er unermüdlich die Forderungen, die Schwächen und Fehler der Zeit, namentlich die furchtbaren Mißgriffe und Sünden des damaligen geheimen und schriftlichen Strafverfahrens, den Fluch der Censur, die Rechte der Landtage gegenüber den Regierungen &c. zur Sprache gebracht. Denn noch dauerten die segensreichen Tage des Ministeriums Lindenau für Sachsen fort, noch hoffte Blum, manches Wort, das er freimüthig in den „Vaterlandsblättern“ niedergelegt, werde in Dresden an hoher Stelle gute Statt finden.
Er wurde freilich in dieser Erwartung schon erheblich getäuscht, als die Vaterlandsblätter von Dresden im Jahre 1841 nach Leipzig übersiedelten. Da wollte er selbst das wichtige Parteiorgan käuflich an sich bringen und bewarb sich um die Concession zur Herausgabe des Blattes. Doch wurde ihm diese rundweg versagt, weil man ihn für einen gemeingefährlichen Menschen hielt. Man besaß damals eine schöne Offenheit, den Leuten, denen man wohlwollte, so etwas rund heraus zu sagen. Blum blieb also einfacher Mitarbeiter der Vaterlandsblätter. Doch schlugen seine Artikel täglich in weiteren Kreisen ein. Wir Heutigen können uns von der Wirkung, welche die den Zeitgenossen mundgerechtesten Artikel Blum’s ausübten, kaum mehr eine Vorstellung machen. Einige derselben, wie seine Abhandlung darüber, ob der Pfarrer Weidig in seiner Untersuchungshaft in Darmstadt sich selbst entleibt habe oder ermordet worden sei, wurde in mehr als zehntausend Abdrücken verbreitet – obwohl oder vielleicht gerade weil Blum darin die heute als völlig irrig erkannte Meinung begründete, daß Weidig das Opfer eines politischen Meuchelmordes (verübt durch seinen eigenen Untersuchungsrichter) geworden sei[46]. Deutlich erkennbar für Jeden war der intime Zusammenhang der journalistischen Arbeit Blum’s mit dem Auftreten der liberalen Opposition im sächsischen Landtage. Die „Vaterlandsblätter“ warfen in die Massen dieselben Schlagworte der Partei, welche später im „Landhause“ zu Dresden von der Linken aus erhoben wurden. Aus den Briefen Blum’s an Johann Jacoby, die mir vorliegen, ist zweifellos, daß das journalistische Zusammenwirken Blum’s mit der parlamentarischen Opposition Sachsens ein durchaus planmäßiges war. Vor jeder Landtagscampagne wurde in Leipzig das gemeinsame Zusammenwirken zwischen Blum und den Abgeordneten in den Zielen und Mitteln festgestellt[47].
Ein ehrendes Zeugniß für Blum’s Gerechtigkeitssinn und Wahrheitsliebe bei seinen journalistischen Arbeiten, zugleich einen schönen Beweis für das Ansehen der Vaterlandsblätter in den höchsten Kreisen deutscher Bildung bietet nachstehender Brief Blum’s vom 9. September 1842 an Prof. Nees von Esenbeck in Breslau[48]. Prof. v. Esenbeck hatte eine Notiz der Vaterlandsblätter über die Breslauer philosophische Facultät berichtigt und diese Berichtigung sendet nun Blum ein mit den Worten: (Ich habe) „den angenehmen Auftrag zu erfüllen, der mir von der Redaction der Sächsischen Vaterlandsblätter zu Theil wurde, Ihnen für Ihr überaus freundliches Briefchen zu danken und Ihnen in der Einlage den Beweis zu liefern, daß wir Ihrem gefl. und gerechten Wunsche mit Vergnügen und aus Pflichtgefühl entsprochen haben. Daß die Mittheilung, aus einer unverfänglichen und durchaus unbetheiligten Quelle fließend, Aufnahme fand, bedarf keiner Entschuldigung; daß aber die Facultät auf ungerechte Weise gekränkt wurde, ist uns sehr schmerzlich, wenn auch dieses unangenehme Gefühl nicht von einer sehr wohlthuenden Beischmeckung frei ist. Wir haben nämlich dadurch die – wenn auch nur briefliche – Bekanntschaft eines Ehrenmannes gemacht, der mit einer leider immer seltener werdenden Offenheit und Zutraulichkeit die Wahrheit vertritt und nicht an der Redlichkeit einer offen angesprochenen Gesinnung zweifelt: ich meine Ihre uns höchst ehrenvolle Bekanntschaft. Genehmigen Sie demnach mit dem verbindlichsten Danke für Ihre freundliche und wohlwollende Meinung, für Ihr ehrendes Vertrauen die Versicherung innigster Verehrung von Ihrem ganz ergebensten Robert Blum.“
In gleich energischer Weise, wie durch die Tagespresse, suchte Blum aber auch durch billige politische Schriften zu wirken. Von 1840 gab er mit Steger den „Verfassungsfreund“ heraus, ein Lieferungswerk, durch welches das Volk über wichtige Zeitfragen des Staatslebens aufgeklärt werden sollte. Die Vorrede zum ersten Bändchen, welches eine Abhandlung Stegers über Absolutismus und constitutionelle Monarchie enthielt, war folgendes „Vorwort“ Blum’s vorausgeschickt, das wir vollständig mittheilen, da es eines der schönsten Zeugnisse der nationalen und maßvollen Gesinnung des Mannes darstellt.
