Ole Edward Rölvaag

Das Schweigen der Prärie


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auf gekreuzten Beinen.

      Alle rauchten, — das merkte sich der Per Hansen als allererstes.

      Das Feuer warf einen starken Schein ringsum; die Haut der in der Nähe Sitzenden erschien dadurch noch dunkelbrauner, das Haar noch glänzender schwarz. Schweigend rauchten sie ihre Pfeifen.

      Die beiden Ankömmlinge standen im Feuerschein; einer der Männer deutete mit der Pfeife auf sie; es wurde etwas gesagt; im übrigen schien ihr Kommen nicht besonders zu überraschen.

      Der Per Hansen trat vor und grüßte, — soviel Englisch konnte er noch. Der Gruß wurde in derselben Sprache beantwortet. — Einer der Männer sagte darauf etwas, was wie eine Frage klang; ein paar andere setzten etwas hinzu. — Nein, der Per Hansen verstand keine Silbe, er war ratlos.

      Aber jetzt kam ihm der Große-Hans zu Hilfe — bisher hatte er sich hinter dem Vater gehalten; er flüsterte geschwind: »Sie wollen wissen, ob wir hier wohnen!«

      »Yes! — Yes!« nickte der Per Hansen kräftig. »Und sag ihnen, sie könnten sich darauf verlassen, daß wir auch wohnen bleiben, aber sag es durchaus hübsch, hörst du!«

      Der Große-Hans trat noch einen Schritt weiter vor und versuchte sich, so gut er konnte, mit den paar Brocken Englisch, die er letzten Winter aufgeschnappt hatte.

      Die Antrittsvisite war vorüber; der Per Hansen hatte hier nichts mehr zu tun; die Kühe hatten sich bei den Wagen gemütlich hingelagert — alle viere nebeneinander; die waren bloß zu greifen und heimzuleiten. — Aber der Duft aus den Pfeifen mischte sich so ergötzlich und verlockend in die Abendbrise! Und über zwei Wochen hatte er keinen anständigen Tabak mehr geraucht! Und der hier war kräftiges Kraut, konnte er riechen.

      Schließlich vermochte er der Versuchung einfach nicht mehr zu widerstehen. Er suchte sich das Gesicht aus, das ihm am besten gefiel, nahm die Pfeife aus dem Mund und machte Zeichen, daß er gern etwas da hinein haben wollte!

      Ja, das verstand das Gesicht ausgezeichnet. Der Mann warf den andern lachend ein paar Worte zu, zog einen großen Beutel, den er an einer Schnur am Halse trug, aus dem Wams, öffnete ihn und bot an. Der Per Hansen griff begierig hinein und stopfte gut. »Dank sollst du haben, Mann! Und kommt der Hans Olsen zurück, ehe du deines Weges ziehst, soll‘s dir bei Gott vergolten werden! Hans, übersetz ihm das, so gut du irgend kannst. — Vertrackt, daß man nicht selber mit so bravem Volk zu reden versteht!« Der Per Hansen trat ans Feuer, scharrte sich ein glimmendes Holzstück heran, legte es auf die Pfeife und zündete mit langem, behaglichem Schmatzen an.

      V

      Als er vom Lagerfeuer zurücktrat, gewahrte er beängstigend nahe an der Glut ein Gesicht, das ihn aus einer bunten Decke heraus anschaute.

      Der Per Hansen mußte es unausgesetzt ansehen; es starrte zurück. Der Gedanke durchfuhr ihn: der Mann hat entsetzliche Schmerzen; die Gesichtsmuskeln sind so verzerrt.

      »Großer-Hans!« sagte er kurz, »frag einmal den Mann, ob ihm etwas fehlt; der sieht aus, als ringt er mit dem Tod!«

      Wieder versuchte sich der Große-Hans mit seinem geringen Vorrat von Neusiedlerenglisch. Das Gesicht stöhnte schmerzlich auf, gab dann eine Antwort.

      »Er sagt, er habe Schmerzen in der Hand!«

      »So? — Schad‘ um den Mann! — Sag ihm, ich tät‘ seine Hand gern sehen.«

      Aber der Große-Hans brauchte nicht mehr zu dolmetschen. Der Mann hatte sie beide eindringlich beobachtet; er stand jetzt auf, kam zu ihnen hin, wickelte erst die Decke vom Arm, zupfte dann eine Unmenge schmutziger, bunter Lappen von der Hand. Was der Mann da vorzeigte, sah böse aus; die Geschwulst hatte die Größe einer Haselnuß, und nicht nur die Hand, sondern auch Gelenk und Arm waren geschwollen. Das Übel schien von einer eitrigen Wunde in der Handfläche auszugehen. Der Per Hansen besah und befühlte, als hätte er sein Lebtag nichts anderes getan, als geschwollene Hände untersuchen. Die Hand war hart wie ein Holzklotz, die Wunde selbst jedoch geringfügig.

