war wieder ein Karren voll dieser Knollen bis hinein in den Schuppen selber gefahren und dann vorn ausgekippt worden, um die Frucht auf den Boden zu werfen. Dort kauerten augenblicklich vierzehn bis fünfzehn Neger, doch nur wenige Männer, Frauen und Kinder, darum her, um mit Messern und Eisen die Knollen abzuschaben, welche dann von anderen Sclaven zu der Mühle getragen und von einem Knaben aufgeschüttet wurden. Indessen war ein kräftiger Stier hereingeführt und mit verbundenen Augen an den senkrecht laufenden Schaft gespannt, welcher das Hauptrad drehte und die hineingeworfenen Wurzeln zerrieb. Das von dem giftigen Safte noch durchdrungene Geschabe wurde dann in grob gewebte Säcke gepackt.
An der Seite des Schuppens waren für diese Säcke Pressen angebracht, rohe, starke Holzschrauben mit Löchern zu Hebebäumen, wie sie auf Schiffen am Gangspill sind. Unter diese kamen die Säcke, unter jede Schraube einer, und wurden erst ein Wenig angeschraubt, daß der Saft aus dem Gewebe herauslief, der sich dann unten in einer Rinne fing und in eine Grube lief. Jede halbe Stunde etwa zogen besondere Leute die Schraube fester und fester an, bis der Sack zu der Form eines kleinen Schweizerkäses fest und hart zusammengedrückt und der letzte Saft aus dem jetzt zu Mehl gewordenen Geschabe entfernt war.
Hinten an der Wand, auf einer Art von Backofen, stand außerdem eine riesige eiserne Pfanne über dem Feuer. Dort hinein kam das immer noch etwas feuchte Mehl, und ein Neger rührte und bewegte es hier ununterbrochen, bis es vollständig ausgetrocknet, in Säcke gemessen und in die Vorratskammer geschafft werden konnte.
Es war ein lebendiges Bild, diese Mühle, mit den fröhlich plaudernden Gruppen der Mädchen und Kinder, mit dem geschäftigen Treiben der Sclaven, welche in ihrer Arbeit so regelmäßig gingen wie der Stier, der die Walze drehte, mit der halb nackten Gestalt des Negers an der heißen Pfanne, welchem die Gluth den ohnehin schon warmen Platz noch unerträglicher machen mußte.
Die Mühle schien aber auch zu einer gewöhnlichen Wohnstube benutzt zu werden, denn dicht neben der Gruppe der schabenden Mädchen stand ein langer Holztisch mit Stühlen darum her, und eine der Negerinnen kam gerade mit dem Tischtuch herein, um für die nächste Mahlzeit zu decken.
Mitten unter den Frauen und Kindern schwarzer Abstammung saßen dazu ein paar weiße Mädchen, mit derselben Arbeit beschäftigt, und eine alte Dame in schwarzem Seidenkleid und schwarzer Mantille lehnte dicht daneben in einem großen Rohrstuhl, und sah der Arbeit zu, während zwei kleine Negerkinder von zwei und drei Jahren zu ihren Füßen spielten und ihr auch manchmal in ihrem Muthwillen auf den Schooß kletterten.
Nur allein in der einen Ecke entfernt von den Übrigen, saß eine weiße Frau, die in die ganze Umgebung nicht zu passen schien. Sie trug augenscheinlich eine fremde Tracht, und auch die lichten Locken stachen gegen die Rabenhaare der übrigen Bewohner auffallend ab. Ihr Gesicht ließ sich aber nicht erkennen, denn sie hatte es mit ihrem Tuche bedeckt – weinte sie? Die Negermädchen unterbrachen manchmal ihre Fröhlichkeit, sahen scheu nach ihr hinüber und flüsterten dann mit einander. Ernste Gedanken konnte aber dieses leichtherzige Geschlecht nicht lange von seinem Muthwillen ablenken, und irgend ein hingeworfener Scherz riß wieder Alle rasch zu lauter Fröhlichkeit hin.
Ein alter Herr in einem dunklen, langen Rock, aber einen Panamahut auf, betrat jetzt die Mühle. Er war jedenfalls ein Geistlicher und der Eigenthümer der Plantage, schien auch die Frau in der Ecke bei seinem Eintritt gar nicht gesehen zu haben, sondern ging zuerst zu den Arbeitern, um sich zu überzeugen, daß die Beschäftigung ohne Störung verliefe, und trat dann zu dem Stuhl der alten Dame, neben dem er sich ebenfalls niederlassen wollte, als eine Handbewegung derselben seine Aufmerksamkeit auf die Fremde lenkte.
Langsam drehte er sich nach ihr um, betrachtete sie wohl eine Minute schweigend, schritt dann auf sie zu und legte seine Hand leicht auf ihren Kopf. Die Frau hob die rothgeweinten Augen zu ihm auf und sah ihn an, und der alte Herr sagte freundlich:
»Aber meine liebe Senhora, was geben Sie sich immer und immer wieder diesen trüben Gedanken hin? Den Schritt, den Sie gethan, haben Sie aus eigener fester Überzeugung und mit freiem Willen gethan; die Gesetze dieses Landes wie die Kirche selber schützen Sie darin, weshalb also nun noch diese Traurigkeit? Frohlocken sollten Sie eigentlich, daß Sie, wenn auch spät, doch endlich zu der rechten Erkenntniß gelangt sind, denn die Bahn liegt jetzt offen vor Ihnen, welche Sie zu Glück und Frieden führen kann.«
»Ach, Sie haben ja wohl Recht, ehrwürdiger Herr,« sagte die Frau in ziemlich gutem Portugiesisch – »ich hab' es ja Alles aus freiem Willen gethan – es hat mich kein Mensch dazu gezwungen, aber nun, da es geschehen ist, kommt mir doch immer noch manchmal ein Gedanke, als ob ich doch am Ende unrecht, als ob ich schlecht gehandelt hätte.«
»Und kann eine Handlung schlecht sein, die Gesetz und Religion auf ihrer Seite hat?« fragte der Mann.
»Ach nein, nein,« sagte die Frau rasch – »es sind ja auch nur manchmal die albernen dummen Gedanken. Sprechen Sie mir nur Trost und Zuversicht ein, lieber Herr, nachher wird schon Alles gut werden. Es ist – es ist mir nur noch Alles hier so neu, so fremd, und ich sollte eigentlich recht, recht glücklich sein, denn mein – früherer Mann darf mich jetzt nicht mehr auszanken und schlagen, und – ich werde die alte vergangene Zeit ja auch bald vergessen.«
»Das werden Sie, liebes Kind,« sagte der Brasilianer, »und sich außerdem auch noch vollkommen ruhig und sicher fühlen können, denn gleich nach dem Essen werden die Pferde kommen, welche Sie nach Santa Catharina bringen sollen. Dort hat Ihr Herr Gemahl eine sehr hübsche Besitzung, und Sie werden dort alles Leid, alle Sorgen bald und schnell – vergessen,« setzte er langsamer hinzu und horchte nach der Thür hinüber, von der ein merkwürdiges Geräusch herschallte. Es war fast, als ob Jemand um Hülfe riefe, und in demselben Augenblicke stürzte auch ein Negerjunge herein, auf seinen Herrn zu und rief:
»Senhor – fremder Mann hat andern fremden Herrn gepackt – hier,« erklärte er deutlicher und griff sich selber nach dem Halse – »so fest. Eine Senhor schreit und andere…«
»Was ist da vorgegangen?« rief der Brasilianer erstaunt, aber die Frau war todtenbleich geworden. Eine Ahnung der Wahrheit schoß ihr durch die Seele, und mit gefalteten Händen emporspringend, rief sie aus.
»Schützen Sie mich um Gottes willen; das ist mein Mann, der mich aufgefunden hat!«
»Hm,« sagte der brasilianische Geistliche – »das wäre möglich, aber haben Sie keine Furcht. Hier kann Ihnen Nichts geschehen, denn Sie sind unter meinem Dache.«
Er behielt aber keine Zeit weiter, sie zu beruhigen, denn durch die Thür herein flogen noch ein paar Negerjungen, und dicht hinter ihnen erschien eine Gruppe, vor welcher die Mädchen erschreckt von ihrer Arbeit aufsprangen und die allerdings mit der bisherigen freundlichen Ruhe des Platzes im grellsten Widerspruche stand.
In dem breiten Thore, durch welches erst vor wenigen Minuten wieder der Karren geschoben war, welcher den neuen Vorrath in die Mühle gebracht, erschien unser alter Bekannter, der Colonist Pilger aus Santa Clara, aber nicht mehr der ruhige, stille Mann, wie wir ihn dort gesehen, sondern mit erhitztem Gesichte, zornfunkelnden Augen, die dunkelbraunen Haare wirr um die Schläfe hangend, das Hemd durch das Raufen vorn aus einander gerissen: so trat er ein und seine rechte Hand hatte sich fast krampfhaft in die Halsbinde des früheren Delegado von Santa Clara gekrallt, den er, weiter gar nicht mehr seiner achtend, hinter sich herschleifte.
Der arme Delegado sah bös aus. Seine beiden hübschen Pantoffeln hatte er unterwegs verloren und war in bloßen Strümpfen durch die oft schmutzigen Stellen der Straße hergeschleppt; sein Rock hing ihm nur noch in Fetzen vom Leibe, sein Hemd war zerrissen, sein Hut ebenfalls verloren und im Gesichte blutete er an drei bis vier verschiedenen Stellen.
Die Neger, die ebenfalls herbeigesprungen waren, starrten dabei von der Gruppe zu ihrem Herrn, denn sich in den Kampf zweier Weißen zu mischen, schien ihnen nicht räthlich; aber der Eine von diesen war doch der Gast des Herrn selber, und dessen Befehl erwarteten sie jetzt. Ehe dieser aber nur einen solchen geben, ja, vielleicht selber einen Entschluß fassen konnte, hatte Pilger's wild umherschweifender Blick die Frau erspäht. In dem Moment war der Gefangene, war seine ganze Umgebung vergessen, und den Portugiesen loslassend, der in Angst und Scham hinter dem Geistlichen Schutz suchte, eilte er auf sie zu und rief:
»Margareth! Margareth! und