betrüger!« – »Pah! Wir sind uns ebenbürtig!« – »Warum habt Ihr mich hintergangen?« – »Es geschah auf Wunsch Eures Bruders.« – »Also doch! Ganz so, wie ich es dachte! Aber welchen Grund gab mein Bruder an?« – »Keinen.« – »Er sagte Euch, warum Don Ferdinando sterben müsse?« – »Ja.« – »Nun, warum?« – »Um Alfonzo Platz zu machen.« – »Gut. So muß er Euch aber doch auch gesagt haben, warum der Don wieder auferstehen müsse.« – »Kein Wort. Ich dachte mir es selbst.« – »Da möchte ich wissen, was Ihr Euch gedacht habt.« – »Ihr könnt es erfahren. Wißt Ihr, daß Señorita Josefa in Alfonzo verliebt war?« – »Ja.« – »Sie wollte Gräfin von Rodriganda werden. Wäre sie es geworden, so brauchte der Graf nicht wieder von den Toten aufzuerstehen. Don Alfonzo aber mochte nichts von ihr wissen …« – »Ich auch nicht. Ha, diese Vogelscheuche, und eine Gräfin Rodriganda!« – »Ihr mögt recht haben, aber sie und ihr Vater ärgerten sich darüber. Ihr und Alfonzo hattet alles, sie hatten nichts. Sie wollten auch ihren Anteil haben. Sie wollten über die mexikanischen Besitzungen der Familie verfügen.« – »Das haben sie auch getan.« – »Wirklich?« – »Ja. Ich habe von dem Ertrag der drüben liegenden Güter nicht einen Dollar erhalten.« – »Auch nicht verlangt?« – »O doch; aber man hörte nicht darauf.« – »So ist es mir begreiflich, warum Euer Bruder sich nicht mehr um den alten Grafen bekümmert hat. Hättet Ihr ihn nicht im ruhigen Genuß der Güter gelassen, so hätte ich den Don holen müssen.« – »Habt Ihr das mit ihm besprochen?« – »Nein. Er war sehr zurückhaltend, aber er hat es mir angedeutet.« – »Was hätte er mit dem Don gemacht?« – »Ihn wieder in seine Besitzungen eingesetzt, so daß Ihr gezwungen gewesen wäret, zu verzichten. Jedenfalls wäret dann Ihr und Don Alfonzo verloren gewesen.« – »Das soll er mir büßen! Aber, zum Teufel, wie konntet Ihr Euch zu einem solchen Verrat