verlange ein kräftiges Essen, weil ich fünfzig Meilen geritten bin und gewaltigen Hunger habe. Das ist natürlich ein Unterschied. Ich werde sofort in deinem Kredit sinken und für einen Barbaren gehalten werden.«
Sie verschloß ihm den Mund mit einem Kuß.
»Still, du Bär! Du weißt, daß du mir tausendmal lieber bist als alle anderen. Die kommen herein, geschniegelt bis zum Ekeln; sie duften, äugeln, sie säuseln und flattern – pah! Wenn du aber kommst, so sehe ich einen Mann. Ich sage dir, Gerard, ich würde sofort den ganzen Plunder vom Leib reißen und den ärmlichsten Rock anziehen, um dir hinaus in den Hinterwald zu folgen und Kartoffeln, Schoten und Mais zu bauen. Aber ich bin dir nicht gut genug, und du hast leider recht. Meine Liebe verschmähst du, aber meine Freundschaft sollst du doch annehmen müssen. Sag, was willst du essen? Auftragen kann ich nicht lassen, da niemand wissen darf, daß du bei mir bist.« – »Hole mir ein großes Stück trockenes Brot und etwas Fleisch dazu.« – »Weiter nichts?« – »Nein.« – »Ist das ein Mensch!« lachte sie. »Er kann alle Delikatessen haben und verlangt trockenes Brot. Doch du sollst deinen Willen haben.«
Sie erhob sich, um das Verlangte zu holen. Als sie durch das Boudoir schritt und zur Tür hinausging, so stolz, so schön wie eine Königin, blickte er ihr nach. Es war fast ein Ausdruck des Mitleids zu nennen, der dabei über seine Züge glitt, aber er schüttelte die Regung ab und murmelte:
»Pah! Sie ist trotz dieser wahrhaft treuen, untertänigen Liebe dennoch nicht unglücklich. Sie liebt den Glanz und den Genuß; beides ist ihr geboten, und so ist sie mit ihrer gegenwärtigen Lage ganz zufrieden. Aber, bei Gott, ich habe gar nicht gedacht, daß ein Kerl wie ich einem so schönen Weib solche Zuneigung einflößen könne! Die Liebe ist wirklich ein launenhaftes Ding!«
Sie kehrte zurück und setzte ihm einen Teller vor, von welchem er rüstig zulangte. Sie beobachtete ihn mit sichtlichem Interesse und sagte:
»So, mein guter Gerard, erscheinst du mir in meinen Träumen. Mitten im Urwald eine kleine Farm. Du der Mann, und ich die Frau.« – »O bitte!« – »Geduld! Es ist ja eben nur im Traum! Du kehrst von der Arbeit oder von der Jagd zurück, setzest dich an den Tisch …« – »Ohne vorherigen Kuß?« lachte er. – »Zehn Küsse vorher, Gerard! Dann setze ich dir eine rauchende Büffellende vor …« – »Nein, kalt muß sie sein! Büffellende darf nicht rauchen.« – »Gut, so bekommst du also kalte, und da beißt du so kräftig hinein, wie eben jetzt. Deine Zähne schimmern; du bist ganz bei der Arbeit und ißt so gut und behaglich, daß man selbst Appetit bekommt« – »Willst du?« fragte er, ihr das trockene Brot anbietend. – »Nein, brrr!« antwortete sie, sich schüttelnd. – »Schöne Farmersfrau, die kein Brot essen kann!« – »Ich würde es wieder lernen.« – »Aber schwer. Du kannst es besser, viel besser haben.« – »Wie?« – »Suche nach einer wirklichen, ernsten Verbindung. Bei deiner Schönheit und deinem Geist bist du imstande, den vornehmsten, den reichsten Mann zu fesseln! Dann hast du einen Halt für dein ganzes Leben.«
Sie blickte zu Boden nieder. Sie fühlte, daß er recht hatte, dennoch antwortete sie im Ton eines nicht zurückzudrängenden Vorwurfs:
»Und das sagst du mir, du, der einzige, den ich lieben kann?« – »Und der auch der einzige ist, der es wirklich aufrichtig gut mit dir meint.« – »Ja, ich glaube es dir, du bist stets gut zu mir gewesen, schon als Knabe.« – »Hm, warum sollte ich nicht? Deine und meine Eltern wohnten im Hinterhaus. Ich war ein starker Bube und du ein so kleines, allerliebstes Ding. Dann kam ich zum Schmied in die Lehre, und du warst reif zur Schule.« – »Und als ich die Schule verließ, warst du Garotteur.« – »Leider! Aber als ich die Garotte verließ, warst du Grisette, ließest dich von einem amerikanischen Schwindler entführen und gingst über die See.« – »Der Mensch verließ mich, und ich sank in das tiefste Elend. Da trafen wir uns des Abends in St. Louis am Fluß. Ich hatte das Leben satt und wollte mich in das Wasser stürzen, du ahntest dies und tratest herzu. Wir erkannten uns, und ich war gerettet. Du arbeitetest für mich, du teiltest den Ertrag der Jagd mit mir, du verschafftest mir endlich die Stelle als Gesellschafterin der Dame, mit der ich dann hierher nach Mexiko kam. Ich schulde dir mein Leben und noch mehr.« – »Ist nicht der Rede wert, mein Kind. Du hast seitdem genug für mich und unsere Sache getan. Ich hätte nie geglaubt, daß aus dem kleinen Kind, das ich einst auf meinen Armen trug, und aus dem verzweifelnden Frauenzimmer am Ufer des Mississippi eine solche Dame werden könnte. Emilia, du bist schön, du bist entzückend, ja berauschend!«
Er schob den leeren Teller von sich, um sie genau zu betrachten. Da flog sie von ihrem Sitz auf ihn zu und sagte:
»Gerard, dies alles nützt mir nichts. Nur dich allein möchte ich erobern und berauschen, dein Weib möchte ich sein, wenn auch nur für ein kurzes Jahr, und dann glücklich sterben. O Gott, warum kann dies nicht sein?«
Sie hielt ihn fest an sich gepreßt und weinte. Er schob sie langsam von sich und erwiderte:
»Wir passen nicht zueinander. Wir beide sind leidenschaftlich, wir beide haben zu viel gelebt, wir können uns nicht ergänzen. Siehst du das nicht ein?«
Sie nahm ihre Arme von seinem Hals und antwortete:
»Leider sehe ich es ein, mein guter Gerard. Wer von uns beiden sich verheiratet, der darf sich nur mit einem ruhigen, versöhnlichen Charakter verbinden. Wir aber würden einander nur unglücklich machen. Aber … aber …!«
Emilia schritt hastig einige Male im Zimmer auf und ab, dann blieb sie vor ihm stehen, zeigte mit den Armen rund umher und fuhr fort:
»Das alles danke ich dir. Blicke mich selbst an! Denkst du, ich wisse nicht, wie schön ich bin? Denkst du, ich wisse nicht, welchen Eindruck ich mache und welche Macht ich ausübe? Oh, ich analysiere mich täglich selbst.«
Sie zog die goldene Nadel heraus, und nun wallte die dunkle, verführerische Flut fast bis zum Boden hinab.
»Sieh mein Auge, meine Nase, meinen Mund, mein Kinn, mein Profil, meinen Kopf! Hast du jemals einen Kopf gesehen, der schöner war als der meinige, und wäre es auch ein Gemäldekopf? Wer will mir widerstehen? Kein anderer als nur du! Und doch möchte ich, daß ich nur dir allein gehörte! Oh, dann wollte ich in Seligkeit und Wonne schwelgen. Und dennoch darf dies nicht sein. Du willst mir nicht gehören. Meine Schönheit war zu schwach, dich zu besiegen. Ist das nicht schrecklich?«
Sie hatte sich in eine Aufregung hineingesprochen, die ihre Schönheit zur verdoppelten Geltung brachte. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen glühten. Gerard wandte sich ab, er fühlte, daß er nahe am Erliegen war. Es trieb ihn mit aller Gewalt, die Arme nach ihr auszustrecken und sie zu sich niederzuziehen.
Sie merkte dies an der Glut seiner Augen, sie fühlte sich dem langersehnten Sieg nahe, und ihr Herz bebte vor Entzücken – aber da wandte er sich ab.
Jetzt wußte sie, daß sie niemals seine Liebe erlangen würde. Sie drehte sich mit einem Ruck von ihm ab, trat an das Fenster und blickte in die Nacht hinaus. Ihre Arme erhoben sich, ihre Finger erfaßten die Fransen der kostbaren Gardinen und rissen sie herab, ohne daß sie es beachtete. Es dauerte lange, bis sie sich beruhigte.
Endlich kehrte sie wieder zu ihm zurück und nahm auf einem Stuhl Platz. Ihr Gesicht war bleich, ihre Züge kalt, und ihre Stimme hatte einen heiseren Klang, als sie sagte:
»Das wunderbarste ist, daß ich dich fortliebe, daß keine Spur von Haß, kein Gedanke an Rache in meinem Herzen Platz nimmt. Aber laß uns nicht weiter davon sprechen, reden wir von unseren Geschäften!« – »Ja, das wird besser sein, liebe Emilia«, antwortete er. – »Daß es einen neuen Prätendenten gibt, weißt du?« – »Einen, der Präsident werden will? Ich hörte noch nichts davon. Wer ist es?« – »Ein gewisser Cortejo aus Mexiko. Ich glaube, er heißt Pablo Cortejo.«
Gerard horchte auf. Er kannte den Namen Cortejo nur zu gut. Er hatte ihn in dem Buch gefunden, das er Don Alfonzo abgenommen hatte, nachdem er ihn vorher garottiert hatte, in demselben Buch, das ihm später in Rheinswalden von dem Waldhüter abgenommen worden war.
»Cortejo? Was ist er?« fragte er gespannt – »Er war Verwalter des Grafen Ferdinando de Rodriganda.« – »Ah!« – »Kennst du den Grafen, oder vielmehr, kanntest du ihn?« – »Ich habe von ihm gehört.« – »Er ist gestorben, schon vor