Gerstäcker Friedrich

Tahiti: Roman aus der Südsee. Dritter Band.


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lachte aber dieser, »eben nur die Haut geritzt, und hergehn hätt' ich können, hätte nicht Bertrand hier in übergroßer Besorgniß darauf bestanden mich her zu fahren.«

      »Die Wunde ist unbedeutend, Madame« bestätigte aber auch jetzt der junge Officier, der an Land gesprungen war und eine fast unwillkürliche Bewegung machte die junge Frau hinauf und zum Haus zurückzuführen, wohin jetzt vier kräftige Matrosen auf einer der Boot Doften den Verwundeten trugen. Sadie aber ließ des Gatten Hand nicht los und während sie sich ängstlich an ihn schmiegte, fuhr der junge Officier fort: »Ich fürchtete nur eine mögliche Entzündung, wenn er den langen Weg in der Sonnenhitze hätte zu Fuß zurücklegen sollen; wenige Tage werden ihn wieder hergestellt haben.«

      »Aber was ist geschehn, um des Heilands Willen« bat Sadie.

      Bertrand biß sich auf die Lippen und René sagte finster:

      »Nichts von Bedeutung Kind; ein doppelter Aderlaß einer neckischen Göttin zum Opfer gebracht – das Fleisch heilt bald – aber – wer ist das da drüben? – Mi-to-na-re? – bei Allem was da lebt – in Hosen und Strümpfen – Mitonare« und dem kleinen, auf ihn zueilenden Mann die Hand entgegenreichend schüttelte er sie fest und herzlich und – wandte den Kopf zur Seite, denn gerade in diesem Augenblick traf ihn die Erinnerung an Atiu wie ein Stich in's Leben, und trieb ihm das Wasser hinauf in die Augen, das er den Seeleuten bergen wollte.

      »Böser Wi-Wi!« rief aber auch jetzt der kleine Missionair wieder in seinem tollsten Englischen Kauderwelsch, das er mit dem Europäer glaubte sprechen zu müssen, »aita maitai – macht ole manni viel Sorge – leichtsinniger Kopf der in dicken Bambus fährt und durchwill – läßt kleine Pu-de-ni-a zu Haus und kommt nachher angefahren, blutig und blaß und jagt ihr den Todesschreck in die Glieder, daß sie auch krank wird und stirbt.«

      »Pu-de-ni-a!« sagte leise René und drückte die Hand des treuen Weibes, die in der seinen ruhte, »und Du lieber wackerer Freund,« wandte er sich dann plötzlich im reinsten Tahitisch zu dem, darüber aufs Aeußerste erstaunten Mitonare »wo kommst Du her, was treibst Du, wie geht es Dir? – und willst Du bei uns bleiben jetzt auf Tahiti?«

      Ehe aber der Mitonare die rasch hintereinander an ihn gerichteten Fragen beantworten konnte, verbot der mitgekommene Schiffsarzt jede weitere Aufregung, bis er die, allerdings nicht gefährliche aber in einem heißen Klima doch immer zu beachtende Wunde erst nochmals untersucht und wieder verbunden hätte. Vor allen Dingen müsse der Verwundete in ein kühles Zimmer geschafft werden, dort die nöthige Pflege zu finden.

      Sadie besorgte das Alles mit zitternder Hast, häufte Matte auf Matte, ihm ein kühles und weiches Lager zu bieten, und wechselte erst ihre eigenen, durchnäßten Kleider, als sie den Gatten mit allem versorgt, was ihre liebende Hand für ihn bereiten konnte. Die Wunde war allerdings nicht gefährlich, ja nicht einmal bedeutend, und die Kugel ihm eben nur durch den oberen Theil des Armes dicht an der Schulter durchgegangen, ohne den Knochen weiter zu verletzen, Blutverlust und Ermattung hatten ihn aber doch erschöpft und als der zweite Verband mit Sadiens Hülfe angelegt war, fiel der Leidende in einen sanften aber festen Schlaf, in dem ihn der Arzt nicht gestört haben wollte, und selbst Sadie bat das Zimmer zu verlassen. Nur Mataoti mußte bei ihm zurückbleiben, um zu rufen sobald er wieder erwachen würde.

      Am Strande lag unterdessen das Boot schon wieder zur Abfahrt gerüstet, und Bertrand wollte eben Abschied nehmen von Sadie, an Bord zurückzukehren, als diese seinen Arm ergriff und ihn mit leiser, aber dringender Stimme bat, ihr die Ursache der Verwundung anzugeben, die sie mit peinlicher Angst, sie wisse selber eigentlich nicht recht, warum? erfülle. Der junge Mann zögerte erst verlegen mit der Antwort, aber er fühlte auch, wie er ihr dieselbe eigentlich nicht verweigern durfte, und erzählte ihr jetzt mit so kurzen und schonenden Worten als möglich, wie jener Officier, nach den gestrigen Vorgängen, nicht umhin gekonnt habe, Europäischen Begriffen von Ehre nach, René zu fordern, und wie sie sich heut Morgen, unfern der Stadt mit ihren Secundanten getroffen und geschossen hätten. Rodolphe, sein Gegner, habe zuerst gefehlt und eine leichte Streifwunde bekommen, aber dann hartnäckig darauf bestanden den zweiten Schuß zu thun. Die Secundanten konnten ihm den nicht weigern und von beiden, ziemlich zugleich gefeuerten Kugeln sei René in die Schulter, Rodolphe durch die Brust getroffen. Der Gegner lebe zwar noch, aber die Wunde sei ziemlich gefährlich; René habe übrigens für seine Sicherheit nicht das Mindeste zu befürchten, setzte er rasch hinzu, denn selbst im unglücklichsten Fall stehe er gerechtfertigt da. Er hatte nichts Anderes gethan als sich vertheidigt.

