Blum Hans

Robert Blum


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man es weder als Zunft- noch als Literatur- oder Kunstfest gefeiert habe, „denn die Erfindung der Buchdruckerkunst ist zum Auferstehungsmorgen der Literatur, zum Erlöser des Geistes geworden; ohne sie wäre die Reformation ohnstreitig in dem engen Augustinerkloster erstickt; Gutenberg ist ein Mann des deutschen Volkes und nicht blos der Krämer und Händler, die sich von seiner Erfindung nähren. So nahm das Volk das große Fest auf; es freute sich der Entfesselung des Geistes und nicht der Kunst, die Tausenden Brot bringt.“ Selbst Gottfried Hermann’s Festrede in der Aula verließ die bis dahin unausrottbare Gewohnheit aller akademischen Festreden Leipzigs, olympisch-langweilig zu sein, und schwang sich in klassischem Latein auf zu einem zürnenden Protest gegen jede Knebelung der Denkfreiheit. Das sinnige Festspiel im Theater war von Blum arrangirt.

      Das nächste war, daß die zahlreichen Schriftsteller, die in Leipzig ihren Sitz hatten und die sich und ihre Arbeit durch das große Fest besonders gehoben fühlten, zu einem „Literatenverein“ zusammentraten. Der Verein begann bald nach dem Fest (Winter 1840/41) seine zunächst gesellige Wirksamkeit[40]. Blum gehörte zu seinen Gründern, von 1841 an zu dessen Vorstand. Vom Januar 1842 an nahm der Verein die Form an, in welcher er später viel Rühmliches wirkte für die Würde und Interessengemeinschaft des Schriftstellerstandes sowohl, als für die Freiheit der Presse und des geschriebenen und gedruckten Wortes und endlich für das Autorrecht. „Sein Zweck ist nicht ästhetischer Art“ sagt § 2 des Statuts vom Februar 1842, „sein Zweck ist nicht politischer Art – er wird über allgemeine staatliche Verhältnisse keine Gesammtmeinung aufstellen wollen. Sein Zweck ist ein moralischer“ (sagt § 4). „Gemeinsame Beachtung, Prüfung, Berathung und Entschließung hinsichtlich aller der Verhältnisse, welche die Ehre und die Interessen des Literatenstandes, der Literatur und der Presse angehen: das ist sein Zweck.“ § 5 machte den Mitgliedern zur Pflicht: „alle dahin einschlagenden Angelegenheiten, die den Vortheil und die Ehre der Literatur und der Presse betreffen, im Vereine zur Kenntniß und zur Sprache zu bringen, damit ein allseitiges Einverständniß hierüber möglich werde und nöthigenfalls die öffentliche Darlegung des Gesammtwillens erfolgen könne“. „Nachdruck, gesetzlicher und ungesetzlicher Zustand der Presse, Handhabung der Censur, diese drei Punkte wird seinerseits der Leipziger Literatenverein zu Gegenständen unausgesetzter Berathung und Entschließung machen.“

      Die erste Mitgliederliste des Vereins führt schon 44 Schriftsteller, Professoren und Buchhändler auf, z. B. Prof. Biedermann, Robert Blum, Prof. Braune, Friedr. und Heinr. Brockhaus, A. Buddeus, Diezmann, Prof. Flathe, Georg Günther, Jul. Hammer, M. Held, Rob. Heller, Herloßsohn, Salomon Hirzel, J. P. Jordan, J. Kaufmann (den geistvollen Mitarbeiter der von Kuranda begründeten Grenzboten), Prof. Klotz, Adv. Koch (den späteren Bürgermeister), Gust. Kühne, Heinrich Laube, Albert Lortzing, Marggraff, Dr. Jul. Michaelis, E. M. Oettinger, Karl Reimer, Dr. Schletter, Fr. Steger, Prof. Theile, Dr. R. Treitschke, Dr. Weinlig (den späteren Minister), Prof. Weiske, Otto und Georg Wigand, Prof. Wuttke – und selbst den Censor Prof. Bülau! Im Herbst 1842 war die Mitgliederzahl schon auf das Doppelte gestiegen. Die Jahresberichte und Mitgliederverzeichnisse der kommenden Jahre zeigen, in welchem Maße sich dieser Verein aus ganz Deutschland Gelehrte, Buchhändler, Schriftsteller angliedert. So zu sagen über Nacht war er eine Macht geworden, die erste kraftvolle Organisation und Association des Schriftstellerstandes in Deutschland.

      Noch wirkungsvoller für die unmittelbare Gegenwart war jedoch die vornehmlich von Robert Blum 1840 bewirkte Gründung des Leipziger Schillervereins. An den Jahresfesten des Vereins konnte die eigenthümlichste Begabung seines Gründers, die gewaltige Rednergabe Blum’s, ihre größten Triumphe feiern, da er es vorzüglich verstand, „diesen Schillerfesten durch eine künstliche Mischung des politischen mit dem poetischen Elemente einen immer frischen Reiz und eine nicht unwichtige Einwirkung, besonders auf den niederen Bürgerstand zu verleihen.“[41] Man braucht nur Blum’s zu den Schillerfesten gehaltene Reden[42] nachzulesen, um diesem Urtheil des Sächsischen Geschichtsschreibers durchaus beizutreten, der übrigens durchaus nicht allzu nachsichtig und liebevoll über Blum urtheilt[43]. Das erste Schillerfest fand am 9. November 1840 statt. Blum hielt die Festrede; schon in dieser ersten Rede erklärte er:

