Ole Edward Rölvaag

Das Schweigen der Prärie


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Wonach hatten die gefragt? — Hatten sie Westfahrer getroffen? — Wie standen die Aussichten? — — Und sei der, mit dem sie gehandelt und der ihm den Pflug und die Egge auf Borg anvertraut hatte, ein anständiger Bursch? Ob wohl ein ehrliches und treuherziges Gesicht noch mehr auf Borg bekäme — denn er brauche noch viele Herrgottsdinge!

      Der Hans Olsen wußte zu berichten, daß der Mann zwar einen ganz guten Eindruck mache, aber Engländer sei, so daß man nicht mit ihm reden könne, — und das, fand der Per Hansen, sei eine schlimme Neuigkeit. »Teuer ist er, meiner Treu, auch, aber was soll man hier draußen anders erwarten?« Daß der mit mehr herausrücke, glaubte der Hans Olsen kaum! Zuerst habe der Mann rundweg alles Borgen abgeschlagen. Aber dann habe der Syvert so lange und so verständig verhandelt, daß der Mann schließlich nachgegeben hatte unter der Bedingung, daß sie sich beide für Pflug und Egge unterschrieben. Übrigens hätten sie da auch schon so viel gekauft gehabt, daß er schon um deswillen nicht gar zu querköpfig hätte sein können.

      Trotz all des Erlebten schien es den Stadtfahrern doch, daß die Daheimgebliebenen das Merkwürdigste zu erzählen wußten. Hatte der Per Hansen nicht einen Indianerhäuptling, der schon so gut wie krepiert gewesen, wieder zum Leben erweckt ? So und nicht anders hatte die Kjersti ihrem Manne unverzüglich berichtet.

      »Ja,« meinte der Hans Olsen in stiller Bewunderung, »das ist so eigen mit dir, Per Hansen; ob du nun stehst oder gehst, so handelst du richtig und stellst deinen Mann! Ich hatte große Lust, dich auf diese Fahrt mitzunehmen, und wir hätten uns auch so einrichten können — haben es am Abend vorher hin und her überlegt, ich und der Syvert; aber — dann fühlten wir beide, daß wir unbesorgter fahren könnten, wenn du daheimbliebst. — Muß wohl eine Fügung gewesen sein!«

      Und Tönset‘n nickte zu dem allen ja und amen.

      Der Per Hansen begegnete der Anerkennung mit großer Bescheidenheit; er holte tief Atem, um etwas zu sagen, fand nicht gleich die rechten Worte und mußte noch einmal ansetzen.

      »— O ja, — ja ja! Davon wollen wir nicht mehr reden. Übrigens tat ich auch nicht weiter was Besonderes. — Aber gern will ich eingestehen, daß, als ich den Ole nach der Langen Marie schickte, ich gerade nur noch den allernötigsten Mut in mir hatte. — Da kamen sie, dreißig Mann hoch, und hier stand ich mit drei aufsässigen Weibsleuten allein, — das war nicht gerad einfach!«

      »Will‘s gern glauben!« lachte der Hans Olsen. »Ein Wunder, daß du nicht von dem ganzen Kram weggelaufen bist!«

      »Ja, aber wo hätt‘ ich denn hinsollen? Und die hatten zudem Pferde. — Aber das dacht‘ ich bei mir, daß, wärest du, Hans Olsen, so nahe gewesen, daß ich dich hätte zurückrufen können — ja und dich ebenso, Syvert, — ich hätt‘ gern mehr als die eine Hand dafür gegeben!« —

      Bald kamen auch die beiden Solumbuben, und jetzt waren alle beisammen. —

      Als es schließlich auch an diesem Abend einmal heimwärts ging, fand die Kjersti, daß der Syvert sich doch gar so sonderbar vorwärts bewege. Wie sie auch ihren Schritt einzurichten suchte, er lief entweder voraus oder zackelte hinterher, und geschah das, so überholte er sie mit einem solchen Schwung, daß er sich eben noch auf den Beinen hielt. Und dann stand er still! Stand! Und immerfort brummelte er dazu vor sich hin.

      »Kannst du mir sagen, was du da in einem hin schwätzest und schwaderst, Syvertmann? Gehst du etwa im Schlaf inmitten der Prärie?«

      »Ja, wenn ich das wissen tät!« seufzte er tief. »Hab‘ so was noch nicht erlebt. Mir ist — so — so schwindlig in den Füßen!« Und er segelte kopfüber davon wie ein vollgetakeltes Boot über einen mächtigen Wogenkamm. — »Ich meine fast — ja, ich mein‘ bestimmt, das ist der — der — der Schnaps von der Sörrina!«

      »Oh, ist es nichts Schlimmeres, dann geht‘s wohl auch vorüber!« tröstete die Kjersti.

      VIII

      Zwei Tage später traf das große Mißgeschick ein. Und nach Art rechter Mißgeschicke überkam es sie mitten im schönsten Wohlergehen, als niemand Unheil ahnte.

      Es war um die Vesperzeit. Der Hans Olsen war beim Heuen; die neue Maschine klirrte und dröhnte über die Prärie, schnitt das Gras so fein und so dicht überm Boden, daß es eine Wonne war zuzuschauen. Ja, das war freilich etwas anderes, als mit einer Sichel auf Felsgrund zu hämmern! — Alle Mannsleut waren beim Start zugegen gewesen; und der Per Hansen war mit dem festen Entschluß heimgegangen, sich zum Winter mindestens noch eine Kuh zu beschaffen, und sollte er sie stehlen müssen. —

      Der Per Hansen legte heute die letzte Hand ans Dach. Die Buben halfen; auch die Beret machte sich ab und zu dabei nützlich. Der Vater plauderte mit den Buben und sie mit ihm; bisweilen schwätzten sie so laut und lachten so ausgelassen, daß das Gössel durchaus zu ihnen aufs Dach hinaufkrabbeln wollte. Etwas weiter weg war der Pony angepflöckt; der war bald so zahm, daß sie ihn frei laufen lassen konnten; denn die Buben verhätschelten ihn, wann und wo sie nur konnten!

      Tönset‘n brach Neuland auf und ließ sich vom Sam dabei helfen. Der Syvert schaffte jetzt an seinem Acker, daß es verschlug, das sah der Per Hansen wohl. Abwarten, Vater Syvert! — Aber nein, heute mochte er sich nicht sputen. Ab und zu rief er der Beret hinunter, sie müsse einmal schauen, ob es auch dicht werde. Darauf war er zu seiner Kurzweil gekommen; es war halt so lustig, ihre Stimme aus der Stube herauf zu hören; sie sprach stets so leise; aber sollten sie überm Dach etwas verstehen, mußte sie tüchtig laut sprechen! — Es schien ihr jetzt hier draußen schon besser zu gefallen.

      Der Henry Solum grub beim Bach einen Brunnen.

      Ein jeder war bei seiner Arbeit; die Freude an rüstigem Tun regte sich in der kleinen Siedlung. —

      Und dann war es da, — plötzlich!

      Die Kjersti entdeckte es. Zur Vesper war sie mit einem Schluck Kaffee und einem Bissen draußen bei den Männern gewesen — seit der Städtereise waren sie mit allem reichlich versehen. Als sie wieder in die Hütte wollte, fiel ihr ein, daß sie Tüpfel, die Kuh, beim Heimkommen weder drüben noch beim Hause gesehen. Die Kuh war doch wohl da? — Sie ging ein Stück und sah sich um. Und sie strengte die Augen an, daß sie tränten, und das Herz pochte; aber die Kuh war auf der ganzen weiten Prärie nicht zu erblicken. Auch von den andern Kühen nicht eine!

      Schnurstracks lief sie zur Sörine und rief, in die Hütte stürmend:

      »Kannst du mir sagen, wo deine Kuh ist?«

      »Kuh?« Mehr vermochte die Sörine beim Anblick des aufgeregten Gesichtes vor ihr nicht vorzubringen.

      »Das ist akkurat, was ich dich frage, Sörrina! — Nein, o nein!«

      »Du schreckst mir die Seele aus dem Leib! Die Kuh ist doch wohl, wo sie immer ist?«

      Beide Frauen eilten vor die Tür.

      Und richtig: weit und breit keine Kuh!

      »Durchgebrannt sind sie!« kam es verzweifelt von der Kjersti.

      »Aber sie sind doch nicht stracks in den Boden gesunken, soviel ich weiß!«

      »Wo sind sie aber dann!« jammerte die Kjersti.

      »Wir müssen sogleich die Männer benachrichtigen.« Entschlossen rannte die Sörine zu ihrem Mann aufs Feld.

      Der Hans Olsen hielt die Pferde an, als er die beiden Frauen hintereinander angelaufen kommen sah.

      »Die Rinder? Pö, ist das alles?« Nein, von denen habe er nichts gesehen; die seien gewiß nicht weit weg. — Er saß so hochgemut auf der neuen Maschine, die so prächtig ging, daß er auch nicht daran dachte, sich schrecken zu lassen. »Ist doch arg, wie stutzig die Weiber sind! Du lieber Himmel — die Rinder kommen schon zur Melkzeit ans Tageslicht!«

      »Wir müssen sogleich auf die Suche!« Die Sörine sagte das so bestimmt, daß auch er sich bequemen mußte, Umschau zu halten. — — Nirgends ein Vieh zu sehen! Jetzt wurde es auch ihm bedenklich; er stieg herunter, spannte aus, warf sich auf das eine der beiden Pferde und ritt den Hügel hinauf.