      »Ja ja ja, — wird das hier nicht eine gediegene Blutvergiftung, so heiße ich nicht Per! — das heißt, wenn es nicht schon eine ist! — Sag ihm,« wandte er sich zum Großen-Hans »wir müßten sofort warmes Wasser und Lappen haben. Aber rein muß alles sein, hörst du, rein!«

      Aber jetzt saß der Große-Hans fest. Daß der Vater warmes Wasser wollte, konnte er ihnen noch begreiflich machen; aber das mit den reinen, weißen Lappen, das ging über sein Vermögen.

      Der Indianer hatte den Mann, der mit so kundiger Miene seine Hand untersuchte, nicht aus den Augen gelassen. Die andern waren nach und nach aufgestanden und dazugekommen. Auch die Weiber. Die Jungen ließen ihr Spiel und wutschten zwischen den Großen durch; zum Schluß stand das ganze Lager in dichtem Kreis um sie herum.

      Der Per Hansen war ernst, tat aber doch tiefe Züge aus seiner Pfeife. »Ich sehe keinen andern Ausweg,« sagte er endlich, »als daß du, Großer-Hans, nach der Mutter läufst. Erzähl ihr alles und sage ihr, sie solle den kleinen Kessel mitbringen, und all die reinen Flicken, die sie irgend entbehren kann; aber weiß müssen sie sein — und auch eine Prise Salz brauchten wir. Sag ihr: dem Mann müsse noch heute Hilfe werden. — Und jetzt lauf! Fürchtest dich doch nicht etwa?«

      O nein, der Große-Hans fürchtete sich nicht mehr; das war das prächtigste, was er je erlebt! — Er hatte sich bereits mit den Ellenbogen durch das Gedränge durchgearbeitet, als dem Vater noch etwas einfiel und er ihn zurückrief.

      »Und der Sörrina sag, sie solle nachschauen, ob in des Hans Olsen großer Flasche noch ein Schluck übrig ist; und wär‘s auch nur ein Fingerhut voll. Denn hier geht‘s ums Leben! Und Mutter muß Pfeffer mitbringen. Und nun zeig‘, daß du ein flinker Bursch bist!«

      Der Bub rannte.

      »Yes, Wasser!« sagte jetzt der Per Hansen, tauchte die Hände und rieb sie sich, und der Mann verstand sogleich und brachte heißes Wasser in einem Blecheimer. Der Per Hansen wusch sich lange und gründlich, goß aus und gab zu verstehen, daß er noch mehr brauche. Mit dem frischen Wasser wusch er die Wunde. Aber schwarzbraun war diese Haut, und schwarzbraun blieb sie. Wie sollte der Per Hansen wissen, ob sie nun auch wirklich sauber sei? — Darauf nahm er den Mann bei der Schulter und setzte sich mit ihm möglichst dicht ans Feuer. Alle seine Erfahrungen als alterfahrener Lofotfischer kramte er aus dem Gedächtnis hervor. Er massierte um die Wunde herum, lange, — dann strich er das Handgelenk und schließlich den Arm; erst in kleinen Kreisen mit der Handfläche, leise und zart, darauf stärker; dazwischen hauchte er kräftig auf die Wunde.

      Endlich kam der Große-Hans mit der Mutter und allem Erbetenen. Per Hansen sah, daß sie ihre Sonntagskleider angetan hatte, und das gefiel ihm an ihr. Als sie in den Lichtkreis trat, grüßte sie still und verneigte sich.

      »Kannst du mir sagen, was du hier zu suchen hast?« fragte sie leise; in den Worten lag eher ein Vorwurf als Angst.

      Erbittert dachte er an den Auftritt von vorhin!

      Als sie keine Antwort bekam, setzte sie hinzu: »Die Kjersti weint, und mit den andern steht es nicht viel besser. Jeder möge für das Seine sorgen, — komm gleich mit heim!«

      Dieses Verhalten war der Beret so unähnlich, daß Per Hansen sich zu täuschen glaubte.

      »Gib jetzt zunächst den Kessel her!« sagte er. Und nun war der Große-Hans ja auch wieder zur Stelle: »Erzähl ihnen, Hans, es müsse reines Wasser sein, — ganz reines — und heiß muß es sein,« wies er ihn an.

      Und nun hatte er Zeit für die Frau. »Der Kjersti geschieht heut nacht nichts Schlimmes! Meinst du aber, du könntest nicht dabei mittun, einem Menschen aus großer Not zu helfen, so magst du heimgehen,— gib mir die Sachen!« Ihre Worte von vorhin schellten ihm wieder vor den Ohren, und seine Worte klangen barsch; und er freute sich dessen.

      Die Beret schwieg, blickte ihn unsicher an und errötete.

      Der Kessel wurde ans Feuer gesetzt.

      Und jetzt bereitete der Per Hansen jene bei allen Nordlandsfischern so hochberühmte ›Pferdekur‹