      „Aber wie unendlich bedeutend auch die sittliche und poetische Größe Schiller’s sein mag: es giebt noch eine andere, in der neuesten Zeit vorzugsweise erkannte Seite seines Wesens, die ihn mit tausend Liebesbanden festkettet an die Herzen seiner Nation und ihn zum Muster und Vorbilde macht für die edelsten Bestrebungen der Vergangenheit, der Gegenwart und Zukunft: es ist dies seine historisch-prophetische Bedeutung, sein Kampf für Wahrheit, Völkerwohl und Freiheit. Werfen wir einen Blick auf den innigen Zusammenhang seiner Schöpfungen mit den Ereignissen seiner Zeit.“ Diese Betrachtung bildet den Kern der ersten Rede. Sofort wird natürlich der Schiller-Verein zu Leipzig in den reactionären Organen des Bundestages, Hannovers &c. verdächtigt, ein politischer Verein zu sein, Götzendienst zu treiben durch einen Tanz um eine alte Weste Schiller’s, die der Verein besitzt &c. Darauf antwortet Blum sehr scharf in seiner Rede zum Schillerfest 1842: „Im Aerger darüber, daß die Völker nicht mehr tanzen wollen nach den elenden Melodien dieser schlechten Musikanten, erfanden sie jenen Tanz. Die Verblendeten, die keuchend arbeiten um Sündenlohn an einem schmachvollen Werke, glaubten mit jenem Märchen den gewaltigen Ausbruch unserer Empfindungen übertäuben zu können, der sich kundgab, als wir uns der Heiligkeit geschworener Eide erinnerten[44] und des frevelhaften Spiels, das hin und wieder damit getrieben wird.“

      Er wirft nun die Frage auf: „Was feiern wir am Schillerfeste?“ und beantwortet sie dahin: „Seit dem halben Jahrhundert, wo Schiller gelebt und gewirkt, haben wir einen weiten Raum durchlaufen: das Vaterland war zerrissen und zerstückelt durch den Eigennutz derer, die es zunächst hätten hüten sollen, und wir trugen das schmachvolle Joch der Fremdherrschaft; wir rüttelten wieder an unseren Ketten, zersprengten sie und setzten Gut und Blut an unsere Befreiung, an unsere Freiheit; wir empfanden schnöden Undank und grobe Täuschung, die schon entkeimende Frucht unseres Blutes wurde abgestreift vom Sturm der Willkür, der Gedanke und das Wort gefesselt und die begeisterte Vaterlandsliebe geächtet; wir suchten und fanden andere Bahnen zu neuem Wirken und ringen noch immer nach dem Verlorenen. Schiller hat uns begleitet auf dem ganzen weiten Wege, hat Jubel und Freude, Schmerz und Entrüstung, Muth und Ausdauer, Duldung und Ergebung, Kraft und Begeisterung, Mäßigung und Klugheit in unsere Seelen gehaucht… Der schwierige Weg ist zurückgelegt, vor uns liegt eine offene, eine ebene Bahn. Nicht weil unsere gerechten Forderungen befriedigt, die Güter uns gewährt sind, die wir prompt vorausbezahlten, sondern weil die Gesinnung, die sie erstrebt, so stark geworden im Vaterlande, daß sie unwiderstehlich ist; weil die Forderung so tausendstimmig laut geworden, daß man ihr nicht mehr Schweigen gebieten kann, weil man endlich erkannt hat, was uns Noth thut, um stark und frei zu werden. Was vor einem Jahrzehnt noch leiser Wunsch und tiefe Sehnsucht einzelner Herzen war, was ausgesprochen als Hochverrath galt, um deßwillen Hunderte in den Kerkern schmachteten, Hunderte dem Vaterlande den Rücken kehren mußten – es ist heute der ausgesprochene Wunsch, die laute Forderung jedes Ehrenmannes; es erschallt aus allen Gauen, aus jedem Herzen, aus jedem Munde; es erschallt selbst von den Festtafeln der Fürsten; ‚Ein einiges, großes, starkes Vaterland! Fest wie seine Berge‘[45]. Die Idee hat gesiegt; sie ist Fleisch und Blut, ist allmächtig geworden trotz aller Verfolgung und Unterdrückung, sie wird verwirklicht werden trotz aller Schranken und Widerstrebungen.“

      Um die volle Wirkung solcher Reden auf die Zeitgenossen zu würdigen, muß man sich versetzen in die Tage, da sie gehalten wurden. Diejenigen, die damals jung gewesen und dem Redner zu Füßen saßen und heute in Ehren ergraut sind, haben dem Verfasser wiederholt erklärt, daß Worte von solcher Kühnheit, Kraft und patriotischer Klarheit bis dahin in Leipzig noch nicht vernommen worden seien. Durch diese Reden allein schon gewann Blum seit Beginn der vierziger Jahre den Ruf, der erste Redner Leipzigs zu sein. Aber nicht minder kühn, schneidig und klar führte Robert Blum den Kampf um die höchsten Güter der Nation in der Presse. Zunächst bediente er sich dazu der seiner Richtung verwandten Tagesblätter, vor Allem der schon genannten „Sächsischen Vaterlandsblätter“, die vornehmlich durch Blum’s