heraus.
Nun ja, man könnte das wohl tun; aber da ist jetzt nicht viel zu erzählen; es steht schlecht um die Maikäfer; es werden viele totgeschlagen, und wenn ich an meine liebe Frau denke, die von einem Huhn gefressen wurde –
O, das tut uns aber leid!
War das unser Huhn? Da reiß’ ich ihm dafür mal gleich ein paar Schwanzfedern aus. Ich glaube, das tut mächtig weh!
Ja, liebes Peterchen, ich weiß es nicht genau, welches Huhn es war, und das ist das Schlimme dabei.
Na, weißt du, das ist allerdings schlimm. Allen Hühnern kann ich die Schwanzfedern nicht ausreißen; ich glaube, da bekäme ich doch Prügel.
Dann wollen wir es lieber lassen, Peterchen, und ich will meine Frau im stillen beweinen.
Herr Maikäfer, willst du etwas Zucker haben? In der Puppenstube ist welcher.
Danke schön, danke verbindlichst, Anneliese; aber mein Magen verträgt das Zuckerige nicht.
Ach, da tust du mir aber wirklich leid.
O bitte, bitte, keine Ursache.
Aber vielleicht ißt du einen Apfel?
Danke verbindlichst, nur Salat, frischen Salat von Linde oder Kastanie.
Ja, den haben wir leider nicht.
Na, ich kann ja schnell mal auf die dicke Kastanie klettern.
Bitte, bemühe dich nicht, ich kann ja fliegen.
Ach ja, das ist wahr.
Sag’ mal, wo hast du denn deine silberne Geige her?
O, das ist ein altes Familienerbstück; denn eigentlich spielen die Maikäfer nur den Brummbaß, oder höchstens die Pauke. Aber mein Urgroßvater, er hieß Sumsemann, der wohnte nahe bei einer großen Wiese und war mit einer Grille befreundet, Zirpedirp hieß sie, das steht hier auf der Geige eingraviert; und von der Grille bekam er die Geige geschenkt, weil er ihr einmal das Leben gerettet hatte, als sie zu hoch auf einen Baum gestiegen war und einen Schwindelanfall bekam. Und seitdem spielen wir Sumsemanns die Violine statt der Baßgeige. Das ärgert zwar die anderen Maikäfer; sie meinen, es sei geschmacklos, und die Sumsemanns seien ein entartetes Geschlecht; aber wir finden das vornehmer, weil es etwas Besonderes ist. Man muß auf das Außergewöhnliche halten.
Ja, das ist auch wahr.
Na, und warum hast du denn nur fünf Beinchen? Das ist wohl auch etwas Außergewöhnliches?
Ach! –
O Herr Sumsemann, ich wollte dich nicht beleidigen, entschuldige, bitte!
Ach! –
Ist es so schrecklich, Herr Sumsemann?
Ja, es ist sehr schrecklich.
Das tut uns aber leid.
Ja, es ist der große Fluch, der auf uns Sumsemännern liegt, und das ist eine traurige Geschichte.
Wenn es eine Geschichte ist, dann mußt du sie uns erzählen.
Nun ja, wenn ihr sie hören wollt.
Alle Sumsemänner haben seit vielen hundert Jahren nur fünf Beinchen. Jetzt ist das Geschlecht ausgestorben bis auf mich. Ich bin der letzte Fünfbeinige. Das sechste Beinchen aber, das ist auf dem … Mond.
Ach!! –
Ja, wie ist es da hinaufgekommen? so denkt ihr, und das ist es eben.
Vor vielen hundert Jahren war es, als der erste Maikäfer Sumsemann sich gerade verheiratet hatte und des Sonntags abends im Wald mit seiner Frau spazieren flog. Sie hatten viel gegessen und ruhten sich ein wenig auf einem Birkenzweiglein aus, und da sie sehr mit sich selbst beschäftigt waren, denn sie waren jung verheiratet, merkten sie nicht, wie ein böser schwarzer Mann, ein Holzdieb, kam; der schwang plötzlich seine Axt und hieb die Birke um; und so schrecklich schlug er zu, daß er dem Urgroßvater Sumsemann ein Beinchen mit abschlug. – Fürchterlich war es! – Und sie fielen auf den Rücken und wurden ohnmächtig vor Angst. Nach einiger Zeit aber kamen sie zu sich von einem hellen Schein, der um sie leuchtete. Da stand eine schöne Fee vor ihnen im Walde und sagte: »Der böse Mann ist bestraft für seinen Waldfrevel am Sonntag. Ich bin die Fee der Nacht und habe es vom Monde aus gesehen. Zur Strafe ist er nun mit dem Holz, das er umgeschlagen hat, auf den höchsten Mondberg verbannt. Dort muß er bleiben in alle Ewigkeit, Bäume abhauen und Ruten schleppen.«
Aber der Urgroßvater schrie und sagte: »Wo ist mein Beinchen, wo ist mein Beinchen, wo ist mein kleines sechstes Beinchen?« Da erschrak die Fee. »Ach,« sagte sie, »das tut mir sehr leid; es ist wohl an der Birke hängen geblieben und nun mit auf den Mond gekommen.« »O, o, mein Beinchen, mein kleines sechstes Beinchen!« schrie mein Urgroßvater, und seine kleine Frau weinte schrecklich, denn sie wußte, daß nun alle ihre Kinder nur fünf Beinchen haben würden – und das war schlimm.
Und als die Fee den großen Jammer sah, hatte sie Mitleid und sagte: »Ein Mensch ist zwar sehr viel mehr als ein Maikäfer, und deshalb kann ich die Strafe für den bösen Menschen nicht aufheben; aber ich will erlauben, daß gute Menschen, wenn ihr sie findet, euch das Beinchen wiederbringen können. Wenn ihr zwei Kinder findet, die niemals ein Tierchen quälten, dann dürft ihr auf den Mond mit ihnen und das Beinchen wieder holen.«
Da waren sie etwas getröstet. Aber sie fanden keine Kinder, und ihre Kinder und Enkel auch nicht, so viel sie auch suchten. Immer wurden die Sumsemänner, die Fünfbeinigen, totgeschlagen, wenn sie des Nachts in die Stuben kamen, um die Kinder zu bitten; oft von den rohen und unverständigen Dienstmädchen, oft auch von den Kindern selbst. Ach, das ist schrecklich, das ist der Fluch der Familie! Und nun bin ich der Letzte des berühmten Geschlechtes und wäre doch auch fast totgeschlagen worden vorhin vom Peterchen. (Er wischt sich mit dem Blatt die Tränen.)
Ach, lieber Maikäfer, das tut mir jetzt so leid; aber ich habe noch niemals ein Tierchen gequält, ganz gewiß nicht.
Nein, und ich auch nicht; und nun weine nicht, lieber Maikäfer, wir meinen es sehr gut mit dir. (Sie streichelt ihn.)
Ja, und wir würden dir dein Beinchen schon wieder besorgen, aber, weißt du, auf dem Mond? Der ist sehr weit, und da muß man fliegen können, und das können wir leider nicht.
Nein, das können wir nicht; dann fallen wir ’runter vom Mond und gehen kaputt.
O, wenn ihr wollt, wenn ihr wollt, dann geht das alles, ihr lieben Kinderchen. – Fliegen? Pah, das ist gar nicht so schlimm, wenn man weiß, wie es gemacht wird. Das bring’ ich euch sehr schnell bei.
Ja? –
Ganz