hinter sich habe. Und dies war auch wirklich der Fall, denn dieser Reiter war kein anderer, als jener Vaquero, der im Fort Guadeloupe gewesen war, um Señorita Resedilla zu Pedro Arbellez einzuladen.
Er hatte sich am Morgen nach dem Kampftag auf den Weg gemacht, um seinem Herrn, noch ehe die anderen auf der Hazienda eintrafen, die Nachricht zu bringen, daß aller Gram zu Ende sei, indem die so lange Zeit Beweinten noch am Leben und sogar auf dem Heimweg seien.
Er war glücklich, diese Nachricht bringen zu können, und spornte sein Pferd trotz dessen Müdigkeit zur Eile an. Aber der Nachmittag verging, erst am Abend kam er in die Nähe der Hazienda.
Jetzt gab er seinem Pferd die Sporen und galoppierte geradewegs bis vor das Tor, das er verschlossen fand. Er klopfte laut an.
»Wer ist draußen?« fragte eine fremde Stimme.
Der Vaquero nannte seinen Namen.
»Kenne ich nicht«, brummte es drinnen. – »So bist du wohl erst kurze Zeit hier?« fragte der Vaquero von außen. – »Ja.« – »Nun, so mache nur auf. Ich bin Vaquero des Señor Arbellez und komme von Fort Guadeloupe, wo wir die Franzosen geschlagen haben.« – »Fort Guadeloupe? Die Franzosen geschlagen? Ja, da bist du einer der Unsrigen. Komm herein!«
Das Tor wurde geöffnet und hinter dem Vaquero wieder verschlossen. Er blickte sich nicht groß um, es war ja dunkel, daher bemerkte er nichts von den Veränderungen, die seit seiner Abwesenheit hier vorgegangen waren.
Er sprang vom Pferd, ließ es, wie er es gewöhnt war, frei laufen und begab sich zunächst nach dem Raum im Erdgeschoß, wo sich die Vaqueros aufzuhalten pflegten. Er wollte diesen zeigen, daß er zurückgekehrt sei, und sich dann hinauf zu Arbellez begeben, um diesem Bericht zu erstatten.
Schon öffnete er die Tür, da blieb er erstaunt stehen, als er den Raum mit fremden, bewaffneten Männern erfüllt sah. Auch er wurde sofort bemerkt.
»Holla, wer ist das?« rief einer. »Wohl wieder ein neuer?«
Damit wurde er angefaßt und hereingezogen. Ganz verblüfft sah er sich im Kreis um und wurde deswegen ausgelacht.
»Das Pulver hat er nicht erfunden«, meinte der vorige Sprecher. »Kerl, um für Cortejo zu kämpfen, bedarf es anderer Männer, als du bist.« – »Cortejo?« fragte er ganz erstaunt – »Ja. Oder kommst du um einer anderen Ursache willen?« – »Natürlich.« – »So! Zu wem willst du denn?« – »Zu meinem Herrn natürlich.« – »Ganz recht. Aber wer ist denn dein Herr?«
Das Gespräch schien sich in ein Verhör verwandeln zu wollen. Die anderen hörten zu.
»Señor Pedro Arbellez«, antwortete der Gefragte. – »Pedro Arbellez? Das war der vorige Besitzer der Hazienda, ja.« – »Der vorige?« fragte der Vaquero ganz betroffen. »Gibt es denn jetzt einen anderen?« – »Natürlich. Weißt du das noch nicht?« – »Kein Wort weiß ich. Wer ist es denn?« – »Cortejo.« – »Cortejo? Cortejo aus Mexiko?« fragte der Vaquero erschrocken. – »Ja, Señor Pablo Cortejo aus Mexiko.« – »Donnerwetter.« – »Kerl, ich glaube, du erschrickst. Paßt dir dieser Señor nicht?« – »Ah, ich möchte nur wissen, auf welche Weise er hier so plötzlich Herr geworden ist.« – »Auf welche Weise? Nun, sehr einfach: Er ist mit uns nach del Erina geritten und hat die Hazienda diesem Arbellez weggenommen.« – »Santa Madonna! Und wo befindet sich jetzt Señor Arbellez?« – »Der? Hm, wer weiß es? Niemand weiß es. Er ist weg und verschwunden.« – »Mein Gott, so muß ich wieder fort.«
Der Vaquero wollte sich schleunigst entfernen, aber zehn Fäuste hielten ihn fest.
»Halt, Bursche. Mit dir ist etwas nicht richtig. So entkommst du uns nicht. Man wird dich erst ein wenig ins Verhör nehmen müssen.« – »Ins Verhör? Weshalb? Ich bin ein ehrlicher Kerl.« – »Das sagt ein jeder. Sage einmal, für wen kämpfst du?« – »Wunderliche Frage. Für wen soll ich kämpfen?« – »Für Bazaine, Max, Juarez oder Cortejo?« – »Für keinen. Ich bin ein Vaquero meines Señors Arbellez und habe nur ihm allein zu gehorchen. Was gehen mich die anderen Sachen an?« – »Hört Ihr‘s, Kameraden? Der Mann ist für Arbellez. Man muß ihn hinauf zur Señorita führen. Haltet ihn fest. Ich werde ihn anmelden.«
Der brave Vaquero gab sich zwar Mühe, von den Leuten loszukommen, aber es gelang ihm nicht. Durch Widerstand konnte er seine Lage nur verschlimmern. Er ergab sich daher darein und war nun nur neugierig, wer die Señorita sein werde, zu der er geführt werden sollte.
Josefa saß in dem Gemach, das sie für sich ausgewählt hatte, in einer Hängematte und rauchte eine Zigarette. Sie trug heute wieder Frauenkleidung, von der sie einen ganzen Packsattel mitgebracht hatte. Da trat der Mexikaner ein, der soeben unten das Wort geführt hatte.
»Verzeihung, Señorita«, sagte er, »ich habe eine Meldung zu machen. Es ist einer gekommen, der für Arbellez kämpfen will.« – »Für Arbellez kämpfen? Das klingt wunderbar. Wer ist der Mann?« – »Ein Vaquero dieses Arbellez.« – »Schickt ihn mir herauf.« – »Señorita, man muß vorsichtig sein. Er hat sich zur Wehr gesetzt.« – »So wird er entwaffnet, und zwei bringen ihn mit herein.« – »Ich werde ihn selbst mitbringen.«
Der Mexikaner ging und kehrte mit einem zweiten zurück. Sie führten den Vaquero, dem sie die Hände gefesselt hatten.
Dieser warf einen forschenden Blick auf das Mädchen. Er kannte es nicht persönlich, und da man ihm seinen Namen nicht genannt hatte, so befand er sich im unklaren darüber, bei wem er eigentlich sei.
»Señorita, ich ersuche Euch, mir zu helfen«, bat er. »Es handelt sich hier um ein Mißverständnis.« – »Wer seid Ihr?« fragte sie. – »Ich bin Vaquero im Dienst des Señors Pedro Arbellez.« – »Das hat man mir bereits gesagt« – »Mein Herr schickte mich mit einer Botschaft fort, und nun ich zurückkehre, finde ich ihn nicht mehr vor, wohl aber fremde Leute, die ich nicht kenne.«
Bei diesen Worten fiel Josefa ein, was Marie Hermoyes ihr von einem Vaquero gesagt hatte, der nach Fort Guadeloupe geschickt worden sei, und sie fragte:
»Ihr wart in Fort Guadeloupe?« – »Ja«, antwortete er.
Da wandte Josefa sich an die beiden Mexikaner und sagte:
»Tretet hinaus und wartet vor der Tür; dieser Vaquero scheint ein braver Mann zu sein, ich werde allein mit ihm sprechen.«
Die Männer gingen hinaus, und Josefa beschloß, sich durch List in Kenntnis dessen zu setzen, was dieser Mann seinem Herrn hatte mitteilen wollen.
»Ich will meine Frage wiederholen«, sagte sie. »Ihr wart in Fort Guadeloupe?« – »Ja«, antwortete er. – »Es ist indessen eine kleine Veränderung eingetreten. Ist Euch ein gewisser Cortejo bekannt?« – »Ja«, erwiderte er. – »Woher kennt Ihr ihn?« – »Ich habe sehr viel von ihm gehört und ihn auch hier gesehen. Er war einmal da.« – »Was ist das für ein Mann?«
Der Vaquero war aufrichtig und unvorsichtig genug, diese Frage zu beantworten:
»Ein braver, ehrlicher Mann mag nichts von ihm wissen«, entgegnete er.
Josefas große, runde Eulenaugen zogen sich zusammen. Er bemerkte gar nicht, welch ein Blick ihn aus denselben traf. Aber ihre Selbstbeherrschung und Verstellungskunst war so groß, daß sie mit der freundlichsten Stimme sagen konnte:
»Da gebe ich Euch ganz recht. Dieser Cortejo ist ein Mensch, dem nichts heilig ist. Wißt Ihr vielleicht irgend etwas Besonderes über ihn?« – »Genug, Señorita.« – »Was denn zum Beispiel?« – »Es läßt sich nicht von solchen Dingen sprechen«, antwortete er, dieses Mal vorsichtiger. – »Ja, ich bin Euch fremd, und Ihr könnt mir solche Sachen natürlich nicht sogleich anvertrauen. Aber, wenn Ihr wüßtet … Ich hasse diesen Cortejo. Er hat mich und meine Familie unglücklich gemacht und ich folge ihm bloß, um ihn zu verderben.«
Josefa machte ein so ehrlich erzürntes Gesicht, daß der Vaquero ihr glaubte.
»Ihn verderben?« fragte er. »Das wird Euch wohl schwerlich gelingen. Er ist eine so schlaue Kanaille, daß er fast unmöglich zu täuschen ist. Aber sagt, wo ist Señor Arbellez?« – »Der ist geflohen.« – »Geflohen? Ah! Vor wem?« – »Eben vor Cortejo.«