Karl May

Waldröschen VII. Die Abenteuer des schwarzen Gerard 2


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Graf de Rodriganda.« – »Ah, ich entsinne mich. Es ist mir, als ob Señor Arbellez etwas Ähnliches gesagt hätte. Es schien mir das aber doch zu phantastisch zu sein.« – »Oh, Señor Mariano soll dem Grafen höchst ähnlich sein, hörte ich damals.« – »Das beweist gar nichts. Menschen sind sich oft ähnlich.« – »Das ist sehr wahr, Señorita. Aber es muß doch noch andere, sehr triftige Gründe gegeben haben, von denen unsereiner allerdings nicht viel zu hören bekommt.« – »Nicht viel, aber doch wohl etwas?« fragte Josefa lauernd. – »Hm! Ich habe einmal den Haziendero mit Señora Marie Hermoyes über diese Angelegenheit sprechen hören. Sie wußten allerdings nicht, daß ich in der Nähe war.« – »Was habt Ihr da erfahren?« – »Señora Marie hat den jungen Grafen nach Mexiko gebracht« – »Nun, so muß sie doch wissen, ob es der rechte ist oder nicht.« – »Sie hat das erstere geglaubt, ist aber später anders überzeugt worden. Ich hörte nur, daß die Tochter dieses Cortejo mit im Komplott gewesen sei. Diese Josefa muß ein Ausbund von Schlechtigkeit sein.«

      Josefa hatte Mühe, sich zu beherrschen, doch zwang sie sich zu der ruhigen Frage:

      »Ihr kennt sie also nicht und habt sie auch nie gesehen?« – »Nein. Es handelt sich um ein Testament, das verschwunden ist. Das wird ihnen aber nichts nützen, da der alte Graf ja nun wieder erschienen ist.« – »Das ist richtig. Wenn der Testator noch lebt, hat das Testament natürlich keine Gültigkeit. Aber er mag sich nur in acht nehmen, daß er am Leben bleibt.«

      Aus diesen Worten klang ein nicht mehr ganz verborgener und kaum noch zurückgehaltener Grimm heraus, so daß der Vaquero Josefa betroffen anblickte und fragte:

      »Wie meint Ihr das, Señorita?« – »Nun, wenn der Graf noch lebt, und wenn alle noch leben, die verschwunden waren und auch tot zu sein schienen, so leben doch auch ihre Feinde noch.« – »Oh, die sind ja nicht zu fürchten!« – »Ah, waren sie etwa früher nicht zu fürchten?« – »Ja, das war etwas anderes. Man kannte sie nicht, man wußte nicht, was sie taten und beabsichtigten; jetzt aber sind sie ja alle völlig entlarvt, und da wird man sich wohl vorsehen, ihnen abermals in die Hände zu fallen.«

      Josefas hageres Gesicht nahm einen offenbar höhnischen Ausdruck an.

      »Ihr sprecht sehr klug«, meinte sie. »Nur schade, daß Ihr Euch gewaltig irrt!« – »Wieso, Señorita?« – »Nun, wenn diese Feinde entlarvt sind, so sind sie jetzt viel mächtiger als früher.« – »Ah, wer sollte sie fürchten?« – »Nicht? Auch Cortejo etwa nicht?« – »Nein.« – »Aber er ist jetzt ein gewaltiger Parteigänger; er wird in kurzer Zeit Präsident oder gar König von Mexiko sein, also der mächtigste Mann im ganzen Staat.« – »Oh, bildet Euch das nicht ein, Señorita! Noch ist General Bazaine da.« – »Bazaine? Den wird man fortjagen.« – »Und Maximiliano von Österreich?« – »Der Scheinregent? Der Flimmerkaiser? Der wird endlich von selbst ausreißen!« – »Aber Juarez, der Präsident?« – »Der Indianer vom Stamm der Zapoteken? Den wird man sehr einfach an einem Strick aufhängen und von den Geiern fressen lassen.«

      Josefas Gesicht hatte einen finsteren, fast diabolischen Ausdruck angenommen. Der Vaquero bemerkte das wohl, und er wurde sichtlich unschlüssig, was er von ihr denken solle.

      »Glaubt das nicht, Señorita!« sagte er. »Habt Ihr Juarez schon einmal gesehen?« – »Ja, oft sogar, in Mexiko, in der Hauptstadt.« – »Als er noch Oberrichter war?« – »Ja, und dann später als Präsident.« – »Nun, damals war er ein Mann, den man anerkannte. Später wurde er vertrieben; er mußte fliehen, und das ändert den Menschen. Was früher Knorpel war, das wird dadurch zum Knochen. Juarez ist jetzt ein anderer als früher. Ich glaube nicht, daß er sich hängen lassen wird; ich glaube vielmehr, daß diejenigen hängen werden, die ihm den Strick zugedacht haben, am ersten dieser Cortejo, der die Hanfschlinge tausendmal verdient hat.«

      Da trat Josefa einen Schritt auf ihn zu und zischte den Vaquero an:

      »Das wünscht Dir wohl von ganzem Herzen?«

      Der Gefragte fuhr um einen Schritt zurück, blickte erstaunt die Sprecherin an und erwiderte:

      »Ja, natürlich! Ihr doch auch?« – »Ich? Ah, ich sage Euch, weil Ihr wünscht, Cortejo am Strick zu sehen, werdet Ihr der erste sein, den man hängen wird.«

      Josefas Augen sprühten, ihre Selbstbeherrschung und ihre Verstellung waren vorüber.

      »Aber, Señorita«, sagte der Vaquero verwundert »ich begreife Euch nicht!« – »Oh, Ihr sollt mich und alles andere sogleich begreifen! Nicht wahr, Ihr habt gesagt, daß Ihr mit Eurem Haziendero zu Juarez haltet?« – »Ja, freilich!« – »Nun, wenn alle Anhänger dieses Juarez so dumm sind wie Ihr und Euer Herr, so wird er ohne allen Zweifel in sehr kurzer Zeit hängen. Wißt Ihr, wo Arbellez ist?« – »Nun, geflohen, denke ich«, antwortete der Vaquero, ganz betreten von der plötzlichen Veränderung, die mit diesem Mädchen vorgegangen war. – »Und das laßt Ihr Euch weismachen? Ihr seid wirklich dümmer als dumm!«

      Der Vaquero zögerte, zu antworten; er war zu ehrlich, um an eine solche Verlogenheit sogleich glauben zu können, dann aber sagte er langsam und zögernd:

      »Aber Ihr habt es mir ja selbst gesagt!« – »Ja, aber ich dachte nicht, daß Ihr so einfältig wäret, es zu glauben. Haltet Ihr Cortejo wirklich für so unvorsichtig, Arbellez entkommen zu lassen?« – »Es ist ja mit Eurer Hilfe geschehen!« – »Nein, mit meiner Hilfe ist im Gegenteil Arbellez gefangengenommen worden!« – »Gefangengenommen?«

      Die Augen des Vaquero vergrößerten sich; seine Lippen preßten sich zusammen.

      »Ja. Er steckt unten im Keller. Er ist verurteilt, langsam zu verhungern.« – »Treibt keinen so grausamen Scherz, Señorita!« – »Oh, wenn Ihr wüßtet, wer ich bin, so würdet Ihr es nicht für Scherz halten!« – »Wer seid Ihr denn? Ihr habt es mir ja gesagt!« – »Um Euch zu täuschen, um aus Euch herauszulocken, was ich erfahren wollte. Und das ist mir glänzend gelungen. Ratet, wer ich bin!«

      Bei dieser Aufforderung ruhte Josefas Auge mit einem triumphierenden Blick auf dem Vaquero.

      Dieser war zwar ein einfacher, ehrlicher Mann, aber doch keineswegs ein Idiot. Es ging ihm eine plötzliche Ahnung durch die Seele.

      »Mein Gott, ahne ich recht?« rief er erschrocken. Ihr seid … Ihr seid … Himmel, wenn es wahr wäre!« – »Nun, heraus damit!« – »Ihr seid Señorita Josefa … – »Ja!« entgegnete sie frohlockend, »ich bin die Tochter Cortejos.« – »So sei mir die heilige Madonna gnädig! Was habe ich getan!« – »Ja, sie mag Euch gnädig sein! Ich habe alles erfahren, alles, was ich nicht erfahren sollte. Und wißt Ihr, was ich nun tun werde?« – »Nun?« fragte er in höchster Bestürzung. – »Ich werde nach Fort Guadeloupe senden und den Grafen ermorden lassen …« – »Mein Gott!« – »Ich werde nach El Refugio senden und den Engländer nebst seiner Tochter ebenso ermorden lassen …« – »Das möge Euch nicht gelingen!« stöhnte der Alte. »Ich wäre schuld daran!« – »Ja, Ihr tragt die Schuld daran! Ich werde ferner Juarez und allen, die bei ihm sind, auflauern lassen. Sie müssen sterben, alle – alle – alle!«

      Es glühte auf Josefas sonst so bleichem Gesicht eine so boshafte, höllische Freude, daß der Vaquero sich entsetzte. Beschwörend erhob er die gefesselten Arme und sagte:

      »Señorita, bedenkt, daß es einen Gott im Himmel gibt!« – »Einen Gott? Ah!« lachte sie, den Kopf schüttelnd. – »Der alles belohnt oder bestraft, je nachdem es gut oder böse ist!« – »Das sind Ammenmärchen!« – »Oh, lästert nicht!« – »Ammenmärchen!« wiederholte sie. »Seht Ihr denn nicht, daß gerade Gott mich beschützt? Er hat mich Eure Anschläge wissen lassen. Aber ich brauche seine Hilfe gar nicht; ich weiß allein, was ich tue. Sie werden alle fallen. Und Ihr, wißt Ihr, was mit Euch geschieht?« – »Ich stehe in Gottes Hand«, antwortete er. – »Nein, Ihr befindet Euch zunächst in meiner Hand. Ihr werdet hängen, wirklich hängen, so wie ich es Euch versprochen habe. Ich pflege Wort zu halten.« – »Ich habe lange genug gelebt. Meine Tage waren ja bereits gezählt. Wollt Ihr um eines alten Vaquero willen Eure Schuld vergrößern, so tut es.« – »Ja, ich werde es tun!« – »Ihr seid eine Teufelin!« – »Nicht wahr? Ihr habt recht; das sollt Ihr an Euch selbst erfahren. Ihr sollt