Die Zeit, in der wir leben, ist eine der schönsten und größten, die es je gegeben. Eine gewaltige Bewegung hat sich der ganzen Welt bemächtigt, Alles will mit Kraft vorwärts, und auch unser herrliches Vaterland hat sich dem neuen Streben der Völker angeschlossen. Jeder Bürger ist bei diesem Ringen zwischen Altem und Neuem betheiligt, die Kräfte jedes Einzelnen werden in Anspruch genommen, jeder Staatsangehörige hat die Pflicht, den großen Ereignissen des Tages, die auch sein Wohl oder Wehe entscheiden, seine Aufmerksamkeit zu schenken und sich für oder wider auszusprechen.
Eine ruhige Prüfung der gewichtigen Fragen, die auf die Gestaltung unseres öffentlichen Lebens von entscheidendem Einflusse sind, thut daher vor allem Noth. Keine Leidenschaft, kein Irrthum, am wenigsten absichtliche Lüge, dürfen sich in die Erörterung der Formen und Einrichtungen, die für das Staatsleben die passendsten sind, mischen, sollen wir anders unsere Entscheidung richtig abgeben. Zu dieser Entscheidung sind aber Alle berufen und berechtigt, Arme wie Reiche, Mächtige wie Schwache, Hohe wie Niedere, denn das Vaterland umschlingt alle Staatsbürger mit gleichem Bande, und was ihm widerfährt, Gutes oder Böses, das hat auch jeder Einzelne mitzuempfinden.
Die jetzige Zeit ist zu einer ruhigen Prüfung wohl vorzugsweise geeignet. Ein tiefer Friede umfängt das ganze Vaterland von der Eider bis zur Donau, vom Rhein bis zur Weichsel, und es hat nicht den Anschein, als ob der Bürger und der Landmann durch Kriegsruf sobald wieder aus ihrer Ruhe aufgescheucht werden sollten. Im Innern herrscht dieselbe gedeihliche Ruhe, mit einer glücklichen Betriebsamkeit gepaart. Alle Hände sind rüstig am Werk, die Künste des Friedens zu pflegen, und Recht und Gesetze finden die Wartung, welche diese wichtigsten Stützen des Staats in Anspruch nehmen dürfen. Vorzüglich ist es aber das Verfassungswesen, dem die meiste Theilnahme, der Regierungen wie des Volkes, sich zuwendet, und das zugleich im entschiedensten Sinne, bald mit theilnehmender Liebe, bald mit erbitterter Abneigung, besprochen wird.
Dieses Verfassungswesen und Alles, was daran sich knüpft, näher zu beleuchten, ist der Zweck unseres „Verfassungsfreundes.“ In den Kreis unserer Besprechung gehören daher sämmtliche wichtige Zeitfragen, z. B. über constitutionelles Princip überhaupt, über Preßfreiheit, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit, deutsche Einheit, Gemeindeverfassung u. s. w. u. s. w. Wir werden alle diese Gegenstände nach der Reihe besprechen und uns dabei bemühen, mit Ausscheidung alles Ungehörigen und namentlich alles gelehrten Krames, das einfache Verhältniß jeder Sache so darzulegen, wie es dem gesunden Verstande des schlichten Bürgers sich darstellen muß. Denn nicht etwa eine besonders hoch-, vielleicht auch verbildete Classe von Staatsangehörigen haben wir bei unserm Werke im Auge, sondern wünschen vielmehr die Gesammtheit aller denkenden Bürger zu Lesern zu haben, um uns mit ihnen über die wichtigsten Zeitinteressen zu verständigen.
Das Gefühl unserer Einheit als großes Volk der Deutschen ist lebendiger erwacht, denn je. Gott sei gelobt, daß dem so ist, denn unsere Einheit ist unsere Kraft und unser Glück. Es genügt aber nicht, daß wir uns als Deutsche zusammenstellen, wenn der Franzose über den Rhein schreit oder der Russe von seinen Steppen aus den Kantschu zeigt; wollen wir wahrhaft ein eines Volk sein, so müssen wir auch einig sein. Diese Einigkeit wird bedeutend vorbereitet werden, wenn wir uns selbst kennen lernen, wenn wir uns genau Rechenschaft darüber ablegen, was uns in unsern Verhältnissen Noth thut, und welche Staatseinrichtungen und Gesetze unsern Bedürfnissen am anpassendsten sind.
Nach unserer besten, innersten Ueberzeugung können wir nur Eines finden, das uns in Deutschland zur Einheit und zur Einigkeit zu führen vermag – die Durchbildung eines freien deutschen Verfassungslebens. Nur das allen freien Männern inwohnende Gefühl der Selbstachtung kann dem Deutschen die Würde geben, die er in den schweren Kämpfen mit dem Auslande, welche vielleicht bald bevorstehen, so nöthig hat, und nur die unter constitutionellen Regierungsformen so innige Verschmelzung von Staat und Volk, wie die hier stattfindende fortwährende Betheiligung der Bürger an allen Staatsangelegenheiten, vermögen uns das Selbstbewußtsein zu verleihen, das uns lehrt, für jede, selbst die entfernteste Provinz wie ein Mann einzustehen,