      Sadie wurde todtenbleich – ihr Gatte verwundet, vielleicht ein Mörder – ihrethalben, mit dieser Last auf seiner Seele, und zugleich der irdischen Gerechtigkeit für blutige That verfallen, denn mit Entsetzen dachte sie daran, wie gerade jetzt die englischen Schiffe die Obermacht im Hafen hätten und kaum einen Fall vorübergehn lassen würden, einen aus dem ihnen feindlichen Stamm zu Rechenschaft zu ziehen vor ihr Gericht. Bertrand schüttelte aber bei der laut gewordenen Besorgniß lachend mit dem Kopf.

      »Die englische Herrschaft ist vorbei« rief er, trotzig den Kopf emporwerfend; »Großbritannien erkennt das Französische Protectorat an, und zieht seine Schiffe zurück – ja noch mehr, in der Nähe einer der Nachbar-Inseln sind schon zwei Französische Kriegsschiffe – jedenfalls Du Petit Thouars mit seiner Flotte im Aufkreuzen gesehen worden, und die Tricolore herrscht von jetzt an auf Tahiti.«

      »Zwei französische Schiffe sind gesehen worden? – und von wem habt Ihr die Nachricht?« frug Sadie rasch, und ein Gedanke an Raiteo durchblitzte ihr Hirn.

      »Kleine Fahrzeuge kreuzen herüber und hinüber« antwortete der Officier – »wir haben überall unsere Wächter; aber sehn Sie Madame daß ich recht hatte? – dort über den Riffen draußen segelt der Talbot vor dem Wind, diese Küsten zu verlassen, und ha – dort kommt auch der Vindictive, schwerfällig seine weiten Segel entfaltend. Halt meine Burschen – Ruhe bis wir draußen in See sind,« unterbrach er sich rasch, dem eben ausgebrochenen Jubelruf seiner Leute zu wehren – »der Kranke schläft und Ihr dürft ihn nicht wecken durch Euer Hurrah. Doch jetzt auch nach Papetee zurück, denn wir werden dort alle Hände voll zu thun bekommen, und heute Abend, wenn es geht, komm' ich einen Sprung herüber, mich nach dem Befinden unseres lieben Kranken zu erkundigen. So Adieu Madame, auf ein froheres Wiedersehen«, und sich freundlich gegen sie neigend sprang er auf den Rand des hinangezogenen Bootes und hinein, wo der Arzt schon seinen Sitz wieder eingenommen hatte, die Leute liefen damit hinaus in tieferes Wasser, folgend, sobald sie das schwanke, scharfgebaute Fahrzeug flott fühlten, und wenige Minuten später zischte und preßte der Bug wieder gegen die crystallene Fluth an, sie in leichten Kräuselwellen zur Seite werfend, der nächsten Landspitze zu, um die es bald darauf verschwand.

      »Was sagte der Wi-Wi von den Schiffen da draußen?« frug aber jetzt der Mitonare, der dem ihm unverständlichen Gespräch besonders so erstaunt gelauscht, weil seine kleine Pudenia die fremde ihm unbegreifliche Sprache so geläufig sprach, und dem dabei die zwei großen Schiffe die jetzt erst in Sicht gekommen und augenscheinlich von der Insel fortsegelten, ebenfalls aufgefallen waren.

      »Es sind die Englischen Kriegsschiffe, die den Hafen verlassen« sagte Sadie.

      »Den Hafen verlassen?« wiederholte erstaunt der kleine Mann – »und Bruder Aue hat uns davon ganz andere Geschichten erzählt – puh, puh, und die Wi-Wis kommen mit großen Schiffen angesegelt – böse Sachen, böse Sachen – wo bleibt da unser Gott?«

      Sadie hörte gar nicht was er sprach – vor ihrem inneren Auge lag der verwundete Gatte, lag sein blutendes Opfer, und während die hellen Thränen ihr still und schwer die Wangen niederträuften, murmelte sie mit leiser, schmerzerfüllter Stimme:

      »Verloren – verloren – Glück und Frieden dahin – oh armer armer Vater Osborne, wie gut daß Du still und ruhig in der kühlen Erde liegst – wenn nicht der frühere Gram – der Tag hätte Dein treues Herz gebrochen.«

      »Ja, Vater O-no-so-no,« seufzte der kleine Mann, seinen Hut wieder ergreifend und aufsetzend, unter dem das breite, dunkle, gutmüthige Gesicht gar so komisch und widernatürlich aussah – »Vater O-no-so-no war ein guter Mann, und wären sie alle so gewesen wie er – Aber ich muß in die Stadt hinüber,« unterbrach er sich selbst, »denn die Versammlung soll heut' Morgen sein und Mitonare Ezra