Ole Edward Rölvaag

Das Schweigen der Prärie


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Mann vor einem steht!

      Die Männer sprachen in Gegenwart der Frauen nie von den Rothäuten. Aber der Ole und der Große-Hans hörten mit offenem Munde zu, bis er ihnen wässerte. Es gruselte sie jetzt zwar vor der Hügelkuppe; aber wegbleiben, — nein!

      Die Kjersti hatte Angst vor den Indians, die Sörine fürchtete sich vor dem Sturm, und die arme Beret fand, ihr graue vor allem! — —

      Das Ergebnis der Beratschlagung an jenem Sonntag entsprach der Lage der Dinge; es machte sich sozusagen ganz von selbst, daß der Hans Olsen, Tönset‘n und der Henry Solum, die alle Pferde und Wagen hatten, fahren sollten, — drei Männer mit je einem Gespann, die mußten wohl alles das heimschaffen können, was die Anwohnerschaft imstande war, auf einmal zu kaufen.

      Der Per Hansen war gründlich verstimmt, mürrisch und vergrätzt, ließ kaum ein Wort fallen; — übrigens hätte er auch nicht viel zu sagen gewußt. Es schien von vornherein ausgemacht, daß er, der keine Pferde hatte, zu Hause bleibe, — er und der jüngere Solumbub, sie sollten nach allem sehen, obwohl das nicht besonders gesagt wurde. Und das schien dem Per eine schäbige Aufgabe für einen Mann zu sein! Es war doch klar, daß er für solch eine Fahrt besser taugte als Tönset‘n oder der Solumbub! Aber weder der Herrgott noch sonst wer wußte hier, was not tat! — Sie hätten es jedoch wissen müssen; darum hätte der eine oder andre ihm gern seine Pferde anbieten können. Aber Per Hansen war nicht der Mann, der sich aufdrängte. — Verdammt ärgerlich war es darum doch, daheim bei den Weibern zu hocken, während die andern auf Langfahrt zogen! — — Die Abenteuerlust brannte ihm im Blut.

      Als die Männer am Montag in aller Frühe aufbrachen, war er so übelgelaunt, daß er gleichfalls bei Dämmerlicht aufstand, den Ole weckte und die Ochsen vor den Pflug spannte. An dem Tage brach er anderthalb Acre Neuland um und stellte damit — bei den damals verfügbaren Gerätschaften — den Rekord für die ganze Gegend auf. Als er Feierabend machte, das Stück abschritt und sah, was er ausgerichtet, kam ihm so frohe Laune, daß er sich ein Liedlein pfeifen mußte: Fürwahr! Beeilten sich die Kerle nicht, dann hatte er, bis sie heimkamen, die ganze Farm umgepflügt. Dann mochten sie sehen, wer am meisten taugte!—

      II

      Am folgenden Tag sah er schon alles ruhiger an, verrichtete aber doch noch ein ansehnliches Tagewerk.

      Er und der Ole schlenderten heim von der Arbeit, er war wieder guter Stimmung: in diesen Tagen wollte er Tönset‘n einholen wie nichts!

      Der Ole hatte müde Beine und eine heisere Kehle; denn er hatte nun schon zwei ganze Tage hintereinander die Ochsen antreiben müssen.

      Sie waren noch nicht weit auf dem Heimweg, als der Große-Hans ihnen entgegengelaufen kam und schon von weitem atemlos rief:

      »Vater, dort kommen Menschen!«

      Diese Nachricht war so unfaßlich, sie kam so unerwartet, daß der Ole plötzlich stehenblieb und sich mit offnem Munde umschaute; der Vater aber sah seinen Herzensbuben, den Großen-Hans, zuversichtlich an und lachte herzlich:

      »Aus‘ dir wird, meiner Treu, vielleicht mit der Zeit noch mal ein Mann, — ‚s ist freilich noch weit und hoch bis dahin!«

      Doch der Große-Hans war viel zu eifrig, um auf des Vaters Worte zu achten. »Schau — schau dort!« Er zeigte nach Südwest. »Die Mutter meint, es seien Indians!«

      Der Per Hansen fegte den westlichen Horizont mit den Augen. »Pöh!« machte er nur kurz und trocken, begann schneller auszuschreiten, beeilte sich mehr, je länger er hinsah, — jetzt ging er so schnell, daß die Buben, um mitzukommen, laufen mußten.

      Die Beret stand unweit des Wagens mit dem Gössel auf dem Arm.

      »Da haben wir sie,« sagte sie ruhig; aber das schöne, traurige Antlitz sah blaß und gespannt aus.

      »Geh du nur hinein und sieh nach dem Essen!« Er sprach schnell, es lag ein harter Klang in der Weisung.

      Er ging sogleich zur Hütte, die halb unter Dach war, — die Buben kamen hinterher; er rief sie geschwind und leise heran, — es klang ebenso hart:

      »Du, Hans, gehst jetzt zum Sam und erzählst ihm, wer kommt. — Eil‘ dich!«

      »Ja.« Der Bub blieb stehen.

      »Eil‘ dich, sagt‘ ich!«

      »Ja.« Und jetzt fand der Bub seine Beine und sauste davon.

      »Und du, Ola, holst die Lange Marie,« wandte er sich an diesen. »Sie liegt in der großen Lade. Das Zubehör ist in der Beilade. Setz alles hinter der Tür zusammen. — Und jetzt paß gut auf: wenn ich pfeife, bringst du sie mir, vorher nicht! — Bist doch wohl nicht etwa bange, Bub?«

      »N—nein.« — Der Ole lief davon.

      Der Per Hansen machte sich ans Dachdecken, als sei alles in schönster Ordnung; nur die Augen beobachteten scharf den herannahenden Zug. Allmählich verlor sich die Spannung im Gesicht, es bekam wieder den halb schlauen, halb schelmischen Ausdruck, den es immer zeigte, wenn er frohgelaunt war.

      Jetzt brachte der Ole die Rifle.

      »Nein,« sagte der Vater — und er lachte schon wieder — »bring nur die ganze Geschichte wieder dahin zurück, wo du sie gefunden. Der Große-Hansel ist ein rechter Aff! Wie der uns fast zu Tode erschreckt hat! — Und komm gleich zurück.«

      Der Bub lief weg und war im Umsehen wieder zur Stelle. Der Per Hansen saß, unverwandt nach Westen schauend, auf dem Dachrand, während er den Buben anwies: »Geh jetzt zur Sörine und erzähl ihr, wer kommt. Das sind ja ebenso friedliche Leut wie wir. Sag‘ ihr, daß die wohl die Nacht über auf der Hügelkuppe lagern werden; fürchtet sie sich, soll sie nur herkommen. — Und red‘ verständig, daß du die Bäuerin nicht ängstigst!«

      Der Ole ging. Per Hansen holte Rasenstücke, legte sie aufs Dach, kletterte selbst hinauf und paßte sie ein.

      Der Zug aus dem Westen kam langsam näher. Der Per Hansen überzählte die Wagen und kam auf vierzehn, aber vielleicht waren es noch mehr; sie fuhren dicht hintereinander und in gerader Richtung auf ihn zu. — Ja, ihre Fährte lag wohl wirklich da drüben! —

      Plötzlich stand wer unter ihm; die Gestalt tauchte so jäh auf, daß es ihm einen Ruck gab. Der Sam war es, aufgeregt und erschrocken, die Büchse in der Hand. Er war so schnell gelaufen, daß der Große-Hans weit zurückgeblieben war.

      »Willst heute abend noch auf die Jagd ?« fragte der Per Hansen trocken.

      »Siehst du ihn denn nicht?« keuchte der Sam.

      »Wen?«

      »Siehst du denn nicht, daß der Indian dort gerad auf uns zukommt!‘«

      »Hast Augen wie ein Trottel! — Was fuchtelst du hier mit dem Schießprügel herum ? Stell ihn sofort in die Hütte und hilf mir dann beim Dachdecken, und du, Hans, hilfst drinnen der Mutter.«

      Sam tat, wie ihm geheißen, und starrte mit offenem Mund dem Zug entgegen.

      Der Per Hansen hatte sich aufs westliche Dach gesetzt und beobachtete den Sam. »Es ist wohl nicht recht, daß wir die Kjersti nicht benachrichtigen, die doch so schreckhaft ist. Ich meine, du gehst und erzählst ihr, jetzt kämen unsere Nachbarn. — Aber schreck‘ sie nicht zu Tode!«

      Der Sam zögerte, schien nicht gerad Lust zu dem Auftrag zu spüren.

      »Oder sollen wir vielleicht die Indians das Weib skalpieren lassen?«

      Der Sam setzte sich in Bewegung; fing plötzlich an zu rennen. Der Per Hansen schüttelte sich vor Lachen. »Nein, flitz nicht davon, als hätt‘st du Feuer im Hosenboden!« rief er ihm nach, »so arg eilt es nicht mit der Kjersti!«

      Aber die Kjersti hatte die Herannahenden bereits erblickt; dort kam sie die Anhöhe herauf und zog die Kuh hinter sich her.

      Und da kamen auch der Ole, die Sörine und das Dirnlein; Sörine hatte jedoch nicht an die Kuh gedacht, die ein Stück westlich von des Hans Olsens